Jakob Augstein zum Baukindergeld

"Geldverschwendung von öffentlichen Mitteln"

Das Foto zeigt einen Arbeiter in Stuttgart auf der Baustelle eines zukünftigen Wohnhauses.
Baukindergeld © dpa-Bildfunk / Sina Schuldt
Moderation: Korbinian Frenzel · 18.09.2018
Seit heute können Familien und Alleinerziehende Baukindergeld beantragen. Für den Journalisten Jakob Augstein ist diese Förderung eine der schlimmsten Fehlinvestitionen der Regierung. Helfen könne derzeit nur einer strikter Mieterhöhungsstopp.
Heute ist der offizielle Startschuss für das neue Baukindergeld gefallen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren gibt es für Familien und Alleinerziehende pro Kind und Jahr (bis zu einer gewissen Einkommensgrenze) 1200 Euro für den Hausbau oder den Erwerb einer Eigentumswohnung.
Die Bundesregierung gibt rund zehn Milliarden Euro dafür aus – fast doppelt so viel wie für den sozialen Wohnungsbau. Für unseren Studiogast Jakob Augstein, Chefredakteur des "Freitag", ist dies ein Beispiel par excellence für "Geldverschwendung und Fehlallokation von öffentlichen Mitteln". Damit werde Eigentum statt Miete subventioniert – "es wird Umwandlung von Mietraum in Eigentumswohnungen gefördert. Am Schluss werden dadurch aber die Preise steigen für die Eigentumsobjekte, und die Mietpreise werden auch steigen, weil dort das Angebot kleiner wird." Die derzeitige Situation werde sich also noch verschärfen.

"Die Regierung hat nicht verstanden was los ist"

Scharfe Kritik übt Augstein an der Großen Koalition: "Obwohl auch die SPD mit in der Regierung sitzt, haben die gar nicht verstanden, was eigentlich gerade los ist." Es nütze wenig, wenn die Erkenntnis von Andrea Nahles laute: "Wohnen ist die neue soziale Frage" – wenn daraus keine Hilfsmaßnahmen folgten. In einer Großstadt wie Hamburg beispielsweise hätten 60 Prozent der Menschen Angst, sich ihre Wohnungen bald nicht mehr leisten zu können – und zwar quer durch alle Gehaltsgruppen.
Der Journalist und Verleger Jakob Augstein im Studio von Deutschlandfunk Kultur
Der Journalist und Verleger Jakob Augstein im Studio von Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandradio / Annette Bräunlein
Zentrale Aufgabe des Sozialstaates sei die Schaffung von Wohnraum. Statt dessen werde Wohnraum von der Politik als Markt begriffen, der sich schon irgendwie von alleine regulieren werde. In Expertengutachten lese man Begriffe wie "Liberalisierung" und "Marktwirtschaft" – das erinnere an die 80er Jahre.

Fördergeld für die Klientel der CSU

"Der Staat tut gar nichts. Und wenn er was tut, dann tut er das Falsche", so Augstein. Das Baukindergeld sei auf die klassische Klientel der CSU zugeschnitten – für Menschen im ländlichen Raum mit genug Geld, "die jetzt noch ein bisschen Staatskohle mitnehmen". Die Entwicklung sei jedoch in vielen Regionen gegenläufig: Die Menschen zögen zurück in die Städte. Und dort herrsche absolute Wohnungsnot.
Die einzig vernünftige Forderung komme derzeit von der SPD: nämlich einen fünfjährigen Mieterhöhungsstopp zu erlassen, um die Mietenexplosion einzudämmen.
"Dann kommt natürlich sofort die CDU und sagt: Um Gottes willen, das ist ja Sozialismus! Ja, dann haben wir vielleicht mal ein bisschen Sozialismus, wenn er hilft!"
(mkn)

Jakob Augstein, Jahrgang 1967, ist Journalist und Verleger. Er studierte Politikwissenschaften, Germanistik und Theaterwissenschaften in Berlin und Paris und arbeitete anschließend für verschiedene Medien. Als rechtlicher Sohn des verstorbenen Spiegel-Gründers Rudolf Augstein ist er Anteilseigner beim "Spiegel"-Verlag. 2008 kaufte Augstein die Wochenzeitung "der Freitag" und ist seit 2013 auch deren Chefredakteur. Zudem schreibt er für Spiegel Online die Kolumne "S.P.O.N. – Im Zweifel links".