Islamisten gegen Militärs

Von Adalbert Siniawski · 24.01.2011
Was Tunesien im Januar 2011 erlebt hat, passierte in ähnlicher Weise 1988 im Nachbarland Algerien. Auf massive Proteste der Bevölkerung folgte eine Öffnung des politischen Systems. Doch der Aufstieg der "Islamistischen Heilsfront" ließ die Armee putschen - mit fatalen Folgen.
Oktober 1988: Die Algerier strömen in Massen auf die Straßen. Sie protestieren gegen Wohnungsnot, Korruption und die hohe Arbeitslosigkeit im Land. Vor allem die Jugendlichen aus den Vorstädten greifen zur Gewalt - es kommt zu schweren Unruhen.

Staatspräsident Chadli Bendjedid gibt dem Druck der Demonstranten schließlich nach und öffnet das System für demokratische Reformen. Seine sozialistische Einheitspartei "Front de Libération Nationale" (FLN) verliert ihr Machtmonopol. 1989 wird eine neue Verfassung verabschiedet, ein Mehrparteiensystem eingeführt und die Einhaltung der Menschenrechte festgeschrieben.

Aus der wirtschaftlichen Misere schlagen die Islamisten Kapital: Sieger der ersten Runde der Parlamentswahlen Ende '91 ist die "Front Islamique du Salut", die Islamische Heilsfront. Die Spitze des algerischen Militärs fürchtet um ihren Einfluss im Staat und putscht: Die Wahl wird ausgesetzt, Präsident Chadli Benjedid zum Rücktritt gezwungen und ein "Hohes Staatskomitee" installiert. Die Führungsriege der Islamischen Heilsfront kommt in Haft, ihre Partei wird verboten.

Eine Handvoll islamistischer Rebellengruppen ruft daraufhin zum bewaffneten Kampf gegen Staatsführung und Sicherheitskräfte auf. Die Anschläge breiten sich über das ganze Land aus. Ab Mitte 1992 versinkt Algerien in einem Bürgerkrieg, in dem mehr als 100.000 Menschen zu Tode kommen.

Interview mit dem in Berlin lebenden algerischen Historiker Radouane Belakhdar über den Umsturz in Tunesien und die politische Situation in Algerien
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