Irgendwo im Osten
Immer häufiger schreiben Autoren, die bisher nur für Erwachsene veröffentlicht haben, auch für Kinder oder Jugendliche. Nun hat auch der Schweizer Drehbuchautor und Schriftsteller Rolf Lappert sein erstes Jugendbuch veröffentlicht. "Pampa Blues" heißt es und spielt in der deutschen Provinz.
Der Titel klingt nach Südamerika, doch "Pampa Blues" spielt in der ostdeutschen Provinz, irgendwo in der Pampa eben, in einem verschlafenen Nest namens Wingroden (Anagramm von Nirgendwo). Hier gibt es einen Laden, eine Tankstelle und einen See. Die Landschaft ist ebenso flach wie langweilig. Ben, der 16-jährige Protagonist, Autofan und Mechaniker aus Leidenschaft, träumt vom Aufbruch nach Afrika.
Doch er kann nicht weg, denn sein Vater ist tot, die Mutter tingelt als Jazzsängerin durch Europa, und Ben muss sich um den senilen Großvater kümmern. Bis Maslow, der Visionär, Wingroden zur Pilgerstätte für Ufo-Fans machen will. Ab da überstürzen sich die Ereignisse: ein Ufo taucht auf, ein Mord geschieht, Ben verliebt sich.
Doch "Pampa Blues" ist alles andere als ein Actionroman. Ebenso wichtig wie die Handlung ist die Atmosphäre. In der brütend heißen Ödnis von Meck-Pomm bekommt Ben den Blues. Langeweile grundiert seinen Alltag, er trudelt zwischen dem Zuhause des dementen Großvaters und der Kneipe hin und her. Dann wieder gerät er in hochkomische Szenen mit lauter verrückten Typen: Bauern aus der Umgebung, die stundenlang in der Kneipe oder auf ihrer Terrasse sitzen, wenig reden, viel trinken, jeder ein Unikum für sich. Lappert entwirft Szenen wie in einem melancholisch-ironischen Italo-Western.
Obwohl Ben eigentlich gern schweigt, erzählt er seine Geschichte selbst und überraschend eloquent. Schon der erste Satz "Ich hasse mein Leben" reißt den Leser unmittelbar hinein in seine Welt. Und dann ist er kaum noch zu stoppen, breitet seine Einsamkeit, seine Wut und seine Sehnsüchte aus. Aber so schlagfertig und pointiert, dass beim Leser keinen Augenblick Mitleid oder Traurigkeit aufkommen.
In einem Ton, den man auch aus anderen Lappert-Romanen kennt, redet Ben sich seine Geschichte von der Seele. Lakonisch und charmant, melancholisch und bissig zugleich. Mal rotzig, dann wieder sensibel, nicht cool, sondern klug. Mit einem klaren Blick für Komik (auch für die eigene), mit flotten Sprüchen, voller Wärme für den alten Großvater und in fröhlichen Bildern. "Sein Kopf ist ein altes Radio, in dem die verstaubten Röhren noch einmal aufglühen und auf Empfang gehen" heißt es über den alten Mann. Komik und Tiefsinn liegen hier nah beieinander.
"Pampa Blues" ist eine bittersüße Geschichte über das Erwachsenwerden in der Tradition von Salingers "Fänger im Roggen", vergleichbar mit Wolfgang Herrndorfs erfolgreichem Roman "Tschick". Immer wieder assoziiert man Film-Sequenzen. Das Setting mit den wenigen wuchtigen Figuren vor einer flachen, kargen, hitzeflirrenden Landschaft ist wie aus einem Film.
Die Handlung kommt anfangs leise daher, wird dann aber immer flotter und auch lauter: Schließlich rattern und knattern alle Arten von Motoren durch die Szene: ein Tuk-Tuk, ein Oldtimer, viele Traktoren, schließlich ein Ufo. Die lassen besonders die Jungenherzen höher schlagen. Und Mädchen werden Ben sowieso mögen!
Besprochen von Sylvia Schwab
Rolf Lappert: Pampa Blues
Hanser Verlag, München 2012
256 Seiten, 14,90 Euro
Doch er kann nicht weg, denn sein Vater ist tot, die Mutter tingelt als Jazzsängerin durch Europa, und Ben muss sich um den senilen Großvater kümmern. Bis Maslow, der Visionär, Wingroden zur Pilgerstätte für Ufo-Fans machen will. Ab da überstürzen sich die Ereignisse: ein Ufo taucht auf, ein Mord geschieht, Ben verliebt sich.
Doch "Pampa Blues" ist alles andere als ein Actionroman. Ebenso wichtig wie die Handlung ist die Atmosphäre. In der brütend heißen Ödnis von Meck-Pomm bekommt Ben den Blues. Langeweile grundiert seinen Alltag, er trudelt zwischen dem Zuhause des dementen Großvaters und der Kneipe hin und her. Dann wieder gerät er in hochkomische Szenen mit lauter verrückten Typen: Bauern aus der Umgebung, die stundenlang in der Kneipe oder auf ihrer Terrasse sitzen, wenig reden, viel trinken, jeder ein Unikum für sich. Lappert entwirft Szenen wie in einem melancholisch-ironischen Italo-Western.
Obwohl Ben eigentlich gern schweigt, erzählt er seine Geschichte selbst und überraschend eloquent. Schon der erste Satz "Ich hasse mein Leben" reißt den Leser unmittelbar hinein in seine Welt. Und dann ist er kaum noch zu stoppen, breitet seine Einsamkeit, seine Wut und seine Sehnsüchte aus. Aber so schlagfertig und pointiert, dass beim Leser keinen Augenblick Mitleid oder Traurigkeit aufkommen.
In einem Ton, den man auch aus anderen Lappert-Romanen kennt, redet Ben sich seine Geschichte von der Seele. Lakonisch und charmant, melancholisch und bissig zugleich. Mal rotzig, dann wieder sensibel, nicht cool, sondern klug. Mit einem klaren Blick für Komik (auch für die eigene), mit flotten Sprüchen, voller Wärme für den alten Großvater und in fröhlichen Bildern. "Sein Kopf ist ein altes Radio, in dem die verstaubten Röhren noch einmal aufglühen und auf Empfang gehen" heißt es über den alten Mann. Komik und Tiefsinn liegen hier nah beieinander.
"Pampa Blues" ist eine bittersüße Geschichte über das Erwachsenwerden in der Tradition von Salingers "Fänger im Roggen", vergleichbar mit Wolfgang Herrndorfs erfolgreichem Roman "Tschick". Immer wieder assoziiert man Film-Sequenzen. Das Setting mit den wenigen wuchtigen Figuren vor einer flachen, kargen, hitzeflirrenden Landschaft ist wie aus einem Film.
Die Handlung kommt anfangs leise daher, wird dann aber immer flotter und auch lauter: Schließlich rattern und knattern alle Arten von Motoren durch die Szene: ein Tuk-Tuk, ein Oldtimer, viele Traktoren, schließlich ein Ufo. Die lassen besonders die Jungenherzen höher schlagen. Und Mädchen werden Ben sowieso mögen!
Besprochen von Sylvia Schwab
Rolf Lappert: Pampa Blues
Hanser Verlag, München 2012
256 Seiten, 14,90 Euro