Iyeoka mit neuem Album auf Tour

Afrikanische Sounds mit fesselnden Geschichten

Die nigerianisch-amerikanische Musikerin Iyeoka singt bei einem Live-Konzert in Istanbul im August 2014 mit geschlossenen Augen und ausgebreiteten Armen in ein Mikrofon.
Die nigerianisch-amerikanische Musikerin Iyeoka bei einem Live-Konzert in Istanbul im August 2014 © imago/Seskim Photo
Von Christiane Rebmann · 29.07.2016
Sounds aus Afrika mit Jazz, Pop, R&B und einer gehörigen Portion Soul – das ist auf Iyeokas Album "Gold" zu hören. Kritiker loben die Ausdruckskraft ihrer Stimme. Beeindruckend sind auch die Geschichten, die die US-Sängerin mit nigerianischen Wurzeln in ihren Liedern erzählt.
Iyeoka wirkt zierlich und auf den ersten Blick ein wenig zerbrechlich. Aber in Wahrheit ist die US-Künstlerin mit nigerianischen Wurzeln ein Kraftpaket, wie sich beim Konzert auf dem Sommerpalast Festival in Murrhardt bei Stuttgart zeigt. Dort animiert sie mit Unterstützung ihrer hawaiianischen Band Rock by Funk Tribe mit euphorisierendem Afrobeat zum Tanzen. Sie zeigt aber auch ihre verletzliche Seite, beispielsweise, wenn sie in "Sweet Song" erklärt, dass ihr Name Iyeoka Respekt bedeutet und warum die Kindheit in der US Metropole Boston sie gestählt hat.
"Ich war Teil einer Minderheit und noch dazu ein Mädchen. Ich wurde dauernd mit dem Rassismus konfrontiert. In 'Sweet Song' singe ich darüber, dass mir meine Kultur die Kraft und den Mut gegeben hat, das durchzustehen. Ich sehe in den Augen meiner Eltern, was sie in ihrer Heimat gesehen haben. Die Schönheit ihrer Heimat. Ich wurde von den Weißen in den USA beschimpft: 'Du bist hässlich, du bist dreckig, geh zurück in deinen afrikanischen Busch!' Aber meine Mutter sagte immer: 'Mein Mädchen, du bist wunderschön.' Ich schrieb dieses Gedicht als ein Mantra für mich selbst. Und ich stellte fest, dass die Menschen aller Kulturen damit etwas anfangen können, dass sie es respektieren."
Das ist nicht das einzige Anliegen, das die 41-Jährige in den Songs ihres vierten Albums "Gold" und in ihrem Gedichtband "Jam Session Jukebox" unter die Leute zu bringen versucht. Ihre wichtigste Botschaft: Glaubt an eure Träume. Verfolgt sie und lasst euch nicht durch Krisen vom Weg ablenken. Das ist kein Slogan, sondern besungene Erfahrung, wie sie mit "Every Second" beweist.
"Dieses Lied schrieb ich nach meiner ersten Fehlgeburt. Ich hatte das Gefühl, dass es ein Mädchen war, und ich wollte, dass die Kleine zurückkommt. Ich dachte: Vielleicht hört sie mich und kommt zurück zu mir. Ich sang den Song danach auch auf jedem Konzert: 'Jede Sekunde, jede Stunde rufe ich dich, mit diesem Lied, übers Radio.' Ich hatte schon als kleines Mädchen von ihr geträumt. Ich hatte für sie gebetet. Die Fehlgeburt überraschte mich total, weil die Schwangerschaft davor ohne Probleme verlaufen war."

Ein Schlüsselerlebnis rüttelte sie auf

Mit dem Lied habe sie aber auch sich selbst helfen wollen, sagt sie und spricht damit ein Thema an, über das Frauen in dieser Situation nicht so gern sprechen.
"Ich schämte mich, weil mein Körper nicht richtig funktionierte. Ich dachte: Vielleicht habe ich zu viel gearbeitet. Deshalb schonte ich mich in der nächsten Schwangerschaft. Aber ich hatte wieder eine Fehlgeburt. Ich war verzweifelt. Dann wurde ich wieder schwanger. Und dann blieb ich im Bett."
Inzwischen ist ihre zweite Tochter da, aber das Lied ist immer noch wertvoller Bestandteil ihres Liveprogramms.
Iyeoka stammt aus einer Medizinerfamilie, deren Vorfahren in Nigeria als Medizinmänner, aber auch als Musiker arbeiteten. Sie managte lange Zeit die pharmazeutische Abteilung einer Drogerieketten-Filiale und machte nur nebenbei Musik. Bis sie ein Schlüsselerlebnis aufrüttelte. Auch das hat sie selbstverständlich in einem Lied verarbeitet.
"'Wait for it' ist ein Mantra und ein Gebet. Lieber Gott, gib mir Kraft. Das habe ich gebetet, als mein Flugzeug 2005 von einem Blitz getroffen wurde und wir notlanden mussten. Da entschied ich: Ich steige aus dem bequemen Job als Apothekerin aus und konzentriere mich lieber auf die Musik. Als wir da so im Sinkflug waren, liefen mein ganzes Leben und all meine Träume noch mal vor meinem geistigen Auge ab, und ich dachte: meine Güte, vielleicht werde ich nie die Chance haben, meinen Traum von der Musik umzusetzen. Wenn ich überlebe, dann sollte ich das sofort tun."

Iyeokas engagiert sich gegen Missstände

Seitdem konzentriert sich Iyeoka erfolgreich auf ihre Mischung aus Soul, R&B, Funk, Jazz und afrikanischen Rhythmen. Sie ist sich bewusst, wie privilegiert sie lebt. Deshalb setzt sie sich mit einer eigenen Stiftung für die Alphabetisierung in Nigeria ein. Und sie weist in ihrer Musik auf Missstände hin.
"'Akomen of udomi' basiert auf einem Buch, das mein Vater geschrieben hat. Es geht um die Mädchen, die nicht die Chance hatten, zur Schule zu gehen und sich sagten: 'In Europa kann ich als Prostituierte viel Geld verdienen.' Es geht hier um sieben Mädchen, die das getan haben und dann feststellen mussten, dass Prostitution ein viel härterer Job ist, als sie gedacht hatten. Viele von ihnen kamen ums Leben. Aber Akomen überlebte. Es gibt sie wirklich. Sie kam zurück in ihr Dorf. Sie heiratete und bekam ein Kind."
Iyeoka singt hier auch von den Mädchen, die in Nigeria verschleppt und mit ihren Peinigern zwangsverheiratet wurden und für die sie jetzt gemeinsam mit der Organisation "Bring back our girls" kämpft. Die Tätergruppe möchte sie nicht nennen und auch nicht genannt haben. Ich möchte das Vergeben kultivieren, sagt sie.
"Denn viele dieser Frauen haben inzwischen Kinder von den Männern bekommen, mit denen sie verheiratet wurden. Sie sind immer noch in Gefangenschaft. Ich verwende den Namen der Männer absichtlich nicht, weil ich mich an den Gedanken halten möchte, dass diese Mädchen, die vermisst werden, eines Tages gefunden werden. Sie müssen stark sein, und sie müssen den Mut haben zu träumen, dass sie eines Tages ihre Familie wiedersehen werden.
Es kann sein, dass es 10 oder 20 Jahre dauert, bis sie zurückkommen. Und dann werden die Kinder, die in der Gefangenschaft entstanden sind, vielleicht 20 sein und sagen: 'Ja, meine Mutter wurde gekidnappt, am 14. April 2014, und ich wurde ein Jahr später geboren. Jetzt bin ich hier.' Ich möchte diesen Kindern sagen: Wir haben die ganze Zeit von euch geträumt, wir haben an euch gedacht. Wir haben für euch getanzt. Dieser Song ist für all die Mädchen, die immer noch vermisst werden. Udomi war auch vermisst, jetzt hat sie eine Familie, ein Kind, einen Mann."
Mehr zum Thema