Jagoda Marinić zur Störaktion im Bundestag

"Jetzt ist eine Grenze überschritten"

08:38 Minuten
Frontansicht des Reichstagsgebäudes in Berlin.
Die Störaktion der AfD im Bundestag beschäftigte die Parlamentarier heute in einer "Aktuellen Stunde" und sorgte für hitzige Debatten © picture-alliance/dpa/Daniel Kalker
Moderation: Anke Schaefer  · 20.11.2020
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Nach dem Störmanöver im Deutschen Bundestag zeigt sich die Autorin Jagoda Marinić fassungslos über die mangelnde Achtung des Parlaments. Mit seiner Ankündigung rechtlicher Schritte treffe Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den richtigen Ton.
Zahlreiche Bundestagsabgeordnete haben die Störaktionen von Gästen der AfD-Fraktion im Parlamentsgebäude scharf verurteilt. Bei den Vorfällen vom Mittwoch handele es sich um einen "Angriff auf das freie Mandat" und auf die parlamentarische Demokratie, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU) heute in der "Aktuellen Stunde" im Bundestag. Dies sei der bisherige "Tiefpunkt einer dauerhaften Strategie der AfD in diesem Hause."

Gauland entschuldigt sich

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erwägt offenbar juristische Schritte gegen jene Reichstagsbesucher, die Abgeordnete bedrängt, belästigt und beleidigt hatten.
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wies alle Vorwürfe zurück. Das Verhalten der Störer sei "unzivilisiert" gewesen "und gehört sich nicht. Dafür entschuldige ich mich." Die AfD-Fraktion hätte "diese Besucher beaufsichtigen sollen".

"Was ist das für ein Patriotismus"?"

"Das ist eine Partei, die angeblich Patriotismus hochhält", kritisiert de Autorin Jagoda Marinić das Verhalten der AfD. "Was ist das für ein Patriotismus, der die Achtung vor der Demokratie nicht in Betracht zieht, vor dem Parlament, vor den gewählten Abgeordneten dieses Landes."
Die Schriftstellerin Jagoda Marinić, 2019.
Die Autorin Jagoda Marinić fordert rechtliche Schritte gegen die Störer im Bundestag. © imago-images / Jürgen Heinrich
Es mache sie fassungslos. "Es ist auch nicht der erste Angriff in Richtung Bundestag", erinnert Marinić an die Vorfälle in Berlin Ende August, als rechtsnationale Demonstranten kurzzeitig die Treppen des Reichstages besetzten und dies als "Sturm auf den Reichstag" titulierten.

"Es geht um das Herz der Demokratie"

"Ich bin sprachlos, dass man das so erlebt und dass man denkt, man kann sich hinstellen und sagen: Sorry, hätten wir nicht machen sollen und tut uns leid", sagte die Autorin über Gaulands Entschuldigung. Das sei die typische Strategie der AfD, die zunächst Grenzen überschreite und nach der Grenzüberschreitung sage, es handele sich nicht um die Linie der Partei, sondern nur um das Verhalten einzelner Mitglieder.
"Man muss hier sehr deutlich machen, dass es hier um das Hohe Haus geht, um das Herz der Demokratie", so Marinić. Sie erwarte, dass im Bundestag das Hausrecht durchgesetzt werde.

"Schäuble trifft den richtigen Ton"

"Jetzt ist eine Grenze überschritten", betont Marinić. "Ich denke, dass Schäuble da im Moment den richtigen Ton trifft, nämlich law and order."
Wenn sich die AfD-Spitze wirklich entschuldigen wolle, müsse sie auch alle rechtlichen Schritte in Kauf nehmen. Aus ihrer Sicht sollte man die Debatte besser kleinhalten."So geht man mit dem deutschen Parlament nicht um." (gem)

Die deutsch-kroatische Autorin und Kulturmanagerin Jagoda Marinić, geboren 1977, studierte Germanistik, Politische Wissenschaft und Anglistik in Heidelberg. Die Schriftstellerin verfasst Romane, Essays und Erzählungen, aber auch Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung, taz und die New York Times. Zuletzt erschien von ihr 2019 das Sachbuch "Sheroes – neue Heldinnen braucht das Land".

Hören Sie hier unsere ganze Sendung mit Jagoda Marinić:
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