Iranischer Regisseur ruft zur Hilfe für Demonstranten auf

Mohammad Farokhmanesh im Gespräch mit Susanne Führer |
Der iranische Regisseur Mohammad Farokhmanesh hat an die Menschen außerhalb des Irans appelliert, den Demonstranten in seiner Heimat beizustehen. Die Iraner suchten die Unterstützung aus dem Ausland, um neue Motivation zu bekommen und zu spüren, dass sie nicht alleine seien.
Susanne Führer: Immer weniger Menschen wagen sich im Iran auf die Straßen, um gegen das Regime zu protestieren. Kein Wunder, zahlreiche Oppositionelle wurden getötet. Wie viele, das wissen wir nicht. Wir wissen überhaupt immer weniger über die Entwicklung in dem Land, weil die iranische Regierung mit Macht versucht, einen freien Informationsaustausch zu verhindern. Handy und Internet werden immer wieder lahmgelegt, ausländische Journalisten bekommen keine Visa mehr und so weiter. Doch man hat den Eindruck, je mehr die Proteste im Iran selbst abebben, desto mehr engagieren sich die Iraner im Ausland. Zu ihnen gehört auch Mohammad Farokhmanesh – das habe ich jetzt hoffentlich richtig ausgesprochen –, er wurde im Iran geboren, hat dort und in Deutschland Film studiert, heute arbeitet er als Regisseur und lebt in Hamburg. Guten Tag, Herr Farokhmanesh!

Mohammad Farokhmanesh: Guten Tag, Frau Führer!

Führer: Wie leicht oder wie schwer ist es für Sie heute, regelmäßig Kontakt in den Iran zu halten?

Farokhmanesh: Es ist sehr schwieriger geworden, weil meine Familie und meine Freunde, die im Iran leben, können mich kaum jetzt anrufen, jetzt jedenfalls über sogenannte Telefonkarten, die günstiger sind, jedenfalls ins Ausland zu telefonieren, ist nicht mehr möglich. Die Telefonkarten haben sie abgeschaltet, weil man einfach diese Telefonkarten und diese Gespräche nicht kontrollieren kann. Deswegen kann man nur direkt über iranische Telekom telefonieren, was auch sehr teuer ist.

Führer: Das ist teuer, und es kann abgehört werden?

Farokhmanesh: Das kann auch abgehört werden, genau.

Führer: Vor neun Tagen haben Sie hier im Programm ja noch erzählt, alle fünf Minuten würden Sie eigentlich telefonieren oder mailen.

Farokhmanesh: Ja, das war kurz nach der Wahl, oder vor der Wahl war es einfacher, aber jetzt mittlerweile ist das wirklich sehr, sehr, sehr schwieriger geworden. Die Leute, die auch mir Mail geschrieben haben, die haben jetzt auch ein anderes E-Mail-Konto errichtet mit Pseudonamen, damit sie nicht erkannt werden, falls sie im Internet auch kontrolliert werden.

Führer: Gibt es auch Menschen, zu denen Sie den Kontakt ganz verloren haben und um die Sie sich vielleicht große Sorgen machen?

Farokhmanesh: Ja, ein guter Kollege von mir, der in England für den englischsprachigen Raum auch arbeitet als Filmemacher und Journalist, Maziar Bahari, er ist auch ziemlich bekannt in der Szene. Er ist festgenommen worden, und wir wissen überhaupt nicht, wo er ist und ob er überhaupt freigelassen wird oder so. Das ist der Einzige, den ich jetzt gerade vermisse und mir auch sehr viele Sorgen mache um ihn.

Führer: Zu anderen haben Sie, wenn auch seltener, noch Kontakt. Was erfahren Sie von ihnen, Herr Farokhmanesh? Ist die Angst groß? Man hat ja den Eindruck, es geht überhaupt, niemand traut sich oder kaum noch jemand traut sich zu demonstrieren, weil das ja lebensgefährlich geworden ist.

Farokhmanesh: Ja, das ist lebensgefährlicher geworden, weil es auch einfach Schüsse gibt. Also es sind sehr viele Leute auch gestorben. Also man spricht offiziell von mehr als 20 Leuten, aber es gibt Leute auch, bis zu 100 Leute insgesamt im Iran auch davon sprechen, aber die Zahl kann man nicht bestätigen. Also die Angst ist auf jeden Fall da. Die Menschen versuchen … Es gibt hier keine richtige, es gibt hier keinen Leader, niemand, der jetzt sagt, was sollen wir jetzt gerade machen oder was ist das nächste Programm oder so. Die Leute versuchen sich jetzt gerade im Internet so Ideen auszudenken und Ideen zu verbreiten und bekommen auch Punkte. Und die Idee, die am meisten Punkte bekommen hat, sie werden meistens auch umgesetzt. Zum Beispiel …

Führer: Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, um das zu verstehen, also wird sozusagen abgestimmt?

Farokhmanesh: Genau, es wird abgestimmt. Junge Leute, die Ideen im Internet verbreiten, und es wird abgestimmt, welche Idee am besten ist, und das wird auch umgesetzt. Auf solche Ideen sind sie jetzt gerade gekommen, damit es weniger Blut fließt.

Führer: Und was für Aktionen werden da beratschlagt? Also es ist jetzt nicht so, dass die Oppositionsbewegung tot ist?

Farokhmanesh: Nein, überhaupt nicht. Also die organisieren sich immer wieder mal für neue Aktionen natürlich. Auch zum Beispiel am kommenden Freitag wurde vorgeschlagen, dass man jetzt neben Freitagsgebet grüne Luftballons aufkommen lässt in der Luft und dass man jetzt auch versucht, jetzt einfach friedlich dagegen sich zu wehren, ohne dass man erschossen werden könnte. Zum Beispiel also solche einfachen Ideen. Und auch die Iraner im Ausland sind sehr aktiv geworden. Wie gesagt, in den letzten zwei Wochen kann ich kaum mehr arbeiten, weil ich nur Anrufe bekomme von englischen Gruppen, die sich jetzt gerade bilden und irgendwas tun wollen, zum Beispiel heute Abend in Hamburg eine Lichterkette um die Alster.

Führer: Zu der Aktion kommen wir gleich noch. Herr Farokhmanesh, Sie sagen, im Internet wird abgestimmt, aber ich höre doch, dass eigentlich das Internet extrem langsam ist und teilweise sogar ausgeschaltet wird.

Farokhmanesh: Ja, das stimmt, aber es gibt ein kleines Breitband, das ist immer noch da, und die Leute versuchen, mit kleinen Mails und kleine Messages über Twitter und auch Facebook oder so was, ihre Message und ihre Ideen zu verbreiten, sodass das so klein ist, dass immer noch diesen Internetzugang noch gibt. Aber wenn es, glaube ich, so weit kommen sollte, werden sie auch das Internet abschaffen. Wie es dann weitergeht, das weiß ich auch noch nicht so genau.

Führer: Deutschlandradio Kultur, im Gespräch ist der iranische Filmregisseur Mohammad Farokhmanesh. Herr Farokhmanesh, können denn die Iraner im Ausland über diese Internet…, ja, ich weiß auch nicht, -abstimmung oder bei den Seiten Facebook, Twitter irgendwie Hilfe leisten?

Farokhmanesh: Natürlich, die Iraner im Ausland sind auch mit aktiv, die denken auch jetzt gerade sich Aktionen aus. Und das Interessante ist, dass ich zum Beispiel eine Internetseite immer beobachte, was eigentlich los ist. Und das, was ich jetzt mitbekomme, wird am Abend oder am nächsten Tag, wird mir per Mail wieder zurückgeschickt, dass das jetzt diese Idee gibt und dass es in der Stadt oder da und da solche Aktionen gemacht werden. Und das finde ich sehr, sehr interessant.

Führer: Und Sie haben es gerade kurz erwähnt, heute Abend ist eine große Lichterkette geplant in Hamburg, rund um die Alster, aber auch in anderen europäischen Städten – Frankfurt, Paris, London. Heißt das, dass die Iraner im Ausland auch wiederum untereinander vernetzt sind?

Farokhmanesh: Nicht unbedingt sehr gut vernetzt, aber die versuchen, sich jetzt zum ersten Mal in den letzten 30 Jahren richtig zu vernetzen, auch wenn sie unterschiedlicher Meinungen sind oder unterschiedlichen Parteien oder Gruppen angehört haben. Jetzt zum ersten Mal gibt’s eine große Einigung auf jeden Fall unter den Iranern, und die versuchen, sich jetzt gerade per Mail und per Telefon zu kontaktieren. Und es hat auch ganz gut funktioniert. In Hamburg zum Beispiel letzten Samstag waren fast über 4000 Leute auf der Straße, und das war ein sehr großer Erfolg für eine kleine Gemeinde in Deutschland.

Führer: Sie sagen, zum ersten Mal eine Einigung, gibt es da so verschiedene Strömungen sonst, dass man nicht miteinander spricht?

Farokhmanesh: Ja, es war so in den letzten 30 Jahren auch, dass man gesagt hat, ich bin zum Beispiel, ich gehöre zur grünen Partei oder ich gehöre zu den Kommunisten oder was weiß ich was, dass sie einfach kaum miteinander geredet haben. Die haben einfach, sehr viele, meine ich, das noch nicht so richtig gelernt, auch hier Demokratie im Ausland zu üben. Und jetzt ist, glaube ich auch, der Anfang von den Leuten, die im Ausland leben, dass sie einfach Demokratie üben.

Führer: Und diese Aktionen, die Berichte darüber, werden sie sicher wieder zurück in den Iran geben, oder?

Farokhmanesh: Das glaube ich auch, dass das … Die Iraner suchen auch diese Unterstützung von dem Ausland und die Iraner, die im Ausland sind, damit sie auch ein bisschen Motivation bekommen, dass sie nicht alleine sind. Und da schreiben sie auch Mails ins Ausland, bitte helft uns, wir können jetzt gerade nicht so viel tun, jedenfalls nicht auf die Straße gehen.

Führer: Herr Farokhmanesh, wenn wir noch mal in den Iran blicken, da kommen ja zurzeit so etwas widersprüchliche Meldungen. Ich habe gelesen, dass sich der Oppositionsführer Mussawi gestern mit mehreren Parlamentsabgeordneten und auch dem früheren Präsidenten Rafsandschani getroffen haben soll. AP wiederum meldet, dass gestern 70 Hochschul…, also sozusagen, was auf eine Entspannung vielleicht schließen lassen würde, und AP meldet, dass gestern 70 Hochschulprofessoren nach einem Treffen mit Mussawi festgenommen worden sind. Haben Sie irgendwelche Informationen?

Farokhmanesh: Also beide Nachrichten habe ich auch gehört und gelesen. Beide Nachrichten kann ich leider auch nicht bestätigen. Aber ich kann mir die zweite Nachricht, wo die 70 Hochschulprofessoren festgenommen sind, jedenfalls kurzfristig oder auch, kann ich mir gut vorstellen, dass einfach alle Kontakte, die es nicht irgendwie kontrolliert werden kann, zu Mussawi und zu den Oppositionellen immer so unterbrechen wollen und nicht zustande kommen lassen wollen.

Führer: Der Filmregisseur Mohammad Farokhmanesh, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch!

Farokhmanesh: Danke auch!