Japanischer Horror im Klassenzimmer

Gesehen von Anke Leweke |
Eine Lehrerin will blutige Rache üben für den Mord an ihrer Tochter: Tetsuo Nakashimas Psychodrama zeigt eine selbstsüchtige, konsumorientierte Jugend – und wirkt mit seinen filmischen Extravaganzen etwas halt- und zügellos.
Immer wieder beschert uns das japanische Kino befremdliche Werke. Und auch dieser Film hat einen kuriosen Auftakt: Wir befinden uns in einem japanischen Klassenzimmer, in dem Chaos und Krach herrschen. Man bewirft sich mit Milchpäckchen oder Gummibällen, die Mädchen betrachten sich in kleinen Taschenspiegeln. Es wird gegähnt, geredet und dennoch bewahrt die Lehrerin die Ruhe. Als sie verkündet, dass ihre Tochter brutal ermordet worden sei, verstummt die Klasse. Denn der Mörder befindet sich unter den Schülern. Und die Lehrerin will Rache üben. Blutige Rache.

Zunächst schlägt der Film den Zuschauer in den Bann. Das seltsame Gewirr von Stimmen, Geräuschen und Musik im Klassenzimmer, dazu die monotone Stimme der Lehrerin. Die Leere in den Gesichtern der Schüler, ihre fast zeitlupenhafte Art, sich zu bewegen. Doch allzu schnell gerät der Film zum Thesenpapier über eine verkommene Jugend, die dem Gegenüber nicht mehr in die Augen schauen kann und nur noch über soziale Netzwerke im Netz kommuniziert. Wie schafft man es, dort die meisten Klicks zu erhaschen, wie wird man zum Star im Internet? Dafür geht der eine oder die andere auch schon einmal über Leichen.

Seine allzu simple Botschaft, die eine selbstsüchtige, konsumorientierte Jugend anklagt, verpackt Regisseur Tetsuo Nakashima in stilisierte Bilder. Milch, Wasser und später auch Blut werden in Zeitlupe auf große Flächen tropfen. Wenn es in die Vergangenheit geht, und in Rückblenden der Tathergang und seine Motivation erklärt werden, macht der Film Tempo, arbeitet mit Zeitraffer. Leider wirken diese filmischen Extravaganzen etwas halt- und zügellos, weil sie nicht im Dienste dieses Psychodramas mit Horrorelementen stehen, sondern in sich selbst verliebt sind.

Japan 2010, Regie: Tetsuo Nakashima; Hauptdarsteller: Takako Matsu, Yoshino Kimura; 106 Minuten