Japans Krieg in Asien

Von Paul Stänner |
In dieser Woche erinnern wir mit einem neuen Themenschwerpunkt an das Kriegsende vor 60 Jahren. In Europa schwiegen bereits seit dem 7. Mai 1945 die Waffen – in Asien allerdings war der Zweite Weltkrieg erst am 2. September zu Ende, mit der Kapitulation Japans. In unserer ersten Folge der Reihe "neunzehn fünfundvierzig – Kriegsende in Asien" blickt Paul Stänner auf den Krieg der Japaner zurück, die zur Überraschung der alten Kolonialmächte in der Lage waren, weite Teile Asiens zu erobern.
Japan, das sich lange Jahrhunderte gegen jeglichen Kontakt zum Westen abgeschottet hatte, begann Anfang des 20. Jahrhunderts eine Rolle im Konzert der internationalen Großmächte zu spielen. Mit dem Krieg 1905 gegen Russland bewies das Inselreich, dass es modern genug war, seinen gewaltigen Nachbarn im Westen in die Knie zu zwingen. Japan gewann Land auf russischem Boden und verstärkte seine Vorherrschaft in Korea. Japans Hegemonialstreben im pazifischen Raum richtete sich in erster Linie gegen Russland, China und Korea im Westen, aber auch gegen die Inseln im Osten, die Mariannen- und Marshallinseln beispielsweise. Die Ziele, die Japan im Zweiten Weltkrieg verfolgte, waren schon gesteckt, als das Land die internationale Bühne betrat, um im Spiel der großen Mächte mitzumischen.

Eine Schießerei zwischen japanischen und chinesischen Soldaten auf der Marco-Polo-Brücke bei Peking lieferte 1937 den Vorwand für den Einfall in China. Nach furiosen Anfangserfolgen gelang es den kaiserlichen Streitkräften allerdings nicht, China zur Kapitulation zu zwingen. Nicht einmal der ungehemmte japanische Terror gegen die Zivilbevölkerung (mit mehr als 300.000 Ermordeten allein in Nanking) konnte die Chinesen zur Aufgabe bewegen.

Der Westen reagierte zunächst zurückhaltend auf die japanische Aggression. Verhandlungen zwischen Japan und den USA um den Rückzug der japanischen Streitkräfte aus Indochina und China verliefen ergebnislos. Dann griff Japan am 7. Dezember 1941 die amerikanische Flotte in Pearl Harbour an.

Japan hoffte durch diesen Schlag, freie Hand im Pazifik zu bekommen. Doch US-Präsident Roosevelt erklärte nun Japan den Krieg:

Japan ging nun – nach eigener Lesart – daran, Asien von den europäischen Herren zu befreien. Es griff in drei Stoßrichtungen an – der Hauptstoß ging nach Süden gegen die Philippinen, dann Borneo und Sumatra. Der rechte Flügel wandte sich gegen das asiatische Festland, Hongkong wurde erobert, Indien ins Visier genommen. Die linke Flanke richtete sich gegen Ozeanien, die pazifischen Inseln bis hin zu Neuguinea im Süden und den Aleuten vor Alaska im Norden. Die Anfangserfolge der japanischen Truppen waren atemberaubend. Sie waren in Ausbildung und Ausstattung ihren Gegnern weit überlegen. Jetzt erst begriffen die europäischen Mächte, wie sehr sie in ihrem kolonialen Überlegenheitsgefühl gegenüber den Asiaten Japan unterschätzt hatten. 1942 beherrschte der Tenno Territorien mit fast 500 Millionen Einwohnern. Japan verfügte mit seinen Eroberungen über genügend Erdöl und Erze – es war mächtig, schlagkräftig, gnadenlos und von seiner Rolle als Beherrscher Asiens überzeugt.

Im Mai 1942 wurde das Vordringen der japanischen Truppen gestoppt. Der Einsatz von Flugzeugträgern ermöglichte den USA eine völlig neue Form des Seekrieges – Flotten konnten sich bekämpfen und vernichten, ohne je in Sichtweite zueinander zu kommen. Unter der Führung des Generals Douglas Mac Arthur, den die Japaner von den Philippinen vertrieben hatten, begann das sogenannte "Inselspringen" der Amerikaner – eine Insel nach der anderen wurde den Japanern abgenommen – bis die US-Streitkräfte im Februar 1945 die erste Insel des japanischen Heimatlandes eroberten.

Als in Europa am 8. Mai 1945 die Waffen schwiegen, hatten die Amerikaner Japan allerdings noch nicht erobert. Seit 1943 waren sie im Luftkrieg überlegen. Vor einem langwierigen Eroberungskrieg zu Lande suchten die USA die Entscheidung aus der Luft: mit Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August. Mit Japans Kapitulation am 2. September 1945 war der Zweite Weltkrieg zu Ende. Der Tenno, Japans Gottkönig, erklärte die Kapitulation im Rundfunk.