Zeitenwende Ukraine-Krieg

Ist der Pazifismus am Ende?

90:37 Minuten
Demonstranten halten vor einem Kaufhaus ein Transparent mit der Aufschrift "Frieden schaffen ohne Waffen" hoch
Ostermarsch 2022 in Chemnitz: "Frieden schaffen ohne Waffen". Wie zeitgemäß ist die klassische Losung des Pazifismus? © Imago / HärtelPRESS
Moderation: Gisela Steinhauer · 16.04.2022
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Seit mehr als 60 Jahren demonstrieren die Menschen an Ostern gegen Krieg und Aufrüstung. Hat die Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“ angesichts des Ukraine-Krieges ausgedient? Oder ist sie wichtiger denn je?
An diesem Wochenende werden wieder viele Menschen bei den Ostermärschen demonstrieren – gegen Krieg und für den Frieden. Aber hat die Losung „Frieden schaffen ohne Waffen“ nicht ausgedient angesichts des russischen Angriffskriegs? Ist ein Frieden welcher Art auch immer letztlich nur mit Waffenlieferungen – auch schwerer Waffen – an die Ukrainer zu erreichen? Wie stark sollte sich Deutschland dabei engagieren?

„Es wirkt eskalierend, wenn man über Waffenlieferungen redet“

„Man muss die Verhandlungen vom Frieden her denken, nicht vom Krieg“, sagt Dr. Ute Finckh-Krämer. Die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete aus Berlin ist überzeugte Pazifistin und Vorstandsmitglied der „Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“, einem Netzwerk friedenspolitischer Initiativen. Den Pazifismus sieht sie längst nicht am Ende: „Der Pazifismus ist über 2000 Jahre alt. Er hat sich immer wieder während oder nach einem Krieg aktiviert.“
Sie spricht sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. „Ich sehe es im Grunde als verantwortungslos. Ich habe von denen, die immer mehr Waffen fordern, noch kein Wort gehört, was das zum Frieden beitragen kann. Ja, man kann Zeit gewinnen, aber der Preis ist hoch.“ Jetzt gehe es darum, zu deeskalieren. „Da halte ich im Augenblick Olaf Scholz für klüger als Annalena Baerbock. Es wirkt eskalierend, wenn man über Waffenlieferungen redet.“

Zeitenwende Ukraine-Krieg: Ist der Pazifismus am Ende?
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer am 16. April von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit der Friedensaktivistin Ute Finckh-Krämer und dem Militärhistoriker Sönke Neitzel. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de.

Ihre Überzeugung: „Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um auszuloten, ob zumindest ein Waffenstillstand zustande kommen könnte. Und wie der beobachtet werden kann, ob durch die OSZE oder durch Blauhelme.“ Und es gehe darum, diejenigen in der Ukraine – und auch in Russland – zu unterstützen, die sich der Kriegslogik verweigern.

„Die Deutschen sind Weltmeister im Reden und Zwerge im Handeln“

„Es gibt ein Recht auf Selbstverteidigung. Und wenn wir sehen, dass die Ukraine angegriffen wird, können wir nicht sagen: `Viel Glück´– und zuschauen“, sagt Prof. Dr. Sönke Neitzel. An der Universität Potsdam hat er den einzigen Lehrstuhl für Militärgeschichte in Deutschland inne.

Die Ablehnung von Waffenexporten in der aktuellen Situation hält er „für geradezu naiv, mitunter auch für zynisch. Krieg ist für andere ein Mittel der Politik.“ Das müsse man auch hierzulande zur Kenntnis nehmen. „Der Krieg war nie weg, nur viele wollten das nicht wahrhaben.“ Am 24. Februar seien die Deutschen hart auf dem Boden der Realität aufgeschlagen. „Es ist auch völlig illusorisch, dass wir uns da raushalten können. Die Deutschen sind Weltmeister im Reden und Zwerge im Handeln.“
Eine Verhandlungslösung, wie sie die Friedensaktivisten erhoffen, sei gegenwärtig unrealistisch, so Neitzel. Putins Ziel sei das Ende der Ukraine als selbständiger Staat. „Putin hat die Eskalationsdominanz, die er ausreizen wird. Ob wir das wollen oder nicht, wird es in diesem Krieg ein militärisches Ergebnis geben. Es wird deshalb keine schnelle diplomatische Lösung geben.“
(sus)

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