Jahrestreffens des Deutschen Museumsbundes

Von Werten, Selbstzensur und gesellschaftlichen Debatten

Museums-Besucher stehen vor einer Wand, die mit Klebezetteln bedeckt ist und lesen die Kommentare darauf. Sie hängen dort, wo vorher das Bild "Hylas und die Nymphen" hing, das von der Galerie abgehängt wurde.
Abgehängt: Die Manchester Art Gallery entfernte "Hylas und die Nymphen" aus der Ausstellung. Besucher durften ihre Meinung dazu auf Klebezettel schreiben. © Britta Schultejans/dpa
Sigrid Brinkmann im Gespräch mit Christoph Grunenberg · 07.05.2018
Migration, die Vorherrschaft alter, weißer Männer oder #metoo - auch von Museen wird heute erwartet, dass sie zu aktuellen gesellschaftlichen Themen Stellung beziehen. Welche Werte sollen oder müssen Kunsthallen vertreten? Dieses Thema steht im Mittelpunkt des Jahrestreffens des Deutschen Museumsbundes, das bis zum 9. Mai in Bremen stattfindet.
Nach Ansicht des Leiters der Bremer Kunsthalle, Christoph Grunenberg, ist es die Aufgabe von Museen, auf gesellschaftliche und politische Debatten zu reagieren. "Wir wollen ja Teil einer öffentlichen Diskussion sein, die wir durch Objekte vermitteln und anstoßen", sagte Grunenberg im Deutschlandfunk Kultur. Dazu gehörten vor allem die Themen Provenienzforschung, aber auch Migration, ein sich veränderndes demografisches Profil der Gesellschaft oder Fragen der Globalisierung und Digitalisierung.

Zensur von Ausstellungen als neues Phänomen

Dass Ausstellungen zensiert würden sei ein "neues Phänomen", sagte Grunenberg in Anspielung auf das Werk "Hylas und die Nymphen" von John William Waterhouse, das nackte Frauen zeigt. Das Bild war aus der Ausstellung der Manchester Art Gallery entfernt worden. Die verantwortliche Kuratorin wollte damit eine Debatte über das öffentliche Frauenbild auslösen.
"Ein wichtiges Gut ist die Freiheit, über Objekte - ob die nun angenehm sind oder nicht - zu diskutieren. Und das geht von künstlerischen Interventionen, die eine Diskussion anstoßen wollen, zu ganz handfester Zensur", betonte Grunenberg.
Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle Bremen.
Christoph Grunenberg: Selbstzensur als neues Phänomen© picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen
Jedes Museum müsse für sich selbst herausfinden, für welche Werte es stehe. "Eine ständige Untersuchung von dem, was man macht, ein reflektiver Prozess ist sehr wichtig. Aber es gibt natürlich auch in jedem Museum einen Vorstand, es gibt eine Satzung, es gibt einen Träger, der auch Einfluss nehmen kann und sollte, und es gibt nationale und internationale Richtlinien wie beispielsweise von ICOM."

Zwischen politischer Einmischung und Kunstfreiheit

Auch die Politik versucht laut Grunenberg in fast allen vom Bund oder Städten getragenen Häusern Einfluss auf die Arbeit zu nehmen: "Das ist ja im gewissen Sinne auch eine Aufgabe, obwohl es dann eine sehr vorsichtige Balance zwischen gewissen Vorgaben, zwischen einer politischen Einmischung und der Freiheit der Wissenschaft und Unabhängigkeit der Kunst geben muss."
Als Beispiel nannte Grunenberg das Humboldt-Forum in Berlin, das noch nicht eröffnet ist. "Da ist es ganz klar - durch das Gebäude, aber auch durch die ethnologischen Objekte wie repräsentative Vorgaben des Ministeriums - dass es da ein ganz starkes politisches Interesse gibt."
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