Jahresbericht Einheit

Fremdenhass spaltet Ost- und Westdeutschland

Anhänger der islamfeindlichen Pegida-Bewegung gehen am 15.02.2016 mit einer Deutschlandfahne zu einer Demonstration von Pegida am historischen Fürstenzug in Dresden (Sachsen) vorbei
Die islamfeindliche Pegida-Bewegung in Dresden hält einige Touristen davon ab, die Stadt zu besuchen. © pa/dpa/Burgi
Von Volker Finthammer         · 21.09.2016
Die zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland bekommt auch die Wirtschaft zu spüren. Der Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit zeigt eine große Lücke, die im wirtschaftlichen Erfolg und in der Einstellung gegenüber Fremden zwischen Ost und West sichtbar wird.
Gab es im vergangenen Jahr – 25 Jahre nach der deutschen Einheit – noch eine überwiegend gute Bilanz, die von einem gelungenen Aufbau Ost sprach, so kommt der aktuelle Bericht mit ungleich mehr Schattenfarben daher. Die betreffen zwar auch die wirtschaftliche Entwicklung in den neuen Ländern, aber mehr noch die politisch, kulturelle.
Im vergangenen Jahr hat die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe stark zugenommen und den höchsten Stand seit dem Beginn der Registrierung im Jahr 2001 erreicht. Der Bericht spricht davon, dass bei manchen Ausschreitungen wie etwa in Heidenau oder Freital die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistische Agitationsformen verschwommen seien und sieht darin eine besorgniserregende Entwicklung. Entwicklungen, die das Potenzial hätten, den gesellschaftlichen Frieden in Ostdeutschland zu gefährden, sagte die Ostbeauftragte der Bundesregierung Iris Gleicke:
"Es ist mehr als nur einfaches Alarmzeichen. Wenn Übergriffe und Gewalt aus der Mitte der Gesellschaft mitgetragen oder stillschweigend akzeptiert werden."

Jenseits der rechten Pole

Mittlerweile seien auch negative Konsequenzen für die ostdeutsche Wirtschaft nicht mehr auszuschließen. Dabei müsse das Ziel eigentlich darin bestehen, in Ostdeutschland eine neue Bleibeperspektive für die Flüchtlinge zu entwickeln.
Jenseits der rechten Parolen gebe es in Ostdeutschland viele erfolgreiche Bemühungen zur Aufnahme, Versorgung und Integration der Flüchtlinge und es gebe wie im Westen ein großartiges freiwilliges Engagement der Bürger, das man nicht kleinreden dürfe, sagte Gleicke und fügte sogleich einen persönlichen Appell an:
"Die große Mehrheit der Ostdeutschen ist nicht fremdenfeindlich oder rechtsextrem. Aber ich würde mir schon wünschen, dass diese Mehrheit noch lauter und deutlicher Stellung bezieht. Wir Ostdeutschen haben es selbst in der Hand, ob wir unsere Gesellschaft, unsere Städte und unsere Dörfer beschützen, oder ob wir sie dem braunen Spuck überlassen."
Allerdings stellt sich mit diesem Bericht auch die Frage nach der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland wieder einmal deutlich stärker als in der Vergangenenheit. Zwar liegt das in den fünf neuen Ländern erwirtschaftete Bruttoinlandsprodukt je Einwohner nur noch 27,5 Prozent unter dem in Westdeutschland und damit wieder etwas besser als im vergangenen Jahr. Aber:
"Viel schlimmer ist jedoch, dass angesichts der neusten Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung nichts darauf hindeutet, dass sich diese Lücke mittel- bzw. langfristig schließen könnte. Der wirtschaftliche Konvergenzprozess im Vergleich zu Westdeutschland, also der Aufholprozess verläuft nämlich schon seit einigen Jahren äußerst verhalten. Und das ist eher die freundliche Formulierung."

Distanz wird größer

Da nutze es auch nichts, die rosarote Brille aufzusetzen, sagte Gleicke. Denn faktisch liege das reale Wachstum in Ostdeutschland unter dem der alten Länder. Die Distanz werde also langsam aber stetig wieder größer als kleiner, auch wenn die Wirtschaftskraft Ostdeutschland den EU Durchschnitt erreicht habe.
Der Abstand sei mit den gegenwärtigen Wachstumszahlen nicht zu verringern. Notwendig sei eine deutlich schnellere Angleichung, was bei der Kleinteiligkeit und der Innovationschwäche der ostdeutschen Wirtschaft jedoch nur schwer zu erreichen sei. Die ostdeutschen Länder seien darum in besonderer Weise auf den Finanzausgleich und auch auf den Solidarpakt II angewiesen. Und die geplante Nachfolgeregelung ab dem Jahr 2021 müsse weiter die besondere Lage in den neuen Ländern berücksichtigen.
Mehr zum Thema