Alternativen zur Konsumgesellschaft

Die japanische EDO-Periode als Inspiration

07:08 Minuten
Verschiedene Sushi-Varianten auf einer Sushimatte angerichtet.
Auch Sushi war einst aus der Not entstanden, um Reis wiederzuverwerten und ist inzwischen überall beliebt. © picture alliance / dpa-tmn / Christin Klose
Christian Tschirner im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Berliner Künstler blicken zurück in die japanische Vergangenheit, um daraus Anregungen für die Gestaltung der Zukunft zu ziehen. Ein Symposium bereitet für den Herbst das "ReEDOcation"-Festival vor: Es sucht nach Wegen, Alternativen für Miseren zu finden.
Angesichts des Klimawandels hat das Nachdenken über den Abschied von der Konsumgesellschaft neue Konjunktur. Wie können wir unsere Lebensweise verändern und neue Wege gehen?
Ein künstlerisches Projekt sucht nun in der japanischen EDO-Zeit (etwa 1603-1868) nach Antworten auf diese brennenden Fragen. Das Symposium "ReEDOcation" an der Berliner Akademie der Künste ist der Auftakt für ein Festival im Herbst, an dem sich die Berliner Schaubühne, japanische Partner und die Floating University Berlin beteiligen.

Die Idee der Umerziehung

Es werde dabei mit der Idee des "Umerziehungsprogramms" gespielt, sagt Christian Tschirner, leitender Dramaturg an der Berliner Schaubühne. Es gehe darum, etwas neu zu lernen und neu zu denken, sonst sehe es schlecht aus für unsere Zukunft.

Kultureller Höhepunkt

Die Japaner hätten sich in der EDO-Zeit nach außen hin abgeschlossen, um die Kolonialisierung zu verhindern, erläutert Tschirner. Gleichzeitig habe es im Land eine Energie- und Ressourcenkrise gegeben. Dabei sei zu viel Holz abgeholzt worden, erklärt Tschirner: "Und sie haben auch zu viel Landfläche verbraucht." Das habe zu Hungersnöten, Überschwemmungen und anderen Naturkatstrophen geführt.
Es sei dann auf der Insel sehr schnell mit einer Kreislaufwirtschaft gegengesteuert worden, bei der man beispielsweise Sonnenenergie nutzte, so Tschirner. "Das fasziniert uns als Künstler, denn das ist nicht etwa eine düstere, traurige Episode der Geschichte, sondern ein kultureller Höhepunkt der japanischen Geschichte." In dieser Zeit habe es viele kreative Ideen gegeben, wie man Ressourcen und Energie einsparen könne.
Zwei Frauen im roten Kimono inmitten eines Einkaufzentrums in Tokio.
Dass der Kimono einmal entstand, um Stoff zu sparen, ist heute bei dem prachtvollen Gewand so gut wie vergessen. © picture alliance / Zumapress / Rodrigo Reyes Marin
Als Beispiel nannte Tschirner den Kimono, der als Kleidungsstück nur aus einer Stoffbahn genäht werde. Er könne mehrfach umgenäht werden und in jedem Alter getragen werden. Bei Sushi denke man jetzt nicht mehr darüber nach, dass dies früher ein Weg war, den Fisch roh zu essen und den Reis nur einmal in der Woche warm zu machen. So habe man ohne viel Energieaufwand essen können. Diese Prinzipen des Recyclings und der Schonung von Ressourcen seien sehr faszinierend, so der Dramaturg.

Andere Fortschrittserzählung

Die Beispiele zeigten, dass Verzicht nicht immer mit Unfreiheit, Rückschrittt und mit Beschränkung einhergehen müssten, so Tschirner. "Es gibt so eine Fortschrittserzählung, die wir so inhaliert haben, dass das Leben nur besser ist, wenn der materielle Wohlstand immer weiter wächst." Dabei sei der Rückblick in die Geschichte wichtig, auch in das europäische Mittelalter. Auch da gebe es Aspekte, die bedenkenswert seien und "wo das Mittelalter gar nicht so finster ist, wie wir immer glauben".
Auch in Japan blicke man unterschiedlich auf die EDO-Periode zurück. "Da gibt es Leute, die sind EDO-Fans und es gibt Leute, die sagen: 'Das ist finstere Vergangenheit.'" Natürlich sei das in Japan damals eine Feudalgesellschaft gewesen und alles sehr strikt geregelt. Trotzdem sei der Blick lohnend, was man daraus als Inspiration lernen könne.
(gem)

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