Irvine Welsh: "Die Hosen der Toten"

Die hängengebliebenen Männer aus "Trainspotting"

05:14 Minuten
Ewan Mcgregor als Renton, Jonny Lee Miller als Sickboy Edinburgh
Ewan McGregor als Renton und Jonny Lee Miller als Sickboy Edinburgh im Kultfilm "Trainspotting". © imago stock&people
Von Sebastian Dörfler · 26.02.2020
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"Trainspotting" ist ein Kultfilm der 90er-Jahre. Nach dessen Erfolg hat der schottische Schriftsteller Irvine Welsh den Stoff immer wieder weitergesponnen. Jetzt ist der letzte Teil der Reihe erschienen.
Mal geschockt, mal amüsiert völlig überforderten Männern beim Scheitern zuschauen – das könnte man als das Kernmotiv der "Trainspotting"-Reihe bezeichnen. Der schottische Schriftsteller Irvine Welsh hat das Buch 1993 geschrieben, verfilmt hat es der Regisseur Danny Boyle 1996 – und damit einen der prägendsten Filmer der 90er-Jahre geschaffen. Mit den Exzessen aus Drogen, Rausch und Gewalt hat der Film den Zeitgeist und die gefühlte Sinnlosigkeit der Generation X eingefangen.
All das vor dem Hintergrund des Niedergangs der britischen Arbeiterklasse und des Siegeszugs des Neoliberalismus. Der letzte Teil "Die Hosen der Toten" beschließt so auch eine Erzählung von Männern, die mit dem Ende der körperlichen Lohnarbeit in Bergbau und Industrie und dem Fehlen einer klaren Perspektive nicht sonderlich gut klargekommen sind. Doch für Welsh scheint dieses gesellschaftliche Panorama eher eine Art Tapete zu sein, vor der er ein Spiel aufführt.

Zwischen Suchen und Ankommen

Von den Jungs von damals hat es scheinbar nur einer geschafft. Zwar der, dem man es am wenigsten zugetraut hätte: Franco Begbie, im Film war er der Kneipenschläger mit dem Schnauzer. Er hat aufgehört zu trinken, ist jetzt Künstler und lebt glücklich mit seiner Familie in Kalifornien. Er scheint irgendwo angekommen zu sein, während die anderen noch auf der Suche sind.
Die anderen, das sind Mark Renton, im Film gespielt von Ewan McGregor, die Hauptfigur von Trainspotting, der immer so ein bisschen der Vernünftigste zu sein scheint. Dann ist das noch "Sickboy", der blonde Schönling und frauenfeindlichste Typ von allen. Sein Baby ist im ersten "Trainspotting"-Film gestorben und er daraufhin emotional noch kaputter geworden. Dann gibt es noch Spud, das ist der dünne Tollpatschige und Verlorene, der auch in diesem letzten Teil am meisten zu leiden hat.

Abziehbilder einer Jugend

Es geht Welsh also weniger um das große Ganze, sondern vielmehr um die Frage, was im Kleinen schief läuft: Mark zum Beispiel, der seine Freunde immer wieder verraten hat, will jetzt seine Schuld begleichen - und macht dadurch alles nur noch schlimmer.
Spud ist auf Drogen hängen geblieben und landet irgendwie im Organhandel. Einmal muss er im Zug aufs Klo und lässt seinen kleinen Hund alleine mit seiner organischen Fracht im Abteil sitzen. Katastrophe! Sickboy gibt seinem Schwager ein paar Drogen und dann geht der fremd. All diese kleinen, scheinbar falschen Entscheidungen manövrieren diese Männer um die 45 Jahre routiniert ins Desaster.

Das Fehlen tiefer Beziehungen

Den Weg dahin versucht Welsh, wie in den anderen Büchern auch, durch verschiedene Erzählperspektiven abwechslungsreich zu beschreiben. Aber dafür gibt es zu wenig gedankliche oder sprachliche Unterschiede zwischen diesen vier Herren: Alle reden in einem emotional sehr dürftigen Trashtalk und wirken dabei manchmal wie Abziehbilder ihrer eigenen Jugend. Frauen sind für alle nur Objekte der Bedürfnisbefriedigung.
Diese Männer haben es nie geschafft, irgendeine Verbindung zueinanderzufinden, die über Drogenrausch und Fußball hinausgeht. Fast jede ihrer Entscheidung, die nicht in die sicheren Bahnen von Heirat und Familie führt, bestraft Welsh mit einem Katastrophenszenario. Jetzt könnte man sagen, so ist das Leben. Aber für das Ende einer Popkultur-Saga ist das zu wenig.

Irvine Welsh: "Die Hosen der Toten"
Heyne Verlag, München 2020
480 Seiten, 22 Euro

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