Issing: Bundesbank soll weiter Banken beaufsichtigen
Der ehemalige Chefvolkswirt der Bundesbank, Otmar Issing, hat sich gegen Pläne des Finanzministeriums ausgesprochen, nach denen die Bundesbank die Bankenaufsicht verlieren soll. Die Kontrolle der Banken erfordere eine unabhängige Institution, betonte Issing. In Deutschland sei die Bankenaufsicht in den vergangenen Jahrzehnten eine wichtige Aufgabe der deutschen Zentralbank gewesen.
Hanns Ostermann: Wie das häufiger der Fall ist bei Erfolgsgeschichten: Der Start verlief alles andere als reibungslos und einfach. An welchem Standort soll die Deutsche Bundesbank ihren Sitz haben? Diese Frage sorgte zum Teil sogar für diplomatische Verwicklungen. Bundeskanzler Konrad Adenauer plädierte seinerzeit, wer will es ihm verdenken, für Köln. Auch Hamburg war im Gespräch. Am Ende setzten sich die Alliierten mit Frankfurt am Main durch.
Hier nahmen die Währungshüter am 1. August 1957 ihre Arbeit auf, also heute vor 50 Jahren. Über eine deutsche Erfolgsgeschichte und die heutigen Probleme reden wollen wir im Deutschlandradio Kultur mit Professor Otmar Issing. Er war Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank und anschließend auch der Europäischen Zentralbank. Guten Morgen, Herr Issing.
Otmar Issing: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Kann man sagen, ohne die Bundesbank hätte es das deutsche Wirtschaftswunder nicht gegeben?
Issing: Ich denke, diese Aussage ist zutreffend. Die Vorgängerin der Deutschen Bundesbank, die Bank Deutscher Länder, wurde bekanntlich zum 1. März 1948 errichtet. Das war die Voraussetzung für die Durchführung der Währungsreform vom 21. Juni 1948. Ohne eine stabile D-Mark wären die Wirtschaftsreformen Ludwig Erhards nicht mit diesem Erfolg begleitet gewesen, wie wir das dann anschließend, in Westdeutschland jedenfalls, erleben durften.
Ostermann: Die Deutsche Bundesbank genoss dann später auch international einen glänzenden Ruf. Woran lag es, dass sie eine der wichtigsten Notenbanken der Welt wurde? Unter anderem an der stabilen D-Mark?
Issing: Im Grunde nur an der stabilen D-Mark. Nicht viele Beobachter in der Welt und wenige Deutsche hatten nach zwei Inflationen in einer Generation darauf gehofft, wieder in den Genuss einer stabilen Währung zu kommen. Die D-Mark hat ihnen diese Stabilität gebracht und die Bundesbank war für den Erfolg verantwortlich. Mit diesem Erfolg, mit der D-Mark als einer der stabilsten Währungen in der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, ist die Modellrolle der Bundesbank deutlich geworden. Ich habe das am eigenen Leib erlebt, wenn man, wo immer in der Welt man hinkam, angeben konnte „ich komme von der Deutschen Bundesbank“, war man augenblicklich geachtet.
Ostermann: Durch die Einführung des Euro rückte die Bundesbank ins zweite Glied, auch wenn sie natürlich ein wichtiger Teil eines jetzt größeren Systems ist. Trotzdem, was ihre Unabhängigkeit betrifft: Es gibt einen Referentenentwurf aus dem Haus des Finanzministeriums, nach dem die Bundesbank die Kontrolle über die Banken verlieren soll, die Aufsichtsstruktur soll modernisiert werden. Aber würde das nicht zwangsläufig auch eine größere politische Einflussnahme bedeuten?
Issing: Ich denke, man muss sorgfältig trennen. Die Unabhängigkeit der Bundesbank und in erster Linie jetzt die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, bezieht sich auf die Durchführung der Geldpolitik. Die Bankenaufsicht ist, in Deutschland jedenfalls, eine wichtige Aufgabe der Bundesbank in all den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Für eine ordnungsgemäße Durchführung bedarf es einer unabhängigen Institution. Ich denke, das bisherige System, die Arbeitsteilung zwischen der Bundesbank und dem Bundesaufsichtsamt, hat sich bewährt und sollte nicht angetastet werden.
Ostermann: Es gibt auch andere Begehrlichkeiten, Herr Issing, wenn Nicolas Sarkozy, der neue französische Präsident, die EZB enger in die europäische Finanz- und Wirtschaftspolitik einbeziehen möchte. Ist das nicht auch ein Beispiel dafür, und das ist ja nicht neu, dass sich die Politik hier mit den Währungshütern beschäftigt und sie sozusagen in Anführungsstrichen „ködern möchte“.
Issing: Ja, dieser Versuch wird ins Leere gehen. Die EZB, die Europäische Zentralbank, der Rat ist bei seinen Entscheidungen unabhängig. Er wird sich von Einflüssen der Politik fernhalten. Er wird ihnen widerstehen. Ganz davon abgesehen, dass es nach dem Vertrag ja verboten ist, dass die Politik solche Versuche überhaupt unternimmt.
Ostermann: Gut, Papier ist geduldig. Das sehen wir bei Nicolas Sarkozy und das sehen wir beim Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium.
Issing: Ja, aber wenn der französische Präsident feststellen wird, dass seine, nennen wir es einmal Attacken ins Leere gehen, dann wird er, er ist schließlich ein kluger Mann, das in Zukunft sein lassen. Denn es schadet ja seinem Ansehen, wenn er Attacken reitet, die zu nichts führen.
Ostermann: Zurück zur Bundesbank: Nach der Einführung des Euro hat sie sich überlebt, wie manche behaupten. Worin bestehen ihre künftigen Aufgaben?
Issing: Ihre Aufgaben liegen seit der Einführung des Euro zunächst einmal und vor allem darin, die einheitliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank durchzuführen. Zu dieser Durchführung bedarf es der Mitwirkung der nationalen Notenbanken. Die übrigen Aufgaben der Bundesbank sind alles andere als kleiner Natur. Die Bankenaufsicht haben Sie bereits genannt. Das ist eine wichtige Aufgabe, die bleibt, die in nationaler Verantwortung liegt. Auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs wie der Versorgung mit Bargeld liegen ebenfalls wichtige Aufgaben einer nationalen Notenbank hier in Deutschland, eben der Deutschen Bundesbank.
Ostermann: Von Deutschland und Europa vielleicht zur großen weiten Welt: Weltweit hat sich ein großes Risikopotential aufgebaut, haben Sie selbst einmal gesagt. Worin besteht das genau?
Issing: Es liegt vor allem in den anhaltenden Ungleichgewichten der Leistungsbilanzen großer Player der globalen Wirtschaftspolitik. An erster Stelle ist hier das anhaltend hohe Leistungsbilanzdefizit der USA zu nennen. Auf der Gegenseite die hohen Überschüsse Chinas. China, das ja in den letzten Jahren in geradezu atemberaubender Weise Devisenreserven angehäuft hat, inzwischen über 1,3 Billionen Dollar. Japan steht nicht so weit dahinter. Das sind Entwicklungen, die so nicht weitergehen können und nach Korrektur verlangen.
Ostermann: Nach einer Korrektur, die wie aussehen könnte?
Issing: Die so aussieht, dass alle, die an diesem globalen Ungleichgewicht beteiligt sind, ihren Beitrag leisten. Und dazu gehört sicher in erster Linie eine stärkere Aufwertung der chinesischen Währung und des japanischen Yen.
Hier nahmen die Währungshüter am 1. August 1957 ihre Arbeit auf, also heute vor 50 Jahren. Über eine deutsche Erfolgsgeschichte und die heutigen Probleme reden wollen wir im Deutschlandradio Kultur mit Professor Otmar Issing. Er war Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank und anschließend auch der Europäischen Zentralbank. Guten Morgen, Herr Issing.
Otmar Issing: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Kann man sagen, ohne die Bundesbank hätte es das deutsche Wirtschaftswunder nicht gegeben?
Issing: Ich denke, diese Aussage ist zutreffend. Die Vorgängerin der Deutschen Bundesbank, die Bank Deutscher Länder, wurde bekanntlich zum 1. März 1948 errichtet. Das war die Voraussetzung für die Durchführung der Währungsreform vom 21. Juni 1948. Ohne eine stabile D-Mark wären die Wirtschaftsreformen Ludwig Erhards nicht mit diesem Erfolg begleitet gewesen, wie wir das dann anschließend, in Westdeutschland jedenfalls, erleben durften.
Ostermann: Die Deutsche Bundesbank genoss dann später auch international einen glänzenden Ruf. Woran lag es, dass sie eine der wichtigsten Notenbanken der Welt wurde? Unter anderem an der stabilen D-Mark?
Issing: Im Grunde nur an der stabilen D-Mark. Nicht viele Beobachter in der Welt und wenige Deutsche hatten nach zwei Inflationen in einer Generation darauf gehofft, wieder in den Genuss einer stabilen Währung zu kommen. Die D-Mark hat ihnen diese Stabilität gebracht und die Bundesbank war für den Erfolg verantwortlich. Mit diesem Erfolg, mit der D-Mark als einer der stabilsten Währungen in der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, ist die Modellrolle der Bundesbank deutlich geworden. Ich habe das am eigenen Leib erlebt, wenn man, wo immer in der Welt man hinkam, angeben konnte „ich komme von der Deutschen Bundesbank“, war man augenblicklich geachtet.
Ostermann: Durch die Einführung des Euro rückte die Bundesbank ins zweite Glied, auch wenn sie natürlich ein wichtiger Teil eines jetzt größeren Systems ist. Trotzdem, was ihre Unabhängigkeit betrifft: Es gibt einen Referentenentwurf aus dem Haus des Finanzministeriums, nach dem die Bundesbank die Kontrolle über die Banken verlieren soll, die Aufsichtsstruktur soll modernisiert werden. Aber würde das nicht zwangsläufig auch eine größere politische Einflussnahme bedeuten?
Issing: Ich denke, man muss sorgfältig trennen. Die Unabhängigkeit der Bundesbank und in erster Linie jetzt die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, bezieht sich auf die Durchführung der Geldpolitik. Die Bankenaufsicht ist, in Deutschland jedenfalls, eine wichtige Aufgabe der Bundesbank in all den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Für eine ordnungsgemäße Durchführung bedarf es einer unabhängigen Institution. Ich denke, das bisherige System, die Arbeitsteilung zwischen der Bundesbank und dem Bundesaufsichtsamt, hat sich bewährt und sollte nicht angetastet werden.
Ostermann: Es gibt auch andere Begehrlichkeiten, Herr Issing, wenn Nicolas Sarkozy, der neue französische Präsident, die EZB enger in die europäische Finanz- und Wirtschaftspolitik einbeziehen möchte. Ist das nicht auch ein Beispiel dafür, und das ist ja nicht neu, dass sich die Politik hier mit den Währungshütern beschäftigt und sie sozusagen in Anführungsstrichen „ködern möchte“.
Issing: Ja, dieser Versuch wird ins Leere gehen. Die EZB, die Europäische Zentralbank, der Rat ist bei seinen Entscheidungen unabhängig. Er wird sich von Einflüssen der Politik fernhalten. Er wird ihnen widerstehen. Ganz davon abgesehen, dass es nach dem Vertrag ja verboten ist, dass die Politik solche Versuche überhaupt unternimmt.
Ostermann: Gut, Papier ist geduldig. Das sehen wir bei Nicolas Sarkozy und das sehen wir beim Referentenentwurf aus dem Bundesfinanzministerium.
Issing: Ja, aber wenn der französische Präsident feststellen wird, dass seine, nennen wir es einmal Attacken ins Leere gehen, dann wird er, er ist schließlich ein kluger Mann, das in Zukunft sein lassen. Denn es schadet ja seinem Ansehen, wenn er Attacken reitet, die zu nichts führen.
Ostermann: Zurück zur Bundesbank: Nach der Einführung des Euro hat sie sich überlebt, wie manche behaupten. Worin bestehen ihre künftigen Aufgaben?
Issing: Ihre Aufgaben liegen seit der Einführung des Euro zunächst einmal und vor allem darin, die einheitliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank durchzuführen. Zu dieser Durchführung bedarf es der Mitwirkung der nationalen Notenbanken. Die übrigen Aufgaben der Bundesbank sind alles andere als kleiner Natur. Die Bankenaufsicht haben Sie bereits genannt. Das ist eine wichtige Aufgabe, die bleibt, die in nationaler Verantwortung liegt. Auf dem Gebiet des Zahlungsverkehrs wie der Versorgung mit Bargeld liegen ebenfalls wichtige Aufgaben einer nationalen Notenbank hier in Deutschland, eben der Deutschen Bundesbank.
Ostermann: Von Deutschland und Europa vielleicht zur großen weiten Welt: Weltweit hat sich ein großes Risikopotential aufgebaut, haben Sie selbst einmal gesagt. Worin besteht das genau?
Issing: Es liegt vor allem in den anhaltenden Ungleichgewichten der Leistungsbilanzen großer Player der globalen Wirtschaftspolitik. An erster Stelle ist hier das anhaltend hohe Leistungsbilanzdefizit der USA zu nennen. Auf der Gegenseite die hohen Überschüsse Chinas. China, das ja in den letzten Jahren in geradezu atemberaubender Weise Devisenreserven angehäuft hat, inzwischen über 1,3 Billionen Dollar. Japan steht nicht so weit dahinter. Das sind Entwicklungen, die so nicht weitergehen können und nach Korrektur verlangen.
Ostermann: Nach einer Korrektur, die wie aussehen könnte?
Issing: Die so aussieht, dass alle, die an diesem globalen Ungleichgewicht beteiligt sind, ihren Beitrag leisten. Und dazu gehört sicher in erster Linie eine stärkere Aufwertung der chinesischen Währung und des japanischen Yen.