Islamkonferenz: Berliner Innensenator kritisiert Suspendierung des Islamrats

Ehrhart Körting im Gespräch mit Marcus Pindur · 17.05.2010
Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kritisiert vor Beginn der zweiten Phase der Deutschen Islamkonferenz die Suspendierung des Islamrats von den Gesprächen. Der Dialog müsse mit allen geführt werden, die ausdrücklich Gewalt ablehnen, erklärte Körting.
Marcus Pindur: Die deutsche Islam-Konferenz soll Politik und muslimische Verbände an einen Tisch bringen. Auch wenn diese Verbände in Deutschland nur eine Minderheit der Muslime repräsentieren, hat der damalige Innenminister Schäuble diese Form eines Runden Tisches gewählt, um gegenseitiges Verständnis durch dauernden Dialog zu festigen. Im Vorfeld der heutigen Sitzung der deutschen Islam-Konferenz gab es allerdings mehr Dissonanz als Harmonie. Der Islam-Rat wurde von der Teilnahme suspendiert wegen seiner Verbindung mit der islamistischen Organisation Milli Görüs, gegen die staatsanwaltliche Ermittlungen laufen. Daraufhin zog sich dann auch der Zentralrat der Muslime zurück. Was bleibt jetzt von der Islam-Konferenz? – Wir sind jetzt verbunden mit dem Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD). Guten Morgen, Herr Körting.

Erhart Körting: Guten Morgen, Herr Pindur.

Pindur: Jetzt ist nur noch die Hälfte der 2.500 Moschee-Gemeinden in Deutschland auf der Islam-Konferenz vertreten. Das sagt zumindest Axel Ayyub Köhler, der Vertreter des Zentralrates der Muslime. Ist jetzt die zweite Runde der Islam-Konferenz bereits gescheitert, bevor sie begonnen hat?

Körting: Ich glaube nicht, dass die Islam-Konferenz gescheitert ist. Ich glaube auch, dass wir jetzt nur einen Zwischenschritt haben und dass die Verbände, die jetzt nicht beteiligt sind, bei den nächsten Sitzungen denn doch in irgendeiner Form wieder teilnehmen werden. Es ist ja auch gar nicht anders möglich. Also wenn ich einen Dialog haben will zwischen Muslimen und der Mehrheitsgesellschaft, dann muss ich schon versuchen, alle Muslime einzubinden. Insofern habe ich es für problematisch empfunden, wegen des Ermittlungsverfahrens gegen einige Personen einen ganzen Verband auszuschließen. Ich darf das mal ironisieren: Wir haben auch mit der Deutschen Bank gesprochen, obwohl seinerzeit ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn Ackermann gelaufen ist. Also sollte man auch mit dem Islamrat weiter reden, obwohl ein Ermittlungsverfahren gegen führende Funktionäre läuft. Aber das wird sich im Laufe der Zeit zurechtrütteln, meine ich. Das belastet sicherlich im Anfang das Klima, aber beide Seiten sollten etwas abrüsten.

Pindur: Also Sie halten die Suspendierung des Islamrates, der ja weitgehend identisch ist mit der Organisation Milli Görüs, für nicht gerechtfertigt?

Körting: Ich meine, wir müssen den Dialog mit allen führen, die ausdrücklich Gewalt ablehnen, und dazu gehört eben auch Milli Görüs. Das ist eine Organisation, die hat Brüche zu unserem Verfassungsverständnis, das heißt die wird auch von uns kritisch gesehen, aber solange sie Gewalt ablehnen – und das tut Milli Görüs ganz konkret -, sind sie für mich auch jemand, mit dem man weiter reden kann.

Pindur: Der Zentralrat der Muslime, eine weitere Organisation, hat sich vergangene Woche auch zurückgezogen. Sie wirft Bundesinnenminister de Maizière vor, die Islam-Konferenz sei nur ein unverbindlicher Debattierclub. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Körting: Na gut! Was kann eine Islam-Konferenz auf Bundesebene an tatsächlichen Dingen bewirken? Also da wird geredet über Religionsunterricht – das ist Sache der Länder -, es wird geredet über Ausbildung von Imamen – auch das ist Sache der Hochschulen in den Ländern -, es wird über Geschlechtergerechtigkeit geredet und es soll nach den Vorstellungen des Zentralrats der Muslime auch über Islamofobie geredet werden. Das ist kein Beschlussgremium, insofern ist es ein Dialogforum. Ich glaube, der Vorwurf, dass dort der Dialog geführt wird und nicht mehr, geht auch ins Leere vom Zentralrat der Muslime, weil der Dialog ist Sinn dieses Gremiums und der Dialog soll eben dazu führen, dass auch öffentliches Bewusstsein entsteht. Insofern ist der Dialog schon wichtig.

Pindur: Sie sind Berliner Innensenator. Berlin hat einen großen muslimischen Bevölkerungsanteil. Welche Probleme sehen Sie denn konkret bei sich vor der Tür, Probleme, die im Rahmen der deutschen Islam-Konferenz angegangen werden könnten?

Körting: Ich fange mal mit dem Problem an, was der Zentralrat beschreibt. Wir haben schon gewisse Ängste, die wir in der Bevölkerung wahrnehmen, vor dem Islam. Wir müssen zu einem Verhältnis kommen, dass der Islam als Religion wie andere Religionen selbstverständlich auch von der Bevölkerung wahrgenommen wird und nicht sofort, wenn jemand mit einem Kopftuch herumläuft, weil er meint, das aus einer Religion heraus machen zu müssen, irgendwo die Alarmglocken im Hinterkopf schrillen. Das heißt, wir müssen ein normales Verhältnis zum Islam aufbauen, das ist auch in Berlin erforderlich. Das bedeutet auch Arbeitsgerechtigkeit, das bedeutet eben auch, dass Menschen, die einer anderen Religion oder einer anderen Nationalität angehören – und da kommt das irgendwo mit Integration zusammen -, die gleichen Möglichkeiten haben müssen, einen Arbeitsplatz zu finden, Wohnungen zu finden, oder etwas Ähnliches. Da gibt es in Berlin noch Probleme. Es gibt andererseits auch die Probleme, dass ein Teil der Muslime sich in sich selber zurückzieht, in Hinterhof-Moscheen geht und nicht mit der Mehrheitsgesellschaft kommuniziert. Da müssen beide Seiten aufeinander zugehen. Da sind wir auf dem Weg, auch in Berlin. Wir haben ein eigenes Islam-Forum seit vielen Jahren, das auch ganz erfolgreich den Dialog führt. Aber da bleibt noch eine Menge zu tun, auch auf Bundesebene.

Pindur: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Körting. – Der Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD). Heute beginnt eine weitere Runde der Deutschen Islam-Konferenz in Berlin.
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