Jäger der magischen Momente
David Lynch ist nicht nur Filmregisseur, sondern auch Maler. Nun erhält der US-Amerikaner den Kaiserring der Stadt Goslar, einen der renommierten deutschen Kunstpreise. Lynch habe früh die Grenzen zwischen bildender Kunst und Film durchbrochen, erklärte die Jury.
"I think, the Kaiserring means instead of going five miles an hour now going 60 miles an hour."
Für David Lynch ist der Kaiserring Ansporn, so richtig aufzudrehen, sozusagen von zehn auf hundert hochzuschalten. Aber was bringt der Turbo-Effekt für einen Maler oder Grafiker? Außerdem schöpft Lynch, der sowohl in verstörenden Filmsequenzen wie auch in surrealen Gemälden Alltag und Albträume verquickt, am Ende aus einer tieferen, eher stillen Quelle - ganz gleich, in welcher künstlerischen Disziplin er sich ausdrückt:
"Mit Aquarellfarbe etwa dringt man tiefer in eine Welt ein. Dabei steigen Ideen auf, kennzeichnend für dieses Medium. Und so ist es mit Malerei, Skulptur, Musik oder Film."
Entscheidend bleibt die Idee - und die findet ihren Ausdruck als Zeichnung auf winzigen Streichholzheftchen genauso wie in meterhohen Collagen. Wobei der Meister sich für Kalauer nicht zu schade ist: "Bob's Antigravity Factory", die Antischwerkraft-Fabrik, schwebt als hölzernes Gebäuderelief über wogenden Wellen aus pastosen Farbschlieren. Hauptsache, es bewegt sich was - entweder auf der Leinwand oder im Bewusstsein des Betrachters. Schön, wenn beides gleichzeitig eintritt, so wie damals, als der junge Kunststudent David Lynch für seine Abschlussarbeit vor der Staffelei stand:
"Ich male einen Garten bei Nacht, ganz schwarz mit etwas Grün. Als ich darauf schaue, kommt mir ein Wind entgegen, das Grün bewegt sich. Ich denke: "Ooh, ein bewegtes Bild!" Das brachte mich zum Film.".
Und in diesem Medium schafft es Lynch, Bildern und Tönen seine Leit-Idee einzuprägen. Dafür nimmt es der Regisseur auf sich, die neueste Filmtechnik zu erproben - gerne auch in "commercials", mit gut bezahlten Werbespots:
"Die digitale Welt fasziniert mich, die Kameras werden immer leichter, immer schneller. Und die Bilder lassen sich in jede Richtung bearbeiten, verändern."
Die eigentlichen Highlights in der Lynch-Schau des Goslarer Mönchehaus-Museums sind allerdings ganz konventionelle, analoge Schwarzweißfotos: Dass er versteht, Lichter zu setzen, beweist ein Tableau von vier Frauenporträts. Da reißt ein hart fokussiertes Spotlight bebende Lippen, vibrierende Nasenflügel, ein sanft geschwungenes Kinn aus dem Dunkel. Und mit einer ganzen Foto-Serie erkundet Lynch verlassene Fabrikhallen, ist dem düsteren genius loci auf der Spur. Statt virtuelle Räume, synthetische Atmosphäre am Computer-Schnittplatz zu kreieren, setzt er mit der Kleinbildkamera Orte der realen, der schäbigen Welt morbid schillernd in Szene:
"Das Gespür für Orte ist entscheidend. Ich suche Plätze, die meine Ideen widerspiegeln. Räume, die ich mir vorstelle, vor Augen habe - die es aber noch gar nicht gibt."
Diese Räume zu erschaffen, bedient der Filmregisseur sich des Computers - und der Maler David Lynch versucht es mit Materialbildern, einige hundert Kilo schwer, mit breiten Goldrahmen. Archaisch nackte Menschengestalten treffen als Relieffiguren auf rosafarbene Glühlämpchen, etwas kitschig, sehr bombastisch. Aber genau diesen ersten Eindruck will Lynch konterkarieren durch eine davor gesetzte Glasscheibe, ein Vitrineneffekt, den er sich bei Francis Bacon abgeschaut hat, dem Maler der Gewalt, der deformierten Körper und malträtierten Seelen:
"Die Idee dazu hatte Francis Bacon. Ich habe solche Vitrinen für die Galeries Lafayette in Paris gemacht - da entstand eine magische Welt, als man durch das Glas schaute."
Und wer es jetzt immer noch nicht sieht, für den hält der Meister seinen ganz privaten Tipp parat. Bei David Lynch nämlich hat die Magie einen Marken-Namen - und der heißt "TM", Transzendentale Meditation:
"Ich saß träumend im Sessel, da machte es plötzlich "boom" - ein heller, euphorischer Moment. Es war das Hinübergleiten in die Transzendenz. Ich wollte es wiederholen, wusste aber nicht, wie man wieder dort hingelangt."
Nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit, sondern nach magischen Momenten ist David Lynch. Und dafür, das lehrt uns die Verleihung des Kaiserrings, ist dem Filmemacher jedes künstlerische Mittel recht, kein Medium zu gering.
Für David Lynch ist der Kaiserring Ansporn, so richtig aufzudrehen, sozusagen von zehn auf hundert hochzuschalten. Aber was bringt der Turbo-Effekt für einen Maler oder Grafiker? Außerdem schöpft Lynch, der sowohl in verstörenden Filmsequenzen wie auch in surrealen Gemälden Alltag und Albträume verquickt, am Ende aus einer tieferen, eher stillen Quelle - ganz gleich, in welcher künstlerischen Disziplin er sich ausdrückt:
"Mit Aquarellfarbe etwa dringt man tiefer in eine Welt ein. Dabei steigen Ideen auf, kennzeichnend für dieses Medium. Und so ist es mit Malerei, Skulptur, Musik oder Film."
Entscheidend bleibt die Idee - und die findet ihren Ausdruck als Zeichnung auf winzigen Streichholzheftchen genauso wie in meterhohen Collagen. Wobei der Meister sich für Kalauer nicht zu schade ist: "Bob's Antigravity Factory", die Antischwerkraft-Fabrik, schwebt als hölzernes Gebäuderelief über wogenden Wellen aus pastosen Farbschlieren. Hauptsache, es bewegt sich was - entweder auf der Leinwand oder im Bewusstsein des Betrachters. Schön, wenn beides gleichzeitig eintritt, so wie damals, als der junge Kunststudent David Lynch für seine Abschlussarbeit vor der Staffelei stand:
"Ich male einen Garten bei Nacht, ganz schwarz mit etwas Grün. Als ich darauf schaue, kommt mir ein Wind entgegen, das Grün bewegt sich. Ich denke: "Ooh, ein bewegtes Bild!" Das brachte mich zum Film.".
Und in diesem Medium schafft es Lynch, Bildern und Tönen seine Leit-Idee einzuprägen. Dafür nimmt es der Regisseur auf sich, die neueste Filmtechnik zu erproben - gerne auch in "commercials", mit gut bezahlten Werbespots:
"Die digitale Welt fasziniert mich, die Kameras werden immer leichter, immer schneller. Und die Bilder lassen sich in jede Richtung bearbeiten, verändern."
Die eigentlichen Highlights in der Lynch-Schau des Goslarer Mönchehaus-Museums sind allerdings ganz konventionelle, analoge Schwarzweißfotos: Dass er versteht, Lichter zu setzen, beweist ein Tableau von vier Frauenporträts. Da reißt ein hart fokussiertes Spotlight bebende Lippen, vibrierende Nasenflügel, ein sanft geschwungenes Kinn aus dem Dunkel. Und mit einer ganzen Foto-Serie erkundet Lynch verlassene Fabrikhallen, ist dem düsteren genius loci auf der Spur. Statt virtuelle Räume, synthetische Atmosphäre am Computer-Schnittplatz zu kreieren, setzt er mit der Kleinbildkamera Orte der realen, der schäbigen Welt morbid schillernd in Szene:
"Das Gespür für Orte ist entscheidend. Ich suche Plätze, die meine Ideen widerspiegeln. Räume, die ich mir vorstelle, vor Augen habe - die es aber noch gar nicht gibt."
Diese Räume zu erschaffen, bedient der Filmregisseur sich des Computers - und der Maler David Lynch versucht es mit Materialbildern, einige hundert Kilo schwer, mit breiten Goldrahmen. Archaisch nackte Menschengestalten treffen als Relieffiguren auf rosafarbene Glühlämpchen, etwas kitschig, sehr bombastisch. Aber genau diesen ersten Eindruck will Lynch konterkarieren durch eine davor gesetzte Glasscheibe, ein Vitrineneffekt, den er sich bei Francis Bacon abgeschaut hat, dem Maler der Gewalt, der deformierten Körper und malträtierten Seelen:
"Die Idee dazu hatte Francis Bacon. Ich habe solche Vitrinen für die Galeries Lafayette in Paris gemacht - da entstand eine magische Welt, als man durch das Glas schaute."
Und wer es jetzt immer noch nicht sieht, für den hält der Meister seinen ganz privaten Tipp parat. Bei David Lynch nämlich hat die Magie einen Marken-Namen - und der heißt "TM", Transzendentale Meditation:
"Ich saß träumend im Sessel, da machte es plötzlich "boom" - ein heller, euphorischer Moment. Es war das Hinübergleiten in die Transzendenz. Ich wollte es wiederholen, wusste aber nicht, wie man wieder dort hingelangt."
Nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit, sondern nach magischen Momenten ist David Lynch. Und dafür, das lehrt uns die Verleihung des Kaiserrings, ist dem Filmemacher jedes künstlerische Mittel recht, kein Medium zu gering.