Ist die Demokratie ein Auslaufmodell?

Der indiskrete Charme der Autokratie

Der russische Präsident Wladimir Putin.
Von einer liberalen Demokratie nach westlichem Vorbild hält Präsident Putin wenig. © imago/ITAR-TASS
Moderation: Annette Riedel · 12.01.2018
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs glaubten viele, dass es nur noch ein konkurrenzlos erfolgreiches Staatsmodell gäbe – das der liberalen Demokratie westlichen Typs. Doch dann das: Die "gelenkte Demokratie", nationalkonservatives Gedankengut und autokratisch Regierende haben Zulauf.
Diese autokratischen Regierenden verzeichnen Erfolge bei Wahlen, ihr Einfluss auf das internationale Geschehen wächst.
Beispiele gibt es viele: Donald Trump im Weißen Haus. Der russische Präsident Putin, fest im Sattel, wie es scheint. Ungarn und Polen auf dem Weg in eine "defekte" Demokratie. Der türkische Präsident mit kaum noch eingeschränkter Macht. Nationalkonservative, die in Wien mitregieren. Gleichzeitig kann China sein wirtschaftliches, aber auch sein politisches und kulturelles Gewicht zunehmend geltend machen. In Afrika, Lateinamerika, in Europa, namentlich in Osteuropa.

Freiheitliche Demokratie muss sich immer wieder wehren

Die Diskutierende sind sich darin einig, dass die freiheitliche Demokratie als Erfolgskonzept zwar nicht ausgedient hat. Doch sie fällt keineswegs sozusagen "naturgemäß vom Himmel". Vielmehr muss sie sich in der Auseinandersetzung mit konkurrierenden politischen Systemen bewehren und zwar in dem, was die Menschen von Politik vor allem erwarten: dass sie ihnen bei der Lösung ihrer Alltagsprobleme hilft.
Der Politikwissenschaftler und Ost-Asien-Experte Eberhard Sandschneider beobachtet, dass die westlichen Demokratien seit der Finanzkrise 2007 und im Zuge der enormen Beschleunigung durch den technologischen Wandel scheinbar unter "großen Druck" geraten seien. Sie hätten sich in Zeiten "unglaublicher Verunsicherungen" der "autoritären Herausforderung" zu stellen.

Enttäuschungen und Überraschungen

Die Politikerin der Grünen und Mitgründerin des neuen Think Tanks "Zentrum Liberale Moderne", Marieluise Beck, glaubt, dass in den letzten Jahren manche Hoffnungen, die viele mit "westlichem" Leben verbunden haben, enttäuscht worden sind. Die anfängliche Euphorie, mit der sich viele Menschen nach dem Fall der Mauer in ihren Ländern freiheitliche Demokratien wünschten, sei verflogen. Vor diesem Hintergrund fänden autokratische Regime verstärkt einen Resonanzboden.
Die Erfolge von autoritären Politikansätzen hingen auch mit den Misserfolgen und Schwächen der liberalen Demokratien zusammen. So hätten diese unter anderem nicht verhindern können, dass "obszöne Ungleichheiten zwischen Arm und Reich" entstehen konnten. Diesen Standpunkt vertritt Bernd Ulrich, Politikchef und stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Zeit".
Die Autokratie sei nicht per se "charmant", meint der Journalist und Russland-Kenner Thomas Franke. Vielmehr seien die Menschen vielerorts überfordert bei der Suche nach "Ordnung, Sicherheit und Berechenbarkeit ihrer Lebensverhältnisse". Da könnten Autokraten ansetzen und ihre Stärken ausspielen.
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