Japan

Echo, Falke und Sturmwind

Ein Shinkansen fährt in den Bahnhof von Tokio ein (16 September 2013).
20 Shinkansen-Typen wurden seit 1964 entwickelt. © picture alliance / dpa / Kimimasa Mayama
Von Regina Kusch · 01.10.2014
Am 1. Oktober 1964 wurde er in Betrieb genommen: Der Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen fuhr bis zu 320 Kilometer schnell und katapultierte Japan in die Gemeinschaft der industrialisierten Länder.
Für Japan war es der symbolische Höhepunkt des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, als Kaiser Hirohito am 10. Oktober 1964 die Olympischen Sommerspiele eröffnete. Zu diesem Anlass hatte er bereits am 1. Oktober grünes Licht für die Jungfernfahrt des weltweit ersten Hochgeschwindigkeitszugs gegeben. Der Shinkansen legte auf einer eigens dafür errichteten Schienenstrecke die 515 Kilometer von Tokio nach Osaka in zweieinhalb Stunden zurück und verband so die Wirtschaftszentren Japans.
Verena Blechinger-Talcott: "Das war der schnellste Zug damals der Welt. Und der hat Japan in die Gemeinschaft der industrialisierten Länder hineinkatapultiert. Das war ein enormer Prestigegewinn für das Land."
Alternative zum Fliegen
Seitdem wurde das Streckennetz auf über 2.000 Kilometer Länge ausgebaut und durchzieht heute das ganze Land. Für die Berliner Japanologie-Professorin Verena Blechinger-Talcott ist der Shinkansen die Alternative zum Fliegen auf Inlandsstrecken:
"Man kann in der Innenstadt einsteigen am Bahnhof. Man braucht nicht vorzureservieren, man stellt sich an, und wenn der eine Zug voll ist, dann wartet man halt zehn Minuten und nimmt den nächsten. Das ist gar kein Vergleich zum doch recht umständlichen Ticket buchen für ein Flugzeug, dann der vorherigen Anreise zu einem weit entfernten Flughafen. In Japan war auch über lange Jahre das inländische Fliegen gar nicht so verbreitet, und auch heute noch, denke ich, ist es für die meisten Geschäftsleute, Journalisten, Politiker eigentlich üblich, dass man eher mit dem Shinkansen fährt, als zu fliegen."
Wörtlich übersetzt heißt Shinkansen "neue Hauptstrecke" und gilt als Synonym für die bis zu 320 Studenkilometer schnellen Züge. Sie heißen "Echo", "Wanderfalke", "Hoffnung" oder "Sturmwind", sind meist weiß mit - je nach Serie - blauen, gelben oder roten Ralleystreifen, und weil sie so schnell sind wie Geschosse, werden sie auch Bullet Trains genannt. Um Luftwiderstand und Lärm zu minimieren, entwickelten die Ingenieure als Zugspitze eine 15 Meter lange aerodynamische Schnabelnase, die der eines Eisvogels nachempfunden ist. Die Züge gelten als sicherstes Verkehrsmittel Japans. Bei Erdbebenwarnungen wird der Betrieb eingestellt. Als 2004 bei einem überraschenden Erdstoß der Stärke sechs ein Shinkansen bei einer automatischen Notbremsung entgleiste, gab es keine Verletzten. Und vor allem für eines ist der Hochgeschwindigkeitszug bekannt: seine Pünktlichkeit.
Verena Blechinger-Talcott: "Wenn der Shinkansen mal fünf Minuten Verspätung hat, dann wird das auf den nationalen Nachrichten im Fernsehen eingeblendet, wenn es mal zu einer massiveren Unterbrechung im Verkehr kommt, und das könnte man sich in Deutschland gar nicht vorstellen. Da hätten wir ja kaum noch andere Nachrichten."
Ein hoch ambitioniertes Heer von Ingenieuren und Wissenschaftlern tüftelt an Schienennetz, Fahrkomfort und Höchstgeschwindigkeit und hat inzwischen über 20 Shinkansen-Typen entwickelt.
Verena Blechinger-Talcott: "Für die japanischen Normalpassagiere in Anführungszeichen, ist es immer so, dass man in dem Moment, wo auch das kaiserliche Hofamt zustimmt, dass der Kaiser mit diesem Zug fahren darf, dann weiß man, jetzt ist die Technik perfektioniert und jetzt kann auch nichts mehr passieren."
Magnetschwebebahn soll 505 km/h schaffen
In Testfahrten hat das Team schon über 400 Stundenkilometer erreicht. Tomoyuki Endo, Manager der East Japan Railway Company räumt allerdings ein, dass das Bestehende System an seine technologischen Grenzen gelangt ist:
"Sowohl hinsichtlich der Technologie des Zuges wie auch der Trassentechnik hat sich ergeben, dass ein optimales Kosten-Leistungsverhältnis gegenwärtig bei einer Höchstgeschwindigkeit von 320 Kilometern pro Stunde liegt."
Deshalb hat das japanische Verkehrsministerium Pläne für den Bau einer neuen Magnetschwebebahnlinie genehmigt, den Chuo-Shinkansen. Ab 2045 sollen diese Züge mit 505 Stundenkilometern in 40 Minuten von Tokio nach Osaka rasen. Auf einer Versuchsstrecke wurden Geschwindigkeiten von 581 Studenkilometer erreicht. Etwa 1.000 Neugierige haben bereits an Testfahrten teilgenommen und wenn alles wunschgemäß läuft, soll zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio die erste Teilstrecke eröffnet werden.
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