Isabelle Faust und Fabio Luisi in Kopenhagen

Elfentanz und Berggewitter

Die Geigerin mit kurzem Haar hält ihr Instrument halb schräg an ihr Kinn.
Isabelle Faust spielt auf der Stradivari, die den verträumten Namen "Dornröschen" trägt. © Isabelle Faust / Felix Broede
Moderation: Volker Michael · 24.11.2020
Während Richard Strauss mit seiner Alpensinfonie eine gewaltige Kinowanderung in Musik hinlegte, feierte Mendelssohn im Violinkonzert den leichten Elfenklang. Beides kombinierten Isabelle Faust und Fabio Luisi beim Nationalen Dänischen Symphonie-Orchester.
In Kopenhagen erklingt nach wie vor Musik live im Konzertsaal. Menschen hören zu. Und wieder bieten wir Ihnen in dieser Sendung eine aktuelle Aufnahme aus der dänischen Hauptstadt.
In diesem Fall ist es ein vollständiges Musikprogramm. Am 5. November haben im Konzerthaus von Danmarks Radio der Chefdirigent Fabio Luisi und die Berliner Geigerin Isabelle Faust mit dem Dänischen Nationalen Symphonie-Orchester gespielt. Zwei Werke standen auf dem Programm – und die könnten kontrastreicher nicht sein.

Kontraste zwischen Elfenmusik und Bergromantik

Im zweiten Teil gibt es die Alpensinfonie von Richard Strauss, großes Kino für die Ohren. Im ersten Teil ist das e-Moll-Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy zu hören, feine und ergreifende Musik mit einer Art Elfentanz als Schlusssatz. Populäre Musik also aus zwei Jahrhunderten, die Musik des einen Komponisten durfte nicht gespielt werden, als der andere hoch im Kurs stand, zwischen 1933 und 1945 in Deutschland.
Fabio Luisi dirigiert
Fabio Luisi dirigiert© dpa / picture alliance / Vit Simanek
Felix Mendelssohn Bartholdy hat über die lange Zeit von acht Jahren am Violinkonzert gearbeitet. Der Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorchester Ferdinand David war der Empfänger für viele neue geigerische Ideen gewesen.
Der Dirigent der Uraufführung 1845 hieß Niels Wilhelm Gade. Ein dänischer Schüler Mendelssohns – eine wichtige Information im Rahmen einer Sendung mit einer Aufnahme aus Kopenhagen. Das e-Moll-Violinkonzert fällt mit gewichtigem thematischen Material quasi direkt ins Haus, indem die Solistin sofort auftritt. Eine Einleitung oder ein Vorspiel gibt es nicht.
Es wurde eines der meistgespielten Violinkonzerte weltweit und ist es bis heute geblieben. Auch die Musikpolitik der Deutschen Nazis konnte daran nichts ändern, die ja die Werke Mendelssohn Bartholdys quasi verboten hatten. Und die versucht hatten, statt seines Geigenkonzerts das bis dato unbekannte Konzert von Robert Schumann im Konzertleben durchzusetzen.

Große Klangpalette

Die Alpensinfonie von Richard Strauss – das sei ein Werk mit existentialistischen Zügen, meinte einmal der Dirigent Stephane Denève im Deutschlandfunk Kultur. Eine knappe Stunde dauert die Wanderung durchs Alpengebirge, das von Dänemark vielleicht etwas weit entfernt zu sein scheint.
Der Komponist hält viele herausfordernde Passagen fürs Orchester bereit. Und zaubert wie immer prächtige, aber auch bestechend filigrane Klangfarben. Und nicht zuletzt mitten hinein ins Leben will uns der Künstler entführen, mit allen seinen Gefahren und Abwegen. In Kopenhagen war Fabio Luisi der Orchesterleiter. Er ist seit drei Jahren Chefdirigent des Dänischen Nationalen Symphonie-Orchesters. Im Dänischen Rundfunk beschrieb er seine Sicht auf die alpinen Berggipfel in diesem Werk:
"Die schönsten und wichtigsten Abschnitte sind nicht die lautesten. Es sind die intimen. Tatsächlich ist es so, wenn wir auf dem Berggipfel ankommen - das ist ein großartiger Moment, ja, aber es ist auch ein Moment des Innehaltens. Wir sind allein in der spektakulären Natur. Hier zeigt sich seine Meisterschaft. Er sucht nicht nur mit Effekten zu beeindrucken. Er geht ganz tief in die menschlichen Gefühle."

Die Wanderung des Antichrist

Fabio Luisi wird als sehr Strauss-erfahrener Dirigent mit dem Dänischen Orchester zu erleben sein. Als Operndirigent weiß er um die dramatischen Abläufe der rein instrumentalen Musik des bayerischen Komponisten Richard Strauss. Der hatte wohl eine sehr idealisierte Vorstellung vom Lebenslauf, den er mit seiner Alpensinfonie beschreiben wollte.
"Ich will meine Alpensymphonie: den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur." Soweit Richard Strauss im Wortlaut.

Krieg ausgeblendet

Die Anbetung der herrlichen Natur war um diese Zeit – in den Jahren des 1. Weltkrieges - eigentlich kein Thema mehr, nicht einmal in der Musik, die den anderen Künsten ja immer ein bisschen hinterherhinkt. Draußen starben die jungen Menschen in den Schützengräben, als Strauss seine Alpensymphonie vollendete. Er beschäftigte sich nicht mit Krieg und Gewalt, Verbrechen und Sinnlosigkeit des Sterbens, sondern mit seinem eigenen Künstlerleben und seinen Erlebnissen aus der Jugendzeit.
Konzerthaus von Danmarks Radio, Kopenhagen
Aufzeichnung vom 5. November 2020
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Richard Strauss
"Eine Alpensinfonie", Sinfonische Dichtung op. 64

Isabelle Faust, Violine
Dänisches Nationales Sinfonieorchester
Leitung: Fabio Luisi

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