Janosch

"Ich bin fantastisch frei"

Der Zeichner und Erzähler Janosch
Der Zeichner und Erzähler Janosch © picture alliance / dpa / Jörg Carstensen
Von Susanne Burkhardt · 11.03.2016
Er schuf die Tigerente, erfand Kaspar Mütze und das unschlagbare Freundschaftspaar Tiger und Bär - und prägte die Kindheit von vielen. Vor mehr als 30 Jahren wanderte Janosch nach Teneriffa aus – auf der Flucht vor Journalisten und auch, weil das Wetter dort viel schöner ist.
Man darf diesem Mann mit dem Schnauzbart nicht alles glauben. Er spielt gern den netten alten Kerl mit Weinglas und warmen Lächeln. Janosch liebt die Inszenierung. In Wirklichkeit aber ist er ein Einzelgänger, Macho und Misantroph, politisch inkorrekt, und kokettiert noch immer gern mit seiner schlechten Wirkung auf die Frauen.
"Als ich anfing Bücher zu machen, da war ich circa 20, da waren die Mädels, denen ich nachlief – da wusste ich genau was die wollten. Eigentlich schrieb ich die für die Mädels, um die rumzukriegen, was mir dann nicht gelungen ist, weil …" (lacht)
Es gibt nur zwei Dinge, die man ihm uneingeschränkt glauben kann: Das ist sein Hass auf Nazis und auf katholische Kleriker, die ihm – neben seinem saufenden und prügelnden Vater – die Kindheit in Polen gründlich verdorben haben.
"Es war grauenhaft, es war für mich das größte Unglück was passieren konnte, diese Kindheit. Und dann steckte man mich in die Kirche, da fing die Bedrohung an, wenn du nicht glaubst, dann … Du glaubst das als kleines Kind, du als Sünder geboren, als Ergebnis von Sünde und dann fängt eine solche Verwirrung an – ich war mit 13 in einer totalen Psychose."
Zitat: Nur vor dem Löwen fürcht ich mich, wahrscheinlich beißt er fürchterlich.
Nach 1968 schrieb er Bücher gegen die Umweltzerstörung, gegen den Krieg, aber niemand kaufte sie. Dann begriff er, dass die Menschen das immer Gleiche wollen – zum Beispiel den Teddybären... Den Psychosen und Blessuren seiner Kindheit entkommt er seither mit Geschichten, in denen es um Solidarität geht, um Wärme, Freundschaft, Treue und Toleranz. In denen die Kleinen, Benachteiligten die Starken sind. Eine durchaus konservative Sicht auf die Welt, in denen am Ende von Ausbruchsversuchen immer die Zufriedenheit mit dem eigentlich Vorhandenem steht.
"Die Pädagogen zerreißen sich die Mäuler darüber, wie müssen Kinderbücher sein. Die müssen pädagogisch sein, progressiv – und jetzt dachte ich mir, wenn ich den Teddy mache, werdet ihr alle vor Rührung heulen ..."
Zitat: Der kleine Bär trinkt gerne Bier, was übrig bleibt, das schenkt er dir.

Janosch: Kinder intelligenter als Eltern

Berührend sind alle seine Figuren. Ob Pietzke, der Siebenschläfer, der vom Fliegen träumt oder Kaspar Mütze, der mit Opa verreisen darf. So berührend und tröstlich, dass es heißt, Eltern läsen Janosch fast noch lieber als deren Kinder. Auch wenn Janosch zuerst für die Kinder schreibt.
"Ich halt die Kinder potenzmäßig für viel intelligenter als Eltern."
Janosch heißt eigentlich Horst Eckert. Als Kind einer armen Bergarbeiterfamilie in Polen geboren, arbeitet er schon mit 13 in einer Schlosserei und Schmiede, später in einer Textilfabrik in Oldenburg. 1953 geht er an die Kunstakademie in München. Maler möchte er werden, um endlich mal eine Frau nackt sehen zu können, doch wegen "mangelnder Begabung" findet auch die Geschichte mit den nackten Frauen schnell wieder ein Ende.
Zitat: Dann kam der kleine Tiger dran. Wohltuende kleine Spritze, blauer Traum, Operation vorbei, nix gemerkt. Tiger gesund.
1960 erscheint das erste Buch von Janosch. Doch es gibt seither auch die Angst vor dem weißen Blatt und dem Leben im Allgemeinen und für den Autor und Zeichner lange nur ein wirksames Mittel:
"Und ich soff natürlich wahnsinnig, das billige Zeug, weil: um Verzweiflung loszuwerden fängt man an zu saufen und ich hatte ja noch die katholische Psychose. Es ging besser, wenn ich was getrunken hatte, da fürchtete ich mich nicht, da hab ich auch schon mal jemand verhauen …"

Janosch inzwischen Auflagenmillionär

Erst nach vielen vergeblichen Versuchen als Kinderbuchautor gelingt ihm 1978 der große Erfolg mit "Oh wie schön ist Panama". Die Geschichte vom Tiger und dem Bären, die sich aufmachen, um das Glück in Panama zu suchen und es schließlich zu Hause finden. Statt Revolution ein neuer Blick auf Altvertrautes. Liebevoll schnodderig illustriert mit verwegen hingetuschten Farben. Inzwischen ist Janosch Auflagenmillionär. Doch das viele Geld bedeutet ihm wenig. 1980 verbrannte er in einem großen Feuer all seinen Besitz und zog mit seiner Frau nach Teneriffa.
"Ich hab auf einmal gemerkt, alles was man trägt, das zieht in den Schultern. Ich hab jetzt eigentlich nichts, ich wohne in einem Haus fast ohne Möbel, nur Bett, Stuhl, Arbeitszeug, ein paar Farben – seitdem bin ich fantastisch frei."
Im vergangenen Jahr reiste Janosch noch einmal nach Polen und besuchte das Wohnhaus seiner Kindheit. Er hat sich versöhnt mit seiner Vergangenheit – nur ein Rest Hass ist geblieben auf die Kirche und auf die Nazis. Aber auch diesen Hass möchte er loswerden. Um endlich ganz frei zu sein.
"Das ist das letzte was ich in diesem Leben noch schaffen müsste, sonst ist alles erledigt …"
Zitat: Der Bauer und der Ziegenbock
Die sitzen unterm Rebenstock.
Sie essen Wurst und trinken Wein.
Jawohl, so muß das Leben sein.
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