Jazz als Hausmusik
Der französische Pianist Michel Petrucciani prägte den zeitgenössischen europäischen Jazz. Als Kind wurde er von der Hausmusik seiner Familie inspiriert. Er starb bereits mit 36 Jahren an der Glasknochenkrankheit. Auf der CD "Flashback – Louis & Michel Petrucciani" hört man ihn im Duo mit seinem Bruder Louis am Bass. Bekannt wurde Petrucciani hierzulande in der TV-Show von Roger Willemsen.
Das hört sich wirklich nach Idylle an – Vater Tony spielt Gitarre, der Sohn Philippe ebenfalls; Philipes Bruder Louis steht am Bass, und Michel sitzt am Klavier. Familie Petrucciani pflegt am Sonntagabend daheim in Orange, im ländlich-südfranzösischen Departmement Vaucluse, die Familientradition – Papa nämlich liebt Jazz, und die Söhne haben das geerbt. Das Quartett swingt vergnügt vor sich hin. Später, viel später (und auch heute wieder) erscheinen Aufnahmen mit der Musik von Teilen dieser Familienbande. Michel, der berühmte Pianist, gemeinsam mit Papa Tony (diese CD erschien 2001, zwei Jahre nach Michels frühem Tod), heute nun dieses Familien-Duett.
Die Brüder Petrucciani, Louis am Bass, Michel am Klvier – gut vorstellbar ist übrigens auch, wie jeden Montagmorgen, nach der Hausmusik am Sonntag, der Alltag herein gebrochen sein muss – und die Familie den Kampf wieder aufnahm fürs Überleben von Michel. Dessen Schicksal nämlich (das so gar nicht zu ahnen ist, wenn er am Klavier sitzt) ist schwer zu ertragen - schwerstbehindert geht er seinen Weg, kleinwüchsig und mit der teuflischen Glasknochenkrankheit.
Alles unternimmt die Familie – natürlich - für ihn, der auf Papas Platten die Musik lieben lernt, die ihn und die er prägen wird. Die Familie kauft ein richtiges Klavier (nachdem das Kind zuvor ein Spielzeugklavier umgehend zertrümmert hatte!), sie sorgt für privaten Unterricht. Unzählige Knochenbrüche (die immer lebensgefährlich sind!) begleiten den Weg des werdenden Pianisten – und als er 15 ist, 1977, entdeckt ihn eine Jazz-Legende: das Bebop-Urgestein Kenny Clarke, der Schlagzeuger, der in Paris lebt und damals noch eine Bigband betreibt mit dem belgischen Pianisten und Arrangeur Francy Boland. Clarke holt diesen Jungen aus Südfrankreich in die Band, der herrliche Trompeter Clark Terry ist auch dabei – und Michels Karriere beginnt.
Bei Willemsen wird der Pianist zum Medienereignis
Der beste Musiker ist der, der richtig zuhören kann, sagt Michel Petrucciani Mitte der 90er-Jahre beim Gespräch in Hamburg. Er kommt damals regelmäßig dorthin, von New York aus, wo er seit Beginn der 80er-Jahre lebt, und sorgt für die Musik in der TV-Show des Moderators Roger Willemsen. An dessen Seite wird der Pianist zum Medien-Ereignis – auch wenn Hierarchen gelegentlich meinen, "der Zwerg" müsse weg. Willemsen setzt Petrucciani durch; und es gelingt auch, denn öffentlichen Umgang mit schweren Behinderungen generell zu verändern, wenigstens ein bisschen. Auch der meisterliche Bass-Bariton und Musik-Professor Thomas Quasthoff kann davon Geschichten erzählen.
Aber so selbstverständlich Behinderung nun sein darf, so unübersehbar ist auch - nicht mehr drüber reden, so tun als wär nichts: Das geht jetzt nicht mehr. Und in Petruccianis Fall erinnert sich jeder und jede an die erste Begegnung mit ihm und der Musik, die er so meisterlich spielt.
Etwa am 20. Oktober 1984, als Petruccianis Trio beim NDR-Jazzfestival in der Hamburger Fabrik spielt und ihn der schwedische Bassist Palle Danielsson auf dem Arm auf die Bühne trägt und ihn platziert auf dem Klavierstuhl; natürlich werden auch die Spezial-Pedale extra eingerichtet. Wer dann die Augen schließt, weiß nichts mehr davon – und hört alles, was dieser junge Mann so zu erzählen hat:
Wie mit der Liebe sei das, sagt Michel Petrucciani – manchmal ist die Lust da, manchmal nicht. Zwei Mal heiratet er, ein Kind erbt die Glasknochenkrankheit von ihm, das zweite wird vorsichtshalber adoptiert. Nie, erzählt der Pianist an anderer Stelle, habe der Vater ihm wohl zugetraut, Enkel in die Familie zu bringen – nun habe er auch in dieser Hinsicht die volle Anerkennung errungen (die er doch sicher längst schon hatte); und das tragische Schicksal begann von vorn.
Michel Petrucciani erreichte wohl alles, was möglich war – als Mensch im letztlich vergeblichen Ringen mit dem Schicksal (er stirbt am 6. Januar 1999, nur 36 Jahre alt), vor allem aber als Musiker, den die Stars des Jazz verehrten wie die Mitglieder dieser tiefmusikalischen Familie.
Die Brüder Petrucciani, Louis am Bass, Michel am Klvier – gut vorstellbar ist übrigens auch, wie jeden Montagmorgen, nach der Hausmusik am Sonntag, der Alltag herein gebrochen sein muss – und die Familie den Kampf wieder aufnahm fürs Überleben von Michel. Dessen Schicksal nämlich (das so gar nicht zu ahnen ist, wenn er am Klavier sitzt) ist schwer zu ertragen - schwerstbehindert geht er seinen Weg, kleinwüchsig und mit der teuflischen Glasknochenkrankheit.
Alles unternimmt die Familie – natürlich - für ihn, der auf Papas Platten die Musik lieben lernt, die ihn und die er prägen wird. Die Familie kauft ein richtiges Klavier (nachdem das Kind zuvor ein Spielzeugklavier umgehend zertrümmert hatte!), sie sorgt für privaten Unterricht. Unzählige Knochenbrüche (die immer lebensgefährlich sind!) begleiten den Weg des werdenden Pianisten – und als er 15 ist, 1977, entdeckt ihn eine Jazz-Legende: das Bebop-Urgestein Kenny Clarke, der Schlagzeuger, der in Paris lebt und damals noch eine Bigband betreibt mit dem belgischen Pianisten und Arrangeur Francy Boland. Clarke holt diesen Jungen aus Südfrankreich in die Band, der herrliche Trompeter Clark Terry ist auch dabei – und Michels Karriere beginnt.
Bei Willemsen wird der Pianist zum Medienereignis
Der beste Musiker ist der, der richtig zuhören kann, sagt Michel Petrucciani Mitte der 90er-Jahre beim Gespräch in Hamburg. Er kommt damals regelmäßig dorthin, von New York aus, wo er seit Beginn der 80er-Jahre lebt, und sorgt für die Musik in der TV-Show des Moderators Roger Willemsen. An dessen Seite wird der Pianist zum Medien-Ereignis – auch wenn Hierarchen gelegentlich meinen, "der Zwerg" müsse weg. Willemsen setzt Petrucciani durch; und es gelingt auch, denn öffentlichen Umgang mit schweren Behinderungen generell zu verändern, wenigstens ein bisschen. Auch der meisterliche Bass-Bariton und Musik-Professor Thomas Quasthoff kann davon Geschichten erzählen.
Aber so selbstverständlich Behinderung nun sein darf, so unübersehbar ist auch - nicht mehr drüber reden, so tun als wär nichts: Das geht jetzt nicht mehr. Und in Petruccianis Fall erinnert sich jeder und jede an die erste Begegnung mit ihm und der Musik, die er so meisterlich spielt.
Etwa am 20. Oktober 1984, als Petruccianis Trio beim NDR-Jazzfestival in der Hamburger Fabrik spielt und ihn der schwedische Bassist Palle Danielsson auf dem Arm auf die Bühne trägt und ihn platziert auf dem Klavierstuhl; natürlich werden auch die Spezial-Pedale extra eingerichtet. Wer dann die Augen schließt, weiß nichts mehr davon – und hört alles, was dieser junge Mann so zu erzählen hat:
Wie mit der Liebe sei das, sagt Michel Petrucciani – manchmal ist die Lust da, manchmal nicht. Zwei Mal heiratet er, ein Kind erbt die Glasknochenkrankheit von ihm, das zweite wird vorsichtshalber adoptiert. Nie, erzählt der Pianist an anderer Stelle, habe der Vater ihm wohl zugetraut, Enkel in die Familie zu bringen – nun habe er auch in dieser Hinsicht die volle Anerkennung errungen (die er doch sicher längst schon hatte); und das tragische Schicksal begann von vorn.
Michel Petrucciani erreichte wohl alles, was möglich war – als Mensch im letztlich vergeblichen Ringen mit dem Schicksal (er stirbt am 6. Januar 1999, nur 36 Jahre alt), vor allem aber als Musiker, den die Stars des Jazz verehrten wie die Mitglieder dieser tiefmusikalischen Familie.