Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali

Freiheit und Demokratie statt Dogmatismus und Gewalt

Die Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali
Die Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali © picture alliance / dpa / epa Olivier Hoslet
Von Christiane Habermalz · 20.04.2015
Der Islam sei keine Religion des Friedens, behauptet die Politikwissenschaftlerin Ayaan Hirsi Ali und verweist auf den Islamischen Staat und Boko Haram. In ihrem Buch "Reformiert Euch!" fordert sie: Die grundlegenden Konzepte der Religion müssen geändert werden.
Ayaan Hirsi Ali kommt im schwarzen Kostüm und auf High Heels, und sie strahlt Ruhe aus und Stolz. Sie ist nicht nur eine ausnehmend schöne Frau. Der somalische Stamm, zu dem sie gehört, hat viele weltberühmte Models hervorgebracht. Die Politikwissenschaftlerin, die derzeit in Harvard lehrt, ist auch die vielleicht meistgehasste Islamkritikerin der islamischen Welt. Seit Jahren lebt sie mit Todesdrohungen. Auch jetzt ist sie mit drei Bodyguards unterwegs, jeder Journalist muss sich strengsten Sicherheitskontrollen unterziehen: Taschenkontrolle, Metalldetektor wie am Flughafen. Dabei ist es nur eine Buchvorstellung. "Reformiert Euch! - Warum der Islam sich ändern muss" heißt der Titel, den Hirsi Ali heute in Deutschland präsentiert. Und sie nimmt selbst Bezug zu den Sicherheitsvorkehrungen, in einem Satz, der sitzt.
"Vielleicht ist es die größte Tragödie der westlichen Welt, dass das Recht der freien Meinungsäußerung kein selbstverständliches Grundrecht mehr ist, sondern dass es ein Privileg derjenigen ist, die über bewaffneten Personenschutz verfügen."
Buchvorstellung in Berlin
Es sind solche Sätze, die den Westen eigentlich ins Mark treffen müssten, weil sie ihm sein Scheitern bei der Verteidigung der eigenen Werte vor Augen führt. Wer, egal wo auf der Welt, auch im Herzen Berlins, eine kritische Debatte über den Islam führen möchte, und etwa die Unfehlbarkeit Mohammeds oder die wörtliche Auslegung des Koran infrage stellt, muss um sein Leben fürchten.
Hirsi Ali jedenfalls will sich nicht einschüchtern lassen, das machte sie heute deutlich. Und ihr Mut nötigt Respekt ab. Oft ist sie mit ihrer Kritik über das Ziel hinaus geschossen, hat auch enge Weggefährten vergrätzt mit Sätzen wie "Der Islam ist grundlegend faschistisch" oder Mohammed sei ein "Perverser", weil er ein sechsjähriges Mädchen zur Frau genommen habe.
Ihr neues Buch ist klar differenzierter als ihre früheren Schriften und Auftritte. Zwei zentrale Thesen vertritt sie darin, beide nicht ganz neu: Der islamistische Terror, Gewaltakte wie die Entführungen durch Boko Haram oder das Attentat auf Charlie Hebdo seien keine extremistischen Auswüchse des Islam, sondern im Islam selbst angelegt. Der Islam, sagt sie, sei keine Religion des Friedens.
Nicht der Islam, sondern die Muslime gehören zu Deutschland
"Kanzlerin Angela Merkel hat vor kurzem wiederholt, was schon der frühere Bundespräsident Christian Wulff gesagt hatte: Der Islam gehöre zu Deutschland. Damit hat sie gerade die falsche Seite gestützt. Juden und Muslime gehören natürlich zu Deutschland. Aber der Islam ist eine Vorstellungswelt, die dringend reformiert werden muss. Es ist eine Ideologie, die nicht zu einer wirklich freien und offenen Gesellschaft passt - solange sie nicht reformiert ist."
Ali benennt fünf grundlegende Konzepte des Islam, die reformiert werden müssten und die heute jeder Moslem auf der Welt lernt: die Unfehlbarkeit Mohammeds und die wörtliche Auslegung des Korans, die Vorstellung, dass das Leben nach dem Tod wichtiger ist als das Leben davor, die Scharia als Grundlage der islamischen Rechtslehre und Praxis, das Privileg von Gelehrten und Imamen, zu bestimmen, was Recht ist und was verwerflich, und schließlich die Notwendigkeit des Dschihad.
Ihre Forderung verknüpft sie mit scharfer Kritik an vielen westlichen Politikern und Liberalen. Es sei wenig hilfreich, wenn nach jedem islamistischen Terrorakt gebetsmühlenartig wiederholt würde, dass diese Gewaltakte nichts mit dem Islam zu tun hätten. Damit würden gerade jene muslimischen Verbände und Organisationen in ihrer Weigerung unterstützt, sich mit den antimodernen Orthodoxien ihres Glaubens auseinanderzusetzen. Das Gegenteil sei der Fall: Die Mörder des IS und von Boko Haram, schreibt sie, zitieren in ihren blutigen Videos regelmäßig Sätze, die jeder andere Muslim als sakrosankt betrachtet.
"Wir müssen aufhören, uns der Selbstzensur hinzugeben. Wir dürfen die Deutung nicht dieser 'Brigade zur Verteidigung der Ehre des Islam' überlassen, wie sie der amerikanischen Islamkritiker Asra Nomani genannt hat - dem Versuch islamischer Organisationen, jede Debatte über den Islam im Keim zu ersticken."
Die Utopie: eine friedliche Religion
Auch wenn das, was Ayaan HIrsi Ali heute gesagt hat, vermutlich erst einmal wieder ausreichen wird für weitere 100 Jahre Fatwa - fast milde wirkt sie gegenüber alten Tagen. Sie sei nicht gegen die Religion, respektiere auch gläubige Muslime, versichert sie mehrfach. Mancher Journalist im Saal wirkt ungläubig, fast enttäuscht. Was sie denn von der Pegida halte, wird sie gefragt, sie, die früher schon mal Verständnis geäußert hat für rechtspopulistische Überfremdungsängste. Über die Pegida wisse sie zu wenig, antwortet sie, aber antisemitische, fremdenfeindliche und homophobe Äußerungen seien ihr suspekt.
Was denn bleibe, am Ende, vom Islam, wenn die benannten fünf Konzepte keine Gültigkeit mehr hätten, fragt ein anderer. Eine friedliche Religion, antwortet Ali. Optimistisch, dass eine Reform des Islam möglich sei, stimme sie der Arabische Frühling, der habe gezeigt, dass es viele Menschen gäbe, die große Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit und Demokratie hätten. Und letztlich würden es auch die vielen Flüchtlinge zeigen, die vor dem Islamischen Staat in den Westen fliehen würden. Reformationen aber dauern, das habe die Geschichte des Christentums gezeigt. Viele Generationen. Aber irgendwo, sagt sie selbstbewusst, müsse man ja mal anfangen.
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