Jacke wie Hose

Von Antje Diekhans, ARD Nairobi |
Abgelegte Kleidung aus Europa ist in Kenia ein großer Geschäftszweig: Etwa 200.000 Menschen arbeiten in dieser Branche. Auf den riesigen Märkten in Nairobi kosten Designeranzüge und andere Markenkleider nur ein paar Euro.
Hosen, T-Shirts, Pullover so weit das Auge reicht. Manche unsortiert auf Wühltischen, manche ordentlich aufgehängt in den engen Verkaufsständen. Auf dem Kikomba-Markt, dem größten in Nairobi, bieten tausende Händler gebrauchte Kleidung an.

"”Das ist zweiter Hand – aber ich mache dir einen guten Preis"", sagt einer von ihnen. Der meistgehörte Satz auf diesem Markt. Einkaufen bedeutet hier handeln – doch schon umgerechnet ein Euro reicht, um ins Geschäft zu kommen:

"Dafür gibt es ein Hemd, eine Hose oder eine Jacke", zählt ein anderer Verkäufer auf. "In den Geschäften zahlen Sie viel mehr."

Die Kleider werden in großen Bündeln angeliefert. Davon haben die Second-Hand-Märkte in Kenia ihren Namen: Mitumba heißen sie, das ist Kisuaheli für Ballen. Ein Teil von ihnen ist in Schiffscontainern aus Deutschland angekommen. Die Kunden auf dem Markt stört es nicht, dass andere die Kleidung schon mal getragen und dann aussortiert haben:

"Hier sind die Sachen bezahlbar", sagt eine Frau, die nach einem Rock sucht. "Was immer ich kaufe, gibt es nur als Einzelstück. Keine Massenware. Das gefällt mir."

"Die Sachen aus Übersee sind einzigartig", meint auch die Händlerin. ""Old school nennen wir das. Die Kleidung färbt nicht so schnell aus und oft muss man sie nicht mal bügeln – du wäscht sie einfach und ziehst sie an."

Gewerbliche Textilverwerter exportieren die Altkleider nach Afrika. Das Mitumba-Geschäft ist in Kenia ein großer Erwerbszweig. Etwa 200.000 Menschen sind im ganzen Land in dieser Branche beschäftigt – zehn Mal so viel wie in der Textilindustrie.
In einer Fabrik in Nairobi wird Baumwolle aus den afrikanischen Nachbarländern zu bunten Stoffen verarbeitet. Die traditionellen Muster sind inzwischen auch weltweit gefragt. Selbst auf den großen Modenschauen in London und Paris präsentieren die Models den Ethno-Look. Doch bisher bleibt das Weben eine Marktnische. Sieht Fabrik-Manager Rajab Itambo die Second-Hand-Märkte als seine Konkurrenz?

"Nicht unbedingt. Kritisch wird es, wenn auf dem Mitumba-Markt auch neue Kleider verkauft werden – und das zollfrei."

Er meint damit vor allem Waren, die aus China oder Indien ins Land kommen:

"Die billigen Importe sind illegal. Sie werden zu einem Preis angeboten, der noch unter unseren Selbstkosten liegt. Das wirkt sich auf uns aus."

Diese Massenwaren machten das Geschäft kaputt. Mehr als die Altkleider, von denen es allerdings auch täglich Nachschub gibt.

Die aussortierten Schätzchen werden gewaschen und gebügelt. Oft sind richtige Fundstücke dabei – original Designerware oder alte Fußball-Trikots, die in Deutschland Kultstatus hätten.

"Ich trage dieses Shirt nicht, weil es chic ist", meint ein junger Mann im Manchester-United-Trikot. "Ich bin ein Fan des Vereins. Ich kaufe immer auf dem Mitumba-Markt."

Wenn etwas nicht passt, wird es in Windeseile umgenäht. Dafür zahlen die Käufer dann noch ein wenig extra. So wie dieser Kunde, der die Ärmel an seinem neu erstandenen Jacket kürzen lässt:

"Das sind schließlich Designer-Stücke", sagt er. "Darum lohnt es sich."

Es macht nichts, wenn der Schnitt nicht mehr ganz der neuesten Mode entspricht. Auf dem Markt finden sich Jacken mit Schulterpolstern genauso wie Schlaghosen. Es gibt Rüschenblusen und Leoparden-Leggings. Einige Stände haben sogar gebrauchte Unterwäsche im Angebot. Die Verkäuferin meint: Die Qualität ist besser als bei der Polyester-Ware, die es in den Läden gibt:

"Ich trage selbst die BHs, sie sehen gut aus und sind billiger als die neuen."

Ihre gesamte Garderobe ist Second Hand. Sie ist überzeugt, dass sie damit dem Trend eher voraus statt hinterher ist. Denn irgendwann sei schließlich alles wieder in: Die Mode wiederhole sich doch ständig.