Iranische Provokation

Von Igal Avidan · 12.12.2005
Die Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Israel nach Deutschland oder Österreich zu verlegen, haben in Israel für Schlagzeilen gesorgt. Doch die Kommentatoren zeigen sich stärker über das iranische Atomprogramm als über die verbalen Attacken besorgt.
Der Vorschlag des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Israel nach Deutschland oder Österreich zu verlegen, hat in den israelischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Ahmadinedschad hatte einen solchen Umzug vorgeschlagen, um damit den Konflikt mit den Palästinensern "an den Wurzeln zu packen", wie er sagte.

Diese Aussagen wurden in allen israelischen Zeitungen zitiert und Stellungnahmen empörter israelischer und ausländischer Politiker hinzugefügt. Israels Kommentatoren beschäftigten sich allerdings weniger mit diesen Äußerungen, vielmehr zeigten sie sich über das iranische Atomprogramm besorgt. Diskutiert wurde die Frage, ob Israel den Iran angreifen solle und könne, und in wie weit entsprechende Äußerungen von Politikern lediglich eine taktische Waffe im Wahlkampf seien. Ende März wählen die Israelis ein neues Parlament.

In der Zeitung "Jedioth Acharonot" schreibt Sever Plotzker, dass Diplomatie die iranische Bombe nicht verhindern werde. "Israel muss daher militärisch vorgehen, denn der Staat kann sich mit einer Atommacht Iran nicht abfinden. Noch nie in der Geschichte gelangte ein Staat, der einen anderen Staat vernichten wollte, in Besitz von Atomwaffen. Das wird auch künftig nicht geschehen", ist sich Plotzker sicher.

In "Haaretz" vermutet Doron Rosenblum, dass israelische Politiker die Wähler durch Sicherheitswarnungen und Kriegsparolen zu gewinnen versuchten. Benjamin Netanjahu kündigte an, er werde den Atomreaktor im Iran bombardieren und Ariel Sharon sagte, Israel könne eine iranische Atombombe nicht dulden. "Sie meinen es nicht ernst", kommentierte Rosenblum, "sondern sie drohen nur mit einem Krieg, um sich wichtig zu machen. Und die Wähler werden immer wieder durch Warnungen vor einem bestehenden Krieg statt mit Friedensvisionen bestochen. Die Kriegstreiber klingen einfach zuverlässiger als die Friedensprediger."

In "Maariv" beklagt Usi Arad, Direktor des Instituts für Strategie am Herzliya Interdisciplinary Center, dass Israel nicht bereits 2002 und 2003 versucht hat, das iranische Atomprogramm zu stoppen. Damals, kurz nach dem 11. September, entwickelten die USA eine passende Strategie gegen den Iran, die Ölpreise waren wesentlich niedriger, Washington war noch nicht im Irak verwickelt und der Iran war von einer nuklearen Option noch weit entfernt.

"Aber Israel delegierte die Aufgabe an den Westen und konzentrierte sich auf die Räumung der Siedlungen", kritisiert Arad. "Die USA wiederum beschlossen, sich mit dem Irak auseinander zu setzen." Der ehemalige Berater des Premiers Netanjahu fordert Israel auf, die Welt gegen das iranische Atomprogramm zu mobilisieren und fragt, ob dies heute nicht zu spät sei.
Wesentlich optimistischer ist Scharons Freund Uri Dan, der in der "Jerusalem Post" daran erinnert, dass Scharon bereits 1981 massiv zur Bombardierung des irakischen Atomreaktors beigetragen habe. Uri Dan schreibt: "Wir können davon ausgehen, dass Scharon weiß, wovon er redet, wenn er sagt, Israel könne eine Atommacht Iran nicht akzeptieren."

Ein Gespräch mit demJournalisten Hendryk M. Broder zum Thema "Wie bedroht fühlen sich die Israelis durch den Iran?" können Sie bis zu acht Wochen nach der Sendung in unserem Audio-On-Demand-Player hören.
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