Italo Disco

Von der Pandemie gepusht

06:09 Minuten
DJ-Hände an einem Mischpult mit farbigen Lichtstrahlen in Club-Atmosphäre
Der Italo-Disco-Trend von heute begann gegen Ende 2018 mit DJ-Größen wie Hell oder David Vunk, die immer wieder Italo-Nummern in ihren Sets spielen. © imago images / Shotshop
Von Gesine Kühne · 25.01.2021
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Das Genre Italo Disco stammt aus den 80ern – und polarisiert bis heute. Seit 2018 erlebt es in der Clubszene ein Revival. Doch dass das so lange dauern würde, hätte niemand gedacht. Dabei spielt auch die Pandemie eine Rolle.
Italo Disco – eine Spielart der elektronischen Musik, die vermutlich jeder Mensch, der in den 80ern Musik gehört hat, kennt: scheppernde Synthesizerklänge, darauf singen dünne Stimmchen kitschige Texte. Kein Geniestreich, sondern Plastikmusik zum Tanzen, ein Sound, mit dem damals quasi Geld gedruckt wird.

Zeitreise per Drumcomputer

Die Produzenten Kendal Mulla aus Frankreich, Alberto Iovine vom italienischen Duo Modular Project und Benjamin Fröhlich aus Deutschland benennen die Maschinen, die für die typischen Italo Sounds verantwortlich sind: Alle drei produzieren heute elektronische Musik unter anderem eben mit den Original-Drum-Computern "Roland TR 707" und "Linn Drum" aus den 80er-Jahren.
Und das, obwohl die Musiker den Italo Disco von damals nicht miterlebt haben. Benjamin Fröhlich war noch sehr jung, die anderen beiden nicht mal geboren. Alberto Iovine ist 18, als er Italo Disco entdeckt, durchs Auflegen ist er darauf gestoßen. Der Franzose Kendal Mulla wird von seiner Familie durch Filme an die Achtziger herangeführt. Der 30-jährige Kendal Mulla erzählt, dass er Italo Disco weit vor dem jetzigen Hype gemocht und aufgelegt hat.
Der Italo-Trend von heute beginnt so gegen Ende 2018. Mit DJ-Größen wie Hell oder David Vunk, die immer wieder Italo-Nummern in ihren Sets spielen. Es sei schon immer eine wichtige Musikrichtung gewesen, weil sie die Entwicklung von House und Techno mit beeinflusst habe, erzählen Vunk und Hell in der Dokumentation "Italo Disco Legacy".
Clubmusikalisch ist 2018 das ewig lange Mäandern des sogenannten Minimalsounds so richtig vorbei, die Produktionen klingen wieder voller, haben technoiden Wumms, nur fehle eine Komponente, sagt Benjamin Fröhlich:
"Ich glaube auch, dass die Leute sich freuen, wenn man so ein bisschen Mitsingen kann im Club."

Einfache Strukturen und große Gefühle

Die DJs setzen fortan auf Musik aus den 80ern in den Clubs, Produzentinnen und Produzenten nehmen die Sounds in ihre Produktionen auf. So wie die Italiener von Modular Project.
"Als ich mit Alex Modular Project gegründet habe, haben wir angefangen mit alten Synthesizern und alten Drum-Machines Musik zu machen. Unsere Musik hat 80er-Einflüsse, ist aber kein richtiger Italo Disco, eher Dark Wave, Dark Disco. Aber es erinnert auch immer an Italo Disco", sagt Alberto Iovine.
Es sind die einfachen Strukturen einer Produktion, die den jungen Produzenten so gefallen. Keine ausgetüftelten Melodien und dennoch ganz große Gefühle möglich, erklärt Kendal Mulla:
"Und das versuche ich, mit meiner Musik zu schaffen. Italo ist ein gutes Spielfeld, um schöne Erinnerungen zu erzeugen. Zum Beispiel mein Stück 'Intakto' ist eine Hommage an die 80er-Jahre und die dazugehörige Ästhetik."

Sehnsucht nach unbeschwerten Zeiten

Von Palmen gesäumte Straßen, schöne Autos und pastellfarbene Klamotten. Das Klischee eines Urlaubs im Süden: Kendal versucht mit seiner Musik, dieses kitschige Bild davon zu erzeugen. Ein Bild, das sich aktuell selbst der größte Technofan gern vorstellt.
"Es hat was Positives mit der ganzen Cheesiness, aber es hat auch was Lebensbejahendes!", so Benjamin Fröhlich.
Alberto Iovine findet es beeindruckend, wie beliebt Italo gerade ist, weiß aber auch, dass dieser Moment von Fröhlichkeit durch die übertriebene Leichtigkeit von Italo Disco besser fürs Gemüt ist als düsterer Techno.
Und genau aus diesem Grund hat sich der Hype von 2018, der 2019 zum Trend wurde, bis heute gerettet. Der Gedanke an unbeschwerte Zeiten am Strand oder auch Mitsingen im Club ist gerade bitter nötig. Und so lange für die Pandemie kein Ende in Sicht ist, ist auch das Aus des Italo Revivals auf unbestimmte Zeit verschoben.
(abr)
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