Ein Jahr Rechtsregierung in Italien

Der Kulturkampf der Giorgia Meloni

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Postfaschistin nimmt regelmäßig Einfluss auf Kultur und Medien. © picture alliance / Consolidated News Photos / Rod Lamkey - CNP
04.10.2023
Es ist nicht die erste italienische Regierung, die Personalpolitik an Kunst- und Kulturinstitutionen betreibt. Doch ein Jahr nach ihrem Machtantritt ist die Rechtskoalition von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Kultursektor besonders aktiv.
Seit einem Jahr ist Giorgia Meloni Italiens Premierministerin. Es gab große Befürchtungen, dass sie den Kulturbetrieb umbaut, Stellen umbesetzt und ihre postfaschistische Politik auch im Kulturbereich durchsetzt.
„Ich hatte ein Vorurteil“, urteilte der italienische Filmregisseur Nanni Moretti, „jetzt ist das Urteil schlimmer als das Vorurteil“. Auffällig ist, dass Meloni in der Kulturpolitik weniger moderat auftritt als etwa international in der Außen- und Sicherheitspolitik.

Wie greift die Regierung Meloni in den Kultursektor ein?

Angefangen hat es mit dem Umbau des Senders RAI, der allerdings schon immer ein verlängerter Arm der jeweiligen Regierung war. Jede Regierung habe versucht, an den entscheidenden Schaltstellen unter anderem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ihre Leute unterzubringen, sagt die Journalistin Petra Reski, die seit vielen Jahren in Venedig lebt, im Dlf Kultur. Dies gelte nicht nur für die RAI, sondern auch für Museen.
Petra Reski
Die Journalistin Petra Reski lebt seit vielen Jahren in Venedig.© picture alliance / Jens Kalaene / Jens Kalaene
Auch zwei deutsche Personalien sind in den Schlagzeilen: Eike Schmidt als Direktor der Uffizien und Cecilie Hollberg als Direktorin der Galleria dell’Accademia in Florenz, weil beide demnächst aufhören.
In Eike Schmidts Fall wird spekuliert, dass er für die rechte Regierungspartei Fratelli d’Italia als Bürgermeister von Florenz kandidieren könnte. Schmidt hat dies bisher weder bestätigt, noch dementiert.
In eine bekannte Filmhochschule will die Regierung Meloni ebenfalls hineinregieren. Gleiches gilt für Opernhäuser. Auch hier ist dies nicht unüblich: Aber Meloni und ihr Kulturminister Gennaro Sangiuliano installieren immer wieder unerfahrene Parteifreunde auf wichtigen Kulturstellen und erlassen Gesetze, um ihre Personalpolitik durchzusetzen.
Auch Melonis Koalitionspartner, die rechte Lega, mischt mit. Sie fordert etwa die Entlassung des Direktors des Ägyptischen Museums in Turin, Christian Greco, weil dieser der Lega zu „links“ ist. Teilweise verkürzt die Regierung die Amtszeiten von führenden Verantwortlichen in Kulturinstitutionen einfach.

Warum sind Kunst und Kultur so wichtig für die Rechtsregierung?

„Das ist im Grunde für sie die einfachste Art, ihre Anhänger bei der Stange zu halten“, sagt Petra Reski. Denn andere Fixpunkte, für die Meloni gewählt wurde, habe sie bisher nicht umsetzen könne – etwa in der Migrationspolitik, erklärt die Journalistin. Und weiter:
„Die Kulturpolitik ist die leichteste Möglichkeit, um die identitäre Ausrichtung, die ja sehr wichtig für die Rechten ist, zu bestätigen. Das kostet dich im Grunde nichts.“ Die Regierung müsse einfach nur ein paar Direktoren ersetzen und Propaganda verbreiten, so ihre Einschätzung.
Ein Jahr nach ihrem Wahlsieg hat Giorgia Meloni Ende September eingeräumt, in der Migrationspolitik weniger erreicht zu haben, als erhofft. Sie sagte in der RAI: "Wir haben hart gearbeitet, aber die Ergebnisse sind nicht das, was wir uns erhofft hatten." Das Problem sei "sehr komplex", sagte Meloni. In der EU gibt es seit Jahren Streit über die Migrationspolitik. Aktuell ringen die EU-Staaten um neue Asylregeln.

Welchen Kulturbegriff hat die Regierung Meloni?

Meloni und ihre Mitstreiter haben immer wieder kritisiert, dass die Kultur bisher von links dominiert worden sei. Der angebliche Einfluss der „Linken“ regt sie auf. Dagegen gehen sie an verschiedenen Stellen vor, um ihre Meinung, ihr Narrativ, wie sie sich das Leben und die Welt vorstellen, durchzusetzen.
Kulturminister Sangiuliano sei ein Ex-Journalist, der sich zuvor nicht als Experte für Kultur hervorgetan oder für sie engagiert habe, erklärt Petra Reski. „Das Bild, was jetzt geschaffen werden soll, ist das der heiligen italienischen Familie.“
Auch Meloni wolle das Narrativ der Mutter und der Christin verfestigen. In der rechten Propaganda werde eine „Fabel erzählt“, als würden sich alle Italiener danach sehnen, eine „heilige Familie“ zu gründen.

Welche Rolle spielt die faschistische Vergangenheit Italiens?

Bis heute würden die beiden faschistischen Jahrzehnte in Italien vernachlässigt – auch in der Forschung und in der Geschichtsdidaktik, sagt die Journalistin Petra Reski. Das Verdrängen von 20 Jahren Faschismus spiegele sich bis heute in italienischen Schulbüchern wider.
Die Zeit des Zweiten Weltkriegs werde reduziert auf die zwei Jahre der deutschen Besatzung. Die Bösen seien eigentlich nur die Deutschen gewesen, so Reski, und die Italiener diejenigen, die „in etwas hineingeraten sind“.
Giorgia Meloni kommt aus der postfaschistischen Jugendbewegung. Eine klare Verurteilung des Faschismus gibt es von ihr bis heute nicht.

tei, Elisabeth Pongratz, Petra Reski, Jörg Seisselberg
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