Buddhistische Hausaltäre in Japan

Ausrangiert und schwer zu entsorgen

06:13 Minuten
Eine japanische Familie betet vor einem buddhistischem Hausaltar.
Ein Anblick, der in Japan immer seltener wird: Die Familie betet vor dem Hausaltar. © Getty Images / Kohei Hara
Von Mechthild Klein |
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In Japan verschwindet die Religion aus dem Alltag. Immer mehr Menschen trennen sich deshalb von ihren Hausaltären. Oft wurden sie über Generationen vererbt. Mit der Entsorgung tun sich aber viele schwer – vielleicht wohnen die Ahnen ja doch darin?
„In Japan ist es üblich, dass man gerade in traditionellen japanischen Häusern einen extra Raum hat, in dem sich der buddhistische Hausaltar befindet", sagt der Japanologe und Religionswissenschaftler Tim Graf. "Wie einen großen Kleiderschrank kann man sich den vorstellen. Nur befinden sich darin keine Kleider, sondern eben Ahnengedenktafeln, häufig goldverziert.“
Graf forscht in Japan zur religiösen Gegenwartskultur. „In der Regel befindet sich eine Buddha-Statue in dem Hausaltar", erklärt er. "Und es ist ein Ort, an dem die Ahnen quasi wohnen.“

Restaurieren will kaum noch jemand

Viele dieser Schreine sind gestaltet wie kleine Tempel. Diese handwerklichen Kunstwerke sind oft über Generationen im Familienbesitz. Der Restaurator Suzuki Kasuaki hat in letzter Zeit viel mit ihnen zu tun. Allerdings nicht so, wie er es sich wünschen würde. Denn: Viele entsorgen die alten Stücke bei ihm. Seine Werkstatt ist mittlerweile überfüllt mit alten Schreinen.
Der Japaner kann es nicht verstehen, dass immer mehr Landsleute die großen Hausaltäre ihrer Vorfahren loswerden wollen. Sein Job sei es doch, die alten Schreine wieder instand zu setzen. Stattdessen nutzten die Leute ihn als Sammelstelle für Altäre, die sie ausrangieren, sagt Kazuaki.
Ein Hausaltar in Japan, Takayama, Yoshijima.
Wohnstatt der Ahnen: Hausaltar in einem traditionellen japanischen Haus.© imago / Tibor Bognair
Er klappt einen alten Schrein auf, der kunstvoll verziert ist. Die goldenen Beschläge auf dunklem Lack sehen gepflegt aus. Unter dem Dach sind goldene Drachenfiguren angebracht.

Gastgeschenke gehen erstmal zum Hausaltar

Der Religionswissenschaftler Tim Graf hat im Rahmen seiner Forschungsarbeit ein Video über die Ahnenaltäre erstellt, das zeigt, wie er den Restaurator Suzuki Kasuaki in seiner Werkstatt besucht.
Graf erläutert, wie Japaner die Ahnenaltäre bislang nutzten. „Es ist ganz üblich, wenn Sie in so einem traditionellen Hause einkehren, beispielsweise, wenn sie Gastgeschenke mitbringen, dass diejenigen, die in dem Haus wohnen und das Geschenk empfangen, es als erstes zu dem Altar legen", sagt er. "Um es den familiären Vorfahren zu präsentieren, damit auch die sich an dem Geschenk erfreuen können. Dann können sie, um ihnen Respekt zu erweisen, am Hausaltar Räucherwerk anzünden und kurz innehalten.“

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In Japan sei es auch üblich, dass man sich vor dem Altar mit den Verstorbenen, zum Beispiel den Großeltern, unterhält. Die Beziehung zu den Ahnen sei identitätsstiftend, erklärt Graf. Oder: Sie war es. Denn: „Für viele Japaner ist es eben heute nicht mehr möglich, wenn sie umziehen oder wenn Oma und Opa nicht mehr leben, und das Haus wird dann verkauft, die Sachen müssen raus, dass man diesen Altar dann mitnimmt, das ist für viele keine Option mehr im heutigen Japan.“

In den Stadtwohnungen ist kein Platz mehr

In den kleinen Stadtwohnungen nehmen die kunstvollen Schreine zu viel Platz weg. Ihnen ein Extra-Raum zu widmen – das wollen viele nicht mehr, sagt Graf.
„Auf diesen Platzmangel hat sich eine ganze Industrie eingestellt, die kleinere Hausaltäre produziert. Nur dass diese nicht darauf ausgerichtet sind, über Generationen weitergegeben zu werden." Stattdessen seien dies Einwegprodukte, die zusammengeklebt oder vertackert wurden und nicht repariert werden können. "Und so entsteht jede Menge Müll.“
Die neuen, industriell gefertigten Schreine haben nur noch die Größe einer Schuhschachtel. Der Restaurator Suzuki Kazuaki ist über diese Entwicklung nicht glücklich. Auch die alten Schreine werden zu Abfall. Er zeigt alte goldfarbene Beschläge, verziert mit fliegenden himmlischen Wesen.

Buddha-Figuren nicht wegwerfen

Der Restaurator baut die alten Schreine auseinander. Die kleinen Buddha-Figuren aus den Schreinen mag er aber nicht wegwerfen. Deshalb verarbeitet er sie in Kunstwerken. In den Regalen seiner Werkstatt stehen bereits Hunderte solcher Figuren.
Es gibt aber noch einen Grund, warum die Altäre nicht einfach zum Sperrmüll gebracht, sondern beim Restaurator abgeladen oder vor einem Tempel abgestellt werden, erklärt Tim Graf. Dahinter stehe der Gedanke: Es sind religiöse Objekte, davor wurde gebetet. Die Ahnen wohnen darin. "Selbst, wenn man nicht daran glaubt, könnte es doch dennoch sein, dass sich eine religiös wirksame Kraft in diesem Objekt noch manifestiert, die sich negativ auf das Leben der Hinterbliebenen auswirkt.“

Kein fremder Altar im eigenen Haus

Und so gibt es auch keinen Handel mit diesen alten Schreinen und Hausaltären in Japan. Denn kaum jemand würde einen Hausaltar aus einer anderen Familie übernehmen.
„Sie haben in Japan oft die Idee, dass der Hausaltar aus einer fremden Familie oder von einer fremden Person irgendwie ein schlechtes Karma abwirft", sagt Graf. "Dass das irgendwie zu Schaden im Diesseits führen kann – gesundheitlich, materiell, finanziell. Dass die Geister da quasi noch in diesem Altar spuken.“
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