Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo
Nein, nie im Leben werde ich am Lehrter Bahnhof den ICE in die Ferne nehmen. Ich weigere mich ja auch, von Schönefeld abzufliegen. Ich bin mein eigener Insulaner und lasse all die Fernzüge in ihre künstliche kosmopolitische Zukunft fahren.
Ja, auch ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und ich möchte nirgendwo anders geboren sein.
Als ich 1979 zum ersten Mal nach Berlin kam, nach rumpelnder Nachtfahrt durch die düstere Ostzone, war die Einfahrt am "Zoo" meine Berliner Initiation: die Ankunft in der Freiheit. Die geduckten Durchgangshallen - wie auf 16-Millimeter-Film lagen sie vor mir, flimmernd und gelbstichig, und David Bowie sang seine Filmhymne dazu, erhob auch mich zum "Helden" für einen Tag. Egal, ob hier die ausgezehrten Teenies alle wie Christiane F aussahen - oder ob der stete Geruch von Alkohol in der Luft lag: Hier anzukommen war wie ein großes Atemholen, das Glücksgefühl vom Einatmen der Berliner Luft.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und werde immer an seiner Nadel hängen.
Von der ersten Ankunft an wurde er das Drehkreuz meiner Berliner Existenz. Die verschlungenen, überlaufenen Umsteigegänge, von der U-Bahn zur S-Bahn, vom Bus zum Fernbahnsteig, sie gaben mir mein Großstadtgefühl. Wozu diese majestätischen Bahnhofskathedralen wie in Mailand, Leipzig oder London? Ich hatte meine improvisierte Fernhalte-Baracke, den Zoo: einen Ort des Übergangs, eine Durch-Zugs-Station. Welch besseres Symbol gäbe es für die ewig unfertige Stadt Berlin.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und ich werde auch in Zukunft auf ihn abfahren.
Schon in der Vergangenheit wurde er ausgeschlachtet wie ein altes Automobil, für das es keine Ersatzteile mehr gibt. Erst musste die Heine-Buchhandlung weichen, wo ich im Winter, beim Warten auf den Bus, zwischen wärmenden Bücherstapeln Schutz suchte; dann wurde die 24-Stunden-Post geschlossen, wo ich einst sonntags nachts mein erstes Telegramm in die bayerische Heimat verschickte, Berliner Glückwünsche sendend. Nun soll hier kein Fernzug mehr halten, soll der Zoo von der großen weiten Welt abgehängt werden. Stattdessen wird der Lehrter Bahnhof neuer Hauptbahnhof. Ob irgendein Rockstar je Songs für die "Kinder vom Lehrter Bahnhof" singen wird? Ob diese gläserne Shoppingmall mit Gleisanschluss mal filmreif sein wird, für mehr als Werbespots? Wir haben doch schon den Retortendamer Platz.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und ich werde nie ein Kind vom Hauptbahnhof werden.
Nein, nie im Leben werde ich am Lehrter Bahnhof den ICE in die Ferne nehmen. Ich weigere mich ja auch, von Schönefeld abzufliegen. Wenn sie mir auch noch mein Berlin-Tegel nehmen, bleibe ich einfach für immer in Berlin. Ich erschaff sie mir selber, meine innere Mauerstadt. Ich bin mein eigener Insulaner und lasse all die Fernzüge in ihre künstliche kosmopolitische Zukunft fahren. Nur einmal vielleicht stehle ich mich doch am neuen Hauptbahnhof in einen ICE und gleite als blinder Passagier der Geschichte gen Westen. Und wenn ich am Zoo einrolle, ziehe ich grinsend die Handbremse - und steige am alten Fernbahnsteig aus, so wie beim ersten Mal.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Sollen sie mich doch festnehmen, die Service-Schergen der Deutschen Bahn AG. Die Arrestzellen, die es einst an meinem Zoo gab, haben sie nämlich auch schon lange dicht gemacht.
Als ich 1979 zum ersten Mal nach Berlin kam, nach rumpelnder Nachtfahrt durch die düstere Ostzone, war die Einfahrt am "Zoo" meine Berliner Initiation: die Ankunft in der Freiheit. Die geduckten Durchgangshallen - wie auf 16-Millimeter-Film lagen sie vor mir, flimmernd und gelbstichig, und David Bowie sang seine Filmhymne dazu, erhob auch mich zum "Helden" für einen Tag. Egal, ob hier die ausgezehrten Teenies alle wie Christiane F aussahen - oder ob der stete Geruch von Alkohol in der Luft lag: Hier anzukommen war wie ein großes Atemholen, das Glücksgefühl vom Einatmen der Berliner Luft.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und werde immer an seiner Nadel hängen.
Von der ersten Ankunft an wurde er das Drehkreuz meiner Berliner Existenz. Die verschlungenen, überlaufenen Umsteigegänge, von der U-Bahn zur S-Bahn, vom Bus zum Fernbahnsteig, sie gaben mir mein Großstadtgefühl. Wozu diese majestätischen Bahnhofskathedralen wie in Mailand, Leipzig oder London? Ich hatte meine improvisierte Fernhalte-Baracke, den Zoo: einen Ort des Übergangs, eine Durch-Zugs-Station. Welch besseres Symbol gäbe es für die ewig unfertige Stadt Berlin.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und ich werde auch in Zukunft auf ihn abfahren.
Schon in der Vergangenheit wurde er ausgeschlachtet wie ein altes Automobil, für das es keine Ersatzteile mehr gibt. Erst musste die Heine-Buchhandlung weichen, wo ich im Winter, beim Warten auf den Bus, zwischen wärmenden Bücherstapeln Schutz suchte; dann wurde die 24-Stunden-Post geschlossen, wo ich einst sonntags nachts mein erstes Telegramm in die bayerische Heimat verschickte, Berliner Glückwünsche sendend. Nun soll hier kein Fernzug mehr halten, soll der Zoo von der großen weiten Welt abgehängt werden. Stattdessen wird der Lehrter Bahnhof neuer Hauptbahnhof. Ob irgendein Rockstar je Songs für die "Kinder vom Lehrter Bahnhof" singen wird? Ob diese gläserne Shoppingmall mit Gleisanschluss mal filmreif sein wird, für mehr als Werbespots? Wir haben doch schon den Retortendamer Platz.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Und ich werde nie ein Kind vom Hauptbahnhof werden.
Nein, nie im Leben werde ich am Lehrter Bahnhof den ICE in die Ferne nehmen. Ich weigere mich ja auch, von Schönefeld abzufliegen. Wenn sie mir auch noch mein Berlin-Tegel nehmen, bleibe ich einfach für immer in Berlin. Ich erschaff sie mir selber, meine innere Mauerstadt. Ich bin mein eigener Insulaner und lasse all die Fernzüge in ihre künstliche kosmopolitische Zukunft fahren. Nur einmal vielleicht stehle ich mich doch am neuen Hauptbahnhof in einen ICE und gleite als blinder Passagier der Geschichte gen Westen. Und wenn ich am Zoo einrolle, ziehe ich grinsend die Handbremse - und steige am alten Fernbahnsteig aus, so wie beim ersten Mal.
Ja, ich bin ein Kind vom Bahnhof Zoo. Sollen sie mich doch festnehmen, die Service-Schergen der Deutschen Bahn AG. Die Arrestzellen, die es einst an meinem Zoo gab, haben sie nämlich auch schon lange dicht gemacht.