Iran-Ausstellung in Berlin

Wiederentdeckung eines bedeutenden Kulturlands

05:16 Minuten
In der Ausstellung "Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden" sind verschiedene Objekte in Vitrinen zu sehen.
Die Ausstellung "Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden" ist eine Zusammenarbeit des kleinen Londoner Privatmuseums Sarikhani Collection mit dem Museum für Islamische Kunst Berlin. © Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
Von Simone Reber · 05.12.2021
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Das Gebiet des heutigen Iran war vor einigen Tausend Jahren ein Schmelztiegel und kultureller Motor. Davon zeugt die Ausstellung „Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden“. Dort lassen sich aber auch Dinge für die Jetztzeit lernen.
Vielleicht war es eine Form von Heimweh, jedenfalls war es die Sehnsucht, sich mit der vertrauten Kultur zu verbinden, die zu dieser außergewöhnlichen Sammlung mit Kunst aus dem Iran führte. Die Sarikhani Collection ist in England in einem kleinen Privatmuseum in der Nähe von London beheimatet und arbeitet mit internationalen Museen zusammen, diesmal mit dem Berliner Museum für Islamische Kunst.
Ina Sarikhani Sandmann, Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters mit muslimischen und jüdischen Vorfahren, hat Geschichte und Kunstgeschichte studiert und betreut heute die Familiensammlung.
“Wir sind eine Familie, die nach der Revolution geflohen ist", erzählt sie. "Wir hatten nichts, keine Kunst, kein Geld, gar nichts, außer zwei Koffern.“ Als Familie seien sie seither noch nicht zurückgekehrt, doch: „Es wurde sehr wichtig für uns, die Verbindung wieder herzustellen und Wege zu finden, unsere Liebe zu unserer Kultur auszudrücken. Wir haben vor 20 Jahren angefangen, zu sammeln. Und haben das nie so geplant, aber es ist sehr schnell passiert.“

Die Moderne weggelassen

Ihr Vater hatte in England Erfolg als Finanzberater und begann, erst einzelne Kunstgegenstände aus dem Iran zu kaufen, dann ganze Konvolute. Heute umfasst die Sammlung rund tausend Objekte, etwa 360 sind in der überbordenden Ausstellung auf der Berliner Museumsinsel zu sehen. Die Provenienzen sind fünfmal geprüft, versichert Stefan Weber, der Direktor des Museums für Islamische Kunst. Ihm geht es in der Ausstellung nicht um den Iran in seinen staatlich festgelegten Grenzen.
„Wir haben ganz bewusst die Moderne weggelassen, um zu sagen, wir gehen jetzt nicht nach heute.“ Natürlich sei auch das höchst spannend und da habe der Iran auch sehr viel an kultureller Leistung zu bieten. Aber, so Weber: „Wir wollen den Fokus auf etwas setzen, das wir total vergessen haben, wie eine Amnesia, als hätten wir ein wichtiges Kulturland einfach total vergessen.“

Beliebte Motive Steinbock und Mufflon

Als geografische Region ist der Iran ein Hochland, umgeben von Gebirgszügen. Der Steinbock und das Mufflon sind deshalb beliebte Motive der Goldschmiede. Steinbockköpfe schmücken die beiden Enden der Armreifen. Elam, das erste Großreich auf dem Boden des Iran, gibt den Archäologen bis heute Rätsel auf. Die Keilschrift ist nicht vollständig entziffert.

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Ina Sarikhani Sandmann weist auf eine kleine Statue aus Stein hin. Sie zeigt einen Mann, der seinen Kopf tief zwischen die Schultern duckt. Sein Waffenrock erinnert an die Schuppen eines Drachen, sein Oberkörper ist in Schlangenhaut gehüllt, das Gesicht von einem Axthieb gespalten.
“Wenn man ihn anschaut, sieht man diesen starken, mächtigen, muskulösen Mann, der die Elemente umarmt, die Schlangen und Drachen und die Erde. Und weil man ihn gezähmt sieht, wird man daran erinnert, dass zu dieser Zeit das Göttliche weiblich war. Gott war eine Frau. Und er ist demütig vor ihr.“

Sprachen, Schriften und Götter nebeneinander

Weil der Iran auf den Handelsrouten zwischen Asien, Europa und Afrika liegt, kreuzten die Karawanen schon früh die Region, brachten neue Materialien und Techniken mit. Porzellan zum Beispiel aus China, aber auch eine Rezeptur aus Ägypten, mit der man das Porzellan imitieren konnte. Das Kobaltblau für die Bemalung wurde gleich mitgeliefert.
Sprachen und Schriften bestanden lange nebeneinander. Die Achämeniden verwendeten elamitische, babylonische und altpersische Buchstaben und verehrten alte und neue Götter. Divers würde man das heute nennen.
Blick in die Ausstellung „Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden“, an einer Wand steht die Überschrift "Die Achämeniden", im Vordergrund sind Kunstgegenstände in Vitrinen zu sehen.
Die Achämeniden verwendeten Buchstaben aus unterschiedlichen Schriften und verehrten alte und neue Götter.© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker
"Frauen hatten ihre eigenen Geschäfte“, erklärt Ina Sarikhani Sandmann. „Sie hatten ihren eigenen Haushalt. Sie waren total unabhängig. Als Arbeiterinnen seien sie oft besser bezahlt worden. Wenn eine Frau schwanger wurde, bekam sie eine Gehaltserhöhung.“
Im fünften Jahrhundert vor Christus sei die Admiralin der iranischen Marine eine Frau gewesen. „Wir dürfen nicht unsere heutigen Vorurteile auf die Geschichte projizieren, das wäre langweilig.“

Islamisches Bilderverbot ignoriert

Mit dem Islam wird die Kalligrafie begeistert aufgenommen, das Bilderverbot aber ignoriert. Ein wunderbares Federkästchen gibt sich nach außen harmlos, aufgeklappt lächelt eine spärlich bekleidete Schöne das Publikum an. Ihr Liebster sollte wohl beim Briefeschreiben an sie denken.
Es ist kaum möglich, der Chronologie ohne Vorkenntnisse zu folgen und durch die fünf Jahrtausende zu hasten. Das eigentliche Vergnügen besteht darin, sich in die einzelnen Objekte zu vertiefen. Und sicherlich lockt einige Besucherinnen und Besucher auch die Sehnsucht nach der vertrauten Kultur ins Museum – das Heimweh.

Die Ausstellung "Iran. Kunst und Kultur aus fünf Jahrtausenden" in der James Simon Galerie auf der Berliner Museumsinsel geht noch bis zum 20. März 2022

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