Jacques Delors wird 90

Der Gründungsvater des Euro

Jacques Delors, ehemaliger Kommissionschef und Politiker der Sozialistischen Partei Frankreichs (2012)
Jacques Delors, ehemaliger Kommissionschef und Politiker der Sozialistischen Partei Frankreichs (PS) © picture alliance / dpa - Thomas Padilla
Von Christiane Kaess  · 20.07.2015
Jacques Delors war immer von der europäischen Idee begeistert. Von daher war es nur folgerichtig, dass er zunächst Präsident der Kommission der EG wurde und dann vor allem das Projekt der Währungsunion vorantrieb. Jetzt wird der französische Politiker 90 Jahre alt.
Wenn Jacques Delors über Europa spricht, hört sich das immer aktuell, klar und eindeutig an:
"Es ist ein Unternehmen, das sich auf Regeln gründet, die sich die Regierungen selbst geben, um ihre gemeinsamen Angelegenheiten zu managen. Nicht alles, die Nationalstaaten haben sehr viele Vorrechte. Aber wenn es um europäische Angelegenheiten geht, dann passiert das innerhalb der Regeln und des Rechts."
Wohlwissend, dass es nicht immer so einfach ist, bleibt das Projekt Europa für Delors das größte Abenteuer des 21. Jahrhunderts - wie er es einmal genannt hat. Seine Betonung, Europa gründe sich auf Frieden, Versöhnung unter den Völkern, und der Kunst des Zusammenlebens, spiegelt seine eigene Geschichte wider.
Als die Bomben des Zweiten Weltkrieges auf die europäischen Städte niederfallen, ist Jacques Delors ein junger Erwachsener. Fünf Mal musste er wegen des Krieges die Schule wechseln. Gefragt nach seinen prägenden Erlebnissen, nennt Delors später seinen Vater, Kriegsversehrter und anti-deutsch:
"Aber er hat mir nach dem Krieg gesagt: Wir müssen Schluss machen mit diesem europäischen Bürgerkrieg. Wir müssen einen Weg der Verständigung finden. Das hat mich sehr beeinflusst. "
"Er hat die Menschen für die europäische Idee begeistert"
Das Einzelkind aus einfachen Verhältnissen studiert Jura in Paris und arbeitet sich hoch zum stellvertretenen Direktor der "Bank von Frankreich". Als Mitglied der Sozialistischen Partei wird Delors zunächst Berater von François Mitterand. Nach dessen Wahl zum Staatspräsidenten im Mai 1981 übernimmt Delors das einflussreiche Ministerium für Wirtschaft und Finanzen. Nach Verstaatlichungen, höheren Mindestlöhnen und kürzeren Arbeitszeiten macht der Minister eine Kehrtwende und verkündet:
"Pause de réformes."
Eine Pause der Reformen. Delors verordnet einen unpopulären Sparkurs. 1984 schlägt Mitterand seinen scheidenden Minister vor als Präsident der Kommission der damals noch Europäischen Gemeinschaft. Delors tritt das Amt nach allgemeiner Zustimmung an.
"Er ist der Gründungsvater des Euro und der Währungsunion. Darüber hinaus war er immer einer, der inspiriert hat - er war also viel mehr als nur ein Politiker oder der Präsident der Kommission. Er hat die Menschen für die europäische Idee begeistert", sagt Hermann von Rompuy , damals noch Präsident des Europäischen Rates, über Jacques Delors.
Förderer der Europäische Integration
Tatsächlich gilt Jacques Delors als derjenige, der dem Gedanken der europäischen Integration wieder neues Leben eingehaucht hat - nach Jahren des Stillstands. Er treibt die Vollendung des Binnenmarktes voran und widmet sich dann mit vollem Engagement der Währungsunion. Mitten hinein in seine Arbeit platzen die Umbrüche im Osten Europas und der Berliner Mauerfall.
"Die Worte, die sich jetzt am meisten wiederholen, sind die Ergriffenheit und die Freude", sagt Delors angesichts der feiernden Menschen in Berlin und er appelliert:
"Ich möchte die Solidarität hinzufügen, gegenüber unseren deutschen Freunden - auf beiden Seiten dieses Eisernen Vorhangs, der dabei ist zu verschwinden. Wenn ein Familienmitglied eine Freude und eine Hoffnung hat, müssen alle anderen Familienmitglieder dieselbe Freude und dieselbe Hoffnung haben. "
Delors widerspricht damit eindeutig den Bedenken auch von François Mitterand gegen ein wiedervereinigtes Deutschland, der Angst vor mögliche deutscher wirtschaftlicher und politischer Dominanz.
Kandidatur zum Staatspräsidenten ausgeschlagen
Als sich Delors Amtszeit als EU-Kommissionspräsident dem Ende zuneigt sehen die Franzosen ihn als gesetzt für die Nachfolge Mitterands im Amt des Staatspräsidenten. Aber er enttäuscht seine Anhänger:
"Ich habe mich dazu entschlossen, nicht Kandidat für die Präsidentschaftswahlen zu werden", erklärt Delors im Dezember 1994.
Seine Begründung: Wegen der fehlenden politischen Mehrheiten hätte er seine politischen Ideen nicht durchsetzen können. Es sei seine Pflicht, den Franzosen keine Illusionen zu machen. Man hat ihm diese Entscheidung immer wieder vorgeworfen. Zehn Jahre danach konterte er:
"Mein Problem - und das finden Sie vielleicht lächerlich - ist, dass ich nützlich sein will. Und damals hatte ich das Gefühl, dass ich so nicht nützlich sein könnte."
Noch im hohen Alter mahnt er die Politik, den Menschen die Wahrheit zu sagen, ohne sie zu entmutigen. Vor dem Referendum in Griechenland über die Sparpolitik warnt Delors, das Land werde ein europäisches Problem bleiben. Gefragt nach dem, was er in seinem Leben bereue, hat er einmal gesagt:
"Ganz ehrlich, das behalte ich lieber für mich."
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