Ironische Inszenierung

Von Rainer Zerbst · 23.07.2011
Die Oper "Girotondo" von Fabio Vacchis ist ein Stück über Unmoral und den Mangel an wahrer Liebe. In der Staatsoper Stuttgart wird es durch die Regie von Waltraud Lehner eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Den Stoff zu dieser 1982 uraufgeführten Oper lieferte Arthur Schnitzlers Dialogstück "Reigen". Hier geben sich nacheinander Liebende die Hand: Die Dirne liebt den Soldaten, der Soldat verführt ein Stubenmädchen, das Stubenmädchen angelt sich danach einen jungen Herrn und so weiter, bis am Ende der Graf bei der Dirne vom Anfang landet. Ein Stück über Unmoral, über Mangel an wahrer Liebe, das aber noch die Kunstform des Reigens einhält.

Bei Fabio Vacchi ist dieser Kreis durchbrochen, wie Vacchi überhaupt alles durchbricht, durchlöchert, fragwürdig macht. So werden Soldat und Dirne gleich vom jungen Herrn und Stubenmädchen abgelöst. Auch die Dialoge sind fragmentarisiert. Vacchis Libretto verwendet vom Schnitzlerschen Text nur einzelne Sätze. Ähnlich fragmentiert ist die Musik. Die Instrumente - allen voran Geige und Flöten - intonieren zerbrechliche Töne, Flageolettklänge, angestoßene Noten, Melodien tauchen in Fetzen auf, der Hörer meint ständig, ein Zitat oder eine Reminiszenz zu erkennen, ohne sagen zu können, was es wäre.

So zerbricht in Vacchis Oper nicht nur das Ideal der Liebe, sondern auch noch die Möglichkeit einer Kommunikation. Waltraud Lehner inszeniert das hochironisch. Videoeinblendungen weisen den Paaren realistische Szenerien zu - das Wohnzimmer mit Fernsehabend bei Ehepaar, die Kirche beim Dichter. Überblendet werden diese Szenerien von einem Kettenkarussell, in dem die Paare jeweils glücklich sind, im Unterschied zur Bühnenrealität. Dominiert wird das Bühnenbild von einer großen sich drehenden Bank, auf der Figuren auftreten und wieder verschwinden - grandiose Bilder für einen Reigen, der hier nur mehr die ständige Wiederholung des Immergleichen, des Sex ist.

Die deutsche Erstaufführung von Vacchis Oper ist das Ergebnis des diesjährigen Opernstudios der Staatsoper. Hier bekommen junge Gesangsstudenten die Möglichkeit, unter Anleitung der erfahrenen Profis (Regie, Bühnenbild, Technik) und als Partner von Sängern der Staatsoper erste Bühnenerfahrungen zu sammeln, die sie brillant bewältigten, denn Vacchis Oper stellt hohe Anforderungen an die Stimmen. So hat Vacchis Oper, gerade durch die Regie von Waltraud Lehner, eine eindrucksvolle Realisierung erfahren.