Jahresrückblick Weltraum

Gravitationswellen, Jupiter und eine Mars-Explosion

Eine Infrarot-Aufnahme zeigt das Nordlicht des Planeten Jupiter, aufgenommen von der Sonde Juno am 27.08.2016.
Eine Infrarot-Aufnahme zeigt das Nordlicht des Planeten Jupiter, aufgenommen von der Sonde Juno. © dpa/picture-alliance/NASA/JPL-Caltech/SwRI/MSSS
Von Dirk Lorenzen · 15.12.2016
Im Weltraum hat sich 2016 viel getan: Eine US-Rakete ist auf der Startrampe explodiert, die Pluto-Sonde New Horizons hat die restlichen Daten von Ihrem Vorbeiflug 2015 zur Erde gefunkt – und die Astronomen haben bei Proxima Centauri, dem uns nach der Sonne nächsten Stern, einen Planeten entdeckt.
Das astronomische Ereignis des Jahres ist zweifellos die Verkündung einer großen Entdeckung am 11. Februar.
David Reitze: "Meine Damen und Herren, wir … haben … Gravitationswellen entdeckt. Wir haben es geschafft, tönte David Reitze, Direktor des LIGO-Observatoriums in den USA. Jahrzehntelang waren die Forscher den minimalen Erschütterungen von Raum und Zeit hinterher gejagt – nun endlich war es gelungen, die Gravitationswellen mit den Messgeräten auf der Erde nachzuweisen. Das Signal, das die Physiker weltweit in Hochstimmung versetzte, stammt von einem Ereignis, das jede Vorstellungskraft sprengt.
Diese Gravitationswellen sind entstanden, als vor 1,3 Milliarden Jahren zwei Schwarze Löcher miteinander verschmolzen sind. Wir haben die Wellen mit LIGO entdeckt, dem genauesten Messinstrument, das je gebaut wurde. Das Signal sieht exakt so aus, wie wir es nach der Allgemeinen Relativitätstheorie erwarten, wenn zwei kompakte Objekte sich umkreisen und verschmelzen."
Diese Beobachtung ist buchstäblich ein Jahrhundertereignis – mit ihr erfüllte sich eine der letzten Vorhersagen der hundert Jahre alten Einsteinschen Relativitätstheorie. Die Astronomen haben nun ein ganz neues Fenster hinaus ins All – und beobachten mit Hilfe der Gravitationswellen, wie Schwarze Löcher verschmelzen. Diese Entdeckung ist sicher einen Nobelpreis wert, nur nicht in diesem Jahr...
Die Nasa-Wissenschaftler Jim Gree, Scott Bolton, Rick Nybakken und Heidi Becker.
Nasa-Mitarbeiter sprechen bei einer Pressekonferenz über die Raumsonde "Juno", die den Jupiter erreicht hat.© dpa-Bildfunk / AP / Richard Vogel)
Im Oktober verblüffte das Nobelkomitee mit der Mitteilung, der Preis ginge an drei Quantenphysiker aus den USA.
An was genau die Preisträger arbeiten, verstehen selbst viele Physiker kaum. Entscheidend für die Auszeichnung war auch, dass das Trio seine Entdeckungen schon vor einigen Jahrzehnten gemacht hat. Denn beim Nobel-Preisausschreiben ist Einsendeschluss am 31. Januar – die Gravitationswellenforscher waren mit ihrer Bekanntgabe am 11. Februar also einfach anderthalb Wochen zu spät. So werden sie frühestens im kommenden Jahr jubeln.
Das Team der NASA-Sonde Juno durfte schon Anfang Juli in Freudentaumel ausbrechen. Nach fünf Jahren Flugzeit hat Juno in einem waghalsigen Bremsmanöver die Kurve gekriegt und ist in eine Umlaufahn um den Riesenplaneten Jupiter eingeschwenkt. Gut zwei Jahre lang soll die Raumsonde nun den inneren Aufbau und die Wolkenstrukturen Jupiters untersuchen und so indirekt auch die Entstehung unseres Sonnensystems erforschen.
Eine Animation der Raumsonde Rosetta kurz vor der Landung auf dem Kometen Tschuri.
Eine Animation der Raumsonde Rosetta kurz vor der Landung auf dem Kometen Tschuri.© ESA/ATG medialab/dpa
Der Landung des Jahres hat Europas Rosetta-Sonde hingelegt, die auf dem Kometen Tschurjumow-Gerasimenko niedergegangen ist – obwohl sie dafür gar nicht gebaut worden war.
Als auf den Monitoren im Kontrollzentrum nach dem Kontakt mit dem Eis- und Staubbrocken das Funksignal Rosettas verschwand, wusste das Flugteam nicht so recht, ob es jubeln oder weinen sollte. Nach zwölf Jahren waren die äußerst erfolgreiche Kometenmission zu Ende.
Und beim Abschied floss dann auch so manche Träne. Nur drei Wochen später war auch Europas ExoMars-Team zum Heulen zumute – aus Frust über den Absturz des Jahres. Während die Muttersonde erfolgreich in eine Marsumlaufbahn eintrat, zerschellte die Landekapsel Schiaparelli im roten Sand.
Jan Wörner, dem Chef von Europas Weltraumorganisation ESA, waren zwar Ärger und Enttäuschung anzumerken, aber er beharrte trotzig darauf, die Mission sei ein großer Erfolg, der ihn glücklich mache. Schließlich habe die Kapsel die Landetechnik erproben sollen – und es dabei fast bis auf die Oberfläche geschafft hat. Aber eben nur fast. Denn kurz vor dem Aufsetzen schalteten infolge eines Computerfehlers die Bremstriebwerke ab – und Schiaparelli krachte aus zwei Kilometern Höhe ungebremst auf den Mars.
Ein Modell des Exomars-Landegeräts Schiaparelli mit Fallschirm in Originalgröße im Technologiezentrum der ESA in Noordwijk in den Niederlanden
Ein Modell des Exomars-Landegeräts Schiaparelli mit Fallschirm in Originalgröße im Technologiezentrum der ESA in Noordwijk in den Niederlanden© Sarah Jane Muirhead/esa/dpa picture alliance
Fast beschwörend war vom Erfolg die Rede – denn die Raumfahrtminister der ESA-Staaten mussten auf ihrem Treffer Anfang Dezember rund 400 Millionen Euro nachschießen, damit in vier Jahren das ExoMars-Labor über den Mars rollen und nach Lebensspuren suchen kann. Die Entscheidung war knapp, aber schließlich gab es das Geld, trotz der schlechten Vorzeichen nach dem Schiaparelli-Absturz.
Klar: Pures Glück und großer Erfolg – dieses Mal wirklich.
War sonst noch was? Ach ja, in der Erdumlaufbahn hat China zum zweiten Mal eine kleine Raumstation ausgesetzt – Tiangong, Himmelspalast, so der hochtrabende Name, auch wenn es nur eine kleine Hütte ist. Das wahre Anwesen im All, die Internationale Raumstation, hat von Europas Raumfahrtministern eine Verlängerung bis 2024 bekommen – und im Frühjahr wurde da oben ein aufblasbares Modul angekoppelt. Ob so etwas künftig wirklich als schlichte und beim Start äußerst platzsparende himmlische Behausung dienen kann, ist völlig offen. Vielleicht wollte die NASA mit dieser Luftnummer auch nur klar machen, dass aus der Raumstation ansonsten irgendwie die Luft raus ist.
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