Islamischer Religionsunterricht

Die rheinland-pfälzische Dauerprobe

Islamischen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz gibt es an einigen Schulen der Primar- und Sekundarstufe.
Islamischen Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz gibt es an einigen Schulen der Primar- und Sekundarstufe. © dpa / picture alliance / Frank Rumpenhorst
Von Anke Petermann · 08.11.2018
Seit 14 Jahren gibt es islamischen Religionsunterricht an einigen Schulen in Rheinland-Pfalz. Allerdings nur auf Probe. Eine Ausweitung scheitert an DITIB – einem Moscheeverband, der möglicherweise von dem türkischen Staat beeinflusst wird.
An der Anne-Frank-Realschule plus in Ludwigshafen ist der islamische Religionsunterricht äußerst gefragt, stellt Ömer Acar fest.
"Wir haben in jeder Klassenstufe zwei Islam-Gruppen, das heißt, es gibt eine evangelische und eine katholische Gruppe, aber zwei Islamgruppen in jeder Klassenstufe. Vor allem in Städten wie Ludwigshafen, da ist natürlich die Nachfrage sehr hoch nach dem Islamunterricht."
Genau deshalb ist die von Zuwanderung geprägte Arbeiterstadt das rheinland-pfälzische Modellzentrum für den islamischen Religionsunterricht. Acars Zehntklässler sollen an diesem Tag ein Plakat in Gruppenarbeit erstellen.
"Über den Aufbau des Koran, die Themenschwerpunkte, über die Inhalte und so weiter und so fort."
Die 15-, 16-Jährigen arbeiten interessiert und konzentriert. Dhurata kam neu in die Zehnte, hatte bislang keinen islamischen Reli-Unterricht und besucht auch keine Koranschule. Sie findet aber:
"Es ist schon wichtig, man sollte ja was über die eigene Religion erfahren und mehr wissen."

"Die Religion ist einem halt sehr wichtig"

Şura und Rojin geben ihr Recht:
"Es gibt ja viele Gruppen, die einen sagen so, die anderen sagen so - und man weiß nicht , was ist richtig, was falsch. Deshalb mache ich eher in der Schule mehr mit, weil ich denke, hier ist es richtiger, was wir lernen, und ja - in der Schule werde ich eher aufgeklärt als mit den ganzen verschiedenen Gruppen."
"Die Religion ist einem halt sehr wichtig, das liegt auch an der Erziehung und so."
In seinem Unterricht behandelt Ömer Acar unter anderem das Leben von Mohammed und anderen Propheten wie Moses alias Musa oder Jesus. Zehntklässler wüssten, dass auch Jesus ein Prophet sei, Fünftklässler eher nicht.
"Im Islam oder auf Arabisch heißt Jesus 'Isa', und viele wissen nicht, dass 'Isa' Jesus ist. Und wenn man es ihnen sagt, sagen sie, 'ach o.k., dann ist Jesus auch Moslem'. Dann sage ich, 'nein nicht direkt, es ist ein Prophet Gottes' …"
… und Begründer der christlichen Religion. Ömer Acar kann sich in die Verwirrung seiner Schülerinnen und Schüler gut hineinversetzen. Der gebürtige Ludwigshafener hatte keinen islamischen Religionsunterricht. Und als ihn ein Lehrer in der zehnten Klasse fragte, warum Muslime fasten und das Opferfest feiern, blieb er sprachlos. Er wusste die Antwort nur auf Türkisch, weil er die religiösen Begriffe auf Deutsch nie gelernt hatte. Bei seinen Schülern beobachtet der 28-Jährige:
"Es macht ihnen auch Spaß, über ihre Religion in deutscher Sprache Inhalte zu lernen, das ist wichtig. In der Koranschule lernen sie eher auf Türkisch, oder in ihrer Muttersprache Arabisch, Albanisch, Bosnisch. Die Schüler von uns bringen ja ganz viele unterschiedliche Migrationshintergründe …"
… und Perspektiven ein. Teils aus tief religiösen Familien, teils aus solchen, die einen liberalen Islam leben.
"Das ist ja insgesamt für die Integration und die Kommunikation wichtig, dass man sich über die Inhalte in deutscher Sprache unterhalten kann. Und sie können sich mit anderen darüber austauschen, die Nicht-Muslime sind. Das brauchen wir doch eigentlich auch, um miteinander reden zu können."

Warum diese Argumente auf politischer Ebene immer noch nicht dazu geführt haben, dass es einen landesweiten islamischen Religionsunterricht analog zum evangelischen und katholischen gibt, das verstehen der junge Lehrer und seine Schüler nicht. Der 15-jährige Eren erklärt es sich so:
"Es gibt so viele Verbände, und da es so viele gibt, weiß man nicht, wen man ansprechen soll."

Unterricht bleibt auch in den nächsten Jahren Modellprojekt

Für den islamischen Religionsunterricht in Ludwigshafen hat das Bildungsministerium die örtliche Islamische Frauenbildungsstätte IGRA als verlässlichen Partner gewonnen:
"Das ist richtig, aber wir brauchen halt, um das landesweit anzubieten, einen landesweiten Ansprechpartner",
so Staatssekretär Hans Beckmann von der SPD.
"Und den haben wir nicht, deswegen müssen wir den Weg des Modellprojekts weitergehen mit den lokalen Ansprechpartnern."
Denn die Verhandlungen mit der deutsch-türkischen DITB als größter islamischer Religionsgemeinschaft über einen entsprechenden Rahmenvertrag liegen seit zwei Jahren auf Eis. Die Nähe von DITIB zum türkischen Präsidenten Erdogan schürt das Misstrauen. Der Verdacht: Ankara könnte über die staatsnahen türkischen Mitglieder des reinland-pfälzischen Landesvorstands Inhalte vorgeben, damit auch Lehrer und Unterricht beeinflussen. Ein von der rot-gelb-grünen Koalition beauftragtes Gutachten bestätigt das als mögliche Gefahr. Deshalb fordert der zuständige Wissenschaftsminister Konrad Wolf unter anderem:
"Die Verbände müssen ihre Satzung ändern, wie Vorstände gewählt werden, und am Ende dieses Weges entscheiden wir, ob Vertragsverhandlungen durchgeführt werden können oder nicht."
Eigentlich darf der Staat einer Religionsgemeinschaft gar nicht vorschreiben, wie sie sich zu organisieren hat, das weiß der SPD-Politiker. Doch in diesem speziellen Fall hält es die Ampel-Koalition für erlaubt und geboten, um sicherzustellen, dass DITIB keinen politischen Einfluss ausübt. Der Landesverband Rheinland-Pfalz lässt alle Anfragen von Deutschlandfunk Kultur dazu unbeantwortet.
Inoffiziell lässt ein DITIB-Vorstandsmitglied aber durchblicken, dass ihn die Kritik brüskiert. Denn faktisch bedeutet das: Mit dem neuerlichen Prüfprozess gibt es keine Aussicht, dass der Islamische Religionsunterricht in Rheinland-Pfalz in den kommenden Jahren die Nische des Modellprojekts verlässt.
"Es gibt sehr viele Muslime hier in Deutschland. Wenn die vielleicht die eigene Religion nicht hier in der Schule haben, finde ich das nicht so gut",
bringt es der 15-jährige Ludwigshafener Sefa auf den Punkt. Den Streit um den türkischen Moschee-Verband müssen alle muslimischen Schüler und Lehrer ausbaden, auch wenn sie mit DITIB nichts zu tun haben. Wie man dieses Dilemma lösen kann, da sind die Ludwigshafener Zehntklässler überfragt. Ihr Reli-Unterricht - ein Privileg, denn an den meisten anderen Schulen bleibt der Islamunterricht draußen, beobachten sie. Und finden: Akzeptanz sieht anders aus.
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