Ischinger sieht Verbesserungen im transatlantischen Verhältnis
Der ehemalige deutsche Botschafter in Washington, Wolfgang Ischinger, lobt den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem US-Kongress. Allerdings hätte sie "europäischer" auftreten sollen, meint der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz.
Birgit Kolkmann: Angela Merkel hat gestern Abend in den USA vor dem Kongress ihre Rede gehalten – 52 Jahre nachdem Konrad Adenauer dort seine Rede gehalten hatte. Die Reaktionen auf diese Ansprache, auf diesen historischen Auftritt sind durchweg positiv. Und ich fragte den Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz und ehemaligen deutschen Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger, wie er den Auftritt von Angela Merkel bewertet.
Wolfgang Ischinger: Also ich denke, die Bundeskanzlerin hat genau den richtigen Ton getroffen. Sie hat vor allen Dingen Danke gesagt. Das ist es, was in Amerika natürlich besonders gut ankommt. Das ist ja auch nicht falsch, denn dieses Danke ist, so wie die Kanzlerin das formuliert hat, ja ein Danke, das von Herzen kommt, das das letzte halbe Jahrhundert einschließt, das hat man in Washington auch erwartet, und ich glaube, das ist sehr schön so und das ist gut angekommen. Sie hat allerdings – und das finde ich mindestens genauso gut wie das Danke – auch Erwartungen formuliert. Und ich denke, das transatlantische Verhältnis ist heute in einer Phase angekommen, in der es ganz, ganz falsch wäre, wenn europäische Politik immer nur reagiert sozusagen auf Weisungen, auf Vorgaben aus Washington. Die Kanzlerin hat etwa bei dem Thema Protektionismus, etwa beim Thema Klima ihre, nämlich europäischen, Erwartungen klar formuliert, auch wenn das möglicherweise nicht jedem im Saal ausnahmslos gleichermaßen gefällt. Das ist das, was eine erwachsen gewordene Beziehung über den Atlantik hinweg eigentlich ausmacht. Und darüber freue ich mich sehr.
Kolkmann: Würden Sie sagen, dass es für Präsident Obama auch durchaus wichtig ist, dass da so ein Zugpferd von der anderen Seite des Atlantiks zum Beispiel in Sachen Klima auftritt und den Menschen in den USA, den Politikern ins Gewissen redet?
Ischinger: Also ich denke, von der Symbolik des Auftritts her ja, ich würde es in der politischen, in der tatsächlichen operativen Wirkung nicht überschätzen wollen. Diejenigen, die etwa auf der republikanischen Seite von diesen klimapolitischen Forderungen der eigenen Regierung nichts halten, die werden sich nicht durch Vorschläge aus Europa von ihrer Linie abbringen lassen. Also man darf die Wirkung nicht überschätzen. Aber dass man in Washington inzwischen fähig ist, solche Ratschläge, solche Empfehlungen, solche Erwartungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und darüber zu diskutieren, das ist ein Fortschritt, das war nicht immer so. Ich habe mir die alte Rede von Konrad Adenauer gestern noch einmal durchgesehen, und mir fällt dabei eines besonders auf: Die Bundeskanzlerin hat zum Thema Europa nur einige wenige Worte über den jetzt anstehenden Vertrag von Lissabon, das neue Europa gefunden. Der damalige Bundeskanzler Adenauer hat aber in beiden Reden damals etwas gesagt – darf ich einen Satz hier ganz kurz zitieren?
Kolkmann: Bitte, Herr Ischinger!
Ischinger: "Zum Ruhme der Weitblickenden unter unseren Verfassungsgebern können wir heute feststellen" – ich zitiere Adenauer – "dass unser Grundgesetz bereits eine Bestimmung vorgesehen hat, die Übertragungen von Souveränität durch einfaches Gesetz gestattet." Das war ein großer Entschluss, er bedeutete nicht weniger als eine Absage an den für die zersplitterte europäische Staatenwelt nicht mehr zeitgemäßen Gedanken, dass der Nationalstaat die letzte und höchste Größe des politischen Lebens sei.
Kolkmann: Setzen wir da gleich noch mal an, Herr Ischinger. Die USA haben ja immer bedauert, dass Europa nicht so sehr mit einer Stimme spricht, dass man da keinen einheitlichen Ansprechpartner hat. Ist Angela Merkel, auch in Ermangelung von anderen Schwergewichten – ich denke nur daran, wie ernst man Berlusconi nehmen kann oder auch Gordon Brown, ich glaube nicht zu sehr – eine ganze wichtige Gesprächspartnerin für die USA in Europa?
Ischinger: Sie ist sicher heute unter den europäischen Staatsführern, Regierungschefs diejenige mit dem größten Renommee. Sie ist gerade wiedergewählt worden, sie hat keine Skandale wie diejenigen, die es in Italien gibt, sie steht nicht vor einer möglicherweise desaströsen Wahl, wie das Gordon Brown in London wohl bevorsteht. Also natürlich hat sie großes Gewicht. Aber wissen Sie, Europa wird in Washington erst dann wirklich ernst genommen, wenn Europa in Washington auch als Europa auftritt. Und das wäre mein einziger Kritikpunkt an unserem Gesamtauftreten und auch an diesem Auftritt der Bundeskanzlerin, dass es viel Deutschland ist und nicht genug Europa. Die USA nehmen uns erst dann ernst, wenn wir es ernst mit Europa meinen. Es wird der Tag kommen, in wenigen Monaten, wenn dieser Vertrag von Lissabon ratifiziert sein wird, dann werden wir ja sehen, ob die europäischen Staatsmänner – nicht nur die deutschen, sondern auch andere – imstande sind, im Rahmen dieses neuen Vertrags sich bei ihren Besuchen in Washington zum Beispiel nicht nur von ihrem nationalen Botschafter begleiten zu lassen, sondern vom Botschafter der Europäischen Union, den die Europäische Union dann in Washington hat. Das wird das Zeichen sein, ob man es ernst meint und ob man in Washington als eine Einheit von 500 Millionen Menschen wirklich ernst genommen werden möchte.
Kolkmann: Der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz und ehemalige deutsche Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger. Danke für das Gespräch!
Ischinger: Ja, auf Wiederhören!
Wolfgang Ischinger: Also ich denke, die Bundeskanzlerin hat genau den richtigen Ton getroffen. Sie hat vor allen Dingen Danke gesagt. Das ist es, was in Amerika natürlich besonders gut ankommt. Das ist ja auch nicht falsch, denn dieses Danke ist, so wie die Kanzlerin das formuliert hat, ja ein Danke, das von Herzen kommt, das das letzte halbe Jahrhundert einschließt, das hat man in Washington auch erwartet, und ich glaube, das ist sehr schön so und das ist gut angekommen. Sie hat allerdings – und das finde ich mindestens genauso gut wie das Danke – auch Erwartungen formuliert. Und ich denke, das transatlantische Verhältnis ist heute in einer Phase angekommen, in der es ganz, ganz falsch wäre, wenn europäische Politik immer nur reagiert sozusagen auf Weisungen, auf Vorgaben aus Washington. Die Kanzlerin hat etwa bei dem Thema Protektionismus, etwa beim Thema Klima ihre, nämlich europäischen, Erwartungen klar formuliert, auch wenn das möglicherweise nicht jedem im Saal ausnahmslos gleichermaßen gefällt. Das ist das, was eine erwachsen gewordene Beziehung über den Atlantik hinweg eigentlich ausmacht. Und darüber freue ich mich sehr.
Kolkmann: Würden Sie sagen, dass es für Präsident Obama auch durchaus wichtig ist, dass da so ein Zugpferd von der anderen Seite des Atlantiks zum Beispiel in Sachen Klima auftritt und den Menschen in den USA, den Politikern ins Gewissen redet?
Ischinger: Also ich denke, von der Symbolik des Auftritts her ja, ich würde es in der politischen, in der tatsächlichen operativen Wirkung nicht überschätzen wollen. Diejenigen, die etwa auf der republikanischen Seite von diesen klimapolitischen Forderungen der eigenen Regierung nichts halten, die werden sich nicht durch Vorschläge aus Europa von ihrer Linie abbringen lassen. Also man darf die Wirkung nicht überschätzen. Aber dass man in Washington inzwischen fähig ist, solche Ratschläge, solche Empfehlungen, solche Erwartungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen und darüber zu diskutieren, das ist ein Fortschritt, das war nicht immer so. Ich habe mir die alte Rede von Konrad Adenauer gestern noch einmal durchgesehen, und mir fällt dabei eines besonders auf: Die Bundeskanzlerin hat zum Thema Europa nur einige wenige Worte über den jetzt anstehenden Vertrag von Lissabon, das neue Europa gefunden. Der damalige Bundeskanzler Adenauer hat aber in beiden Reden damals etwas gesagt – darf ich einen Satz hier ganz kurz zitieren?
Kolkmann: Bitte, Herr Ischinger!
Ischinger: "Zum Ruhme der Weitblickenden unter unseren Verfassungsgebern können wir heute feststellen" – ich zitiere Adenauer – "dass unser Grundgesetz bereits eine Bestimmung vorgesehen hat, die Übertragungen von Souveränität durch einfaches Gesetz gestattet." Das war ein großer Entschluss, er bedeutete nicht weniger als eine Absage an den für die zersplitterte europäische Staatenwelt nicht mehr zeitgemäßen Gedanken, dass der Nationalstaat die letzte und höchste Größe des politischen Lebens sei.
Kolkmann: Setzen wir da gleich noch mal an, Herr Ischinger. Die USA haben ja immer bedauert, dass Europa nicht so sehr mit einer Stimme spricht, dass man da keinen einheitlichen Ansprechpartner hat. Ist Angela Merkel, auch in Ermangelung von anderen Schwergewichten – ich denke nur daran, wie ernst man Berlusconi nehmen kann oder auch Gordon Brown, ich glaube nicht zu sehr – eine ganze wichtige Gesprächspartnerin für die USA in Europa?
Ischinger: Sie ist sicher heute unter den europäischen Staatsführern, Regierungschefs diejenige mit dem größten Renommee. Sie ist gerade wiedergewählt worden, sie hat keine Skandale wie diejenigen, die es in Italien gibt, sie steht nicht vor einer möglicherweise desaströsen Wahl, wie das Gordon Brown in London wohl bevorsteht. Also natürlich hat sie großes Gewicht. Aber wissen Sie, Europa wird in Washington erst dann wirklich ernst genommen, wenn Europa in Washington auch als Europa auftritt. Und das wäre mein einziger Kritikpunkt an unserem Gesamtauftreten und auch an diesem Auftritt der Bundeskanzlerin, dass es viel Deutschland ist und nicht genug Europa. Die USA nehmen uns erst dann ernst, wenn wir es ernst mit Europa meinen. Es wird der Tag kommen, in wenigen Monaten, wenn dieser Vertrag von Lissabon ratifiziert sein wird, dann werden wir ja sehen, ob die europäischen Staatsmänner – nicht nur die deutschen, sondern auch andere – imstande sind, im Rahmen dieses neuen Vertrags sich bei ihren Besuchen in Washington zum Beispiel nicht nur von ihrem nationalen Botschafter begleiten zu lassen, sondern vom Botschafter der Europäischen Union, den die Europäische Union dann in Washington hat. Das wird das Zeichen sein, ob man es ernst meint und ob man in Washington als eine Einheit von 500 Millionen Menschen wirklich ernst genommen werden möchte.
Kolkmann: Der Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz und ehemalige deutsche Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger. Danke für das Gespräch!
Ischinger: Ja, auf Wiederhören!