Irrungen der Wissenschaft

Wie Vermehrung und Weitergabe genetischer Informationen funktioniert, begreifen die Wissenschaftler erst heute so langsam. Doch bereits seit mehr als 2000 Jahren machen sich Forscher Gedanken über den Ursprung des Lebens. Ihre Theorien wirken heute eher amüsant, doch Rudolf Hausmanns Kurzporträts machen den Wandel in den Naturvorstellungen deutlich.
Woher kommt neues Leben? Wie bewerkstelligen Tiere und Pflanzen ihre eigene Vermehrung? Warum sind Kinder ihren Eltern ähnlich - und tragen dennoch individuelle Züge? Diese Fragen beschäftigen die Menschheit seit Jahrtausenden. Schon in der griechischen Antike gab es Naturphilosophen, die durch Beobachtung und Theoriebildung dem Geheimnis des Lebens auf die Spur kommen wollten. Zweitausend Jahre später wurde die molekulare Struktur genetischer Informationen entschlüsselt. Dazwischen spannen sich Jahrhunderte intensiver Forschung und Debatten. Mit ihnen befasst sich ein neues Buch aus dem Primus Verlag, "Die Entdeckung des Lebens. Wege und Irrwege großer Forscher", geschrieben von dem Genetiker Rudolf Hausmann.

In fünfzig kurzen Porträts lässt der Autor Revue passieren, was Naturbeobachter im Laufe der Jahrhunderte an Theorien über die Fortpflanzung zusammentrugen - angefangen rund 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung bei dem griechischen Philosophen Thales, der als Begründer der Wissenschaft überhaupt gilt, bis hin zu zur Entdeckung der DNA-Doppelhelix im 20. Jahrhundert durch Francis Crick und James Watson.

Der trickreiche Aufbau des Erbguts war vormaligen Forschergenerationen unbekannt - so konnten sie nur irren. Ihre teils absurden Vorstellungen machen einen großen Teil des Lesevergnügens aus: Der griechische Anatom Galen - über Jahrhunderte dominierten seine Lehren die arabische und abendländische Medizin - war fest der Meinung, Föten auf der rechten Seite des Uterus würden männlich, die anderen weiblich. Der niederländische Naturforscher Antoni van Leeuwenhoek sah "Spermatierchen" durchs Mikroskop, darin komplette Menschlein mit Kopf, Armen und Beinen.

Sympathisch ist die frauenfreundliche Feder des Autors: Immer wieder benennt er die bewusste Entwertung von Frauen - wie die Theorie des Aristoteles, wonach allein der männliche Samen Gestaltungseinfluss auf das werdende Leben haben sollte. Aristoteles war ein überaus exakter Beobachter, sagt Rudolf Hausmann: Ihm kann kaum entgangen sein, dass Kinder auch ihren Müttern ähneln und ein männliches Pferd mit einem weiblichen Esel keineswegs Pferde hervorbringt.

Umgekehrt hebt Rudolf Hausmann die wissenschaftlichen Leistungen von Frauen ausdrücklich hervor: So die Entdeckung der "springenden Gene" (Transposons) durch die US-amerikanische Genetikerin Barbara McClintock 1983 mit dem Nobelpreis geehrt. Auch Lynn Margulis, ebenfalls Biologin in den USA, erhält ein Kurzporträt für ihre Arbeiten zur "Endosymbiose": Die Organellen eukaryotischer Zellen waren früher einmal eigenständige Organismen. Dass Lynn Margulis heute der Gaia-Hypothese anhängt, wonach die Erde ein einziger lebender Organismus ist, hält der Autor für eine Dummheit - wie er sich überhaupt mit Werturteilen nicht zurückhält.

Abwechslungsreich, unterhaltsam, persönlich ist das Buch geschrieben; nicht jede Einschätzung des Autors muss man teilen. Der Aufbau verleitet dazu, nach Lust und Laune herumzublättern. Doch dabei ginge der große Bogen des Buches verloren: Nicht kurzweilige Forscherporträts möchte der Autor liefern, sondern den Wandel naturphilosophischer Vorstellungen durch die Jahrhundert hinweg nachzeichnen. Das macht den eigentlichen Wert seines Buches aus.

Rezensiert von Susanne Billig

Rudolf Hausmann: Die Entdeckung des Lebens. Wege und Irrwege großer Forscher
Primus Verlag, Darmstadt 2009
160 Seiten, 19,90 Euro