Barbie-Erfinderin Ruth Handler

Die Traumpuppenfrau − geliebt und gehasst

Die US-Unternehmerin Ruth Handler, Erfinderin der Barbie-Puppe, in einer Aufnahme von 1999
Ruth Handler, Erfinderin der Barbie-Puppe, und ihr Geschöpf, in einer Aufnahme von 1999 © epa AFP (Matt Campbell)
Von Beatrix Novy · 04.11.2016
Seit es die Barbiepuppe gibt, erfuhr sie heftige Kritik von allen Seiten: von Feministinnen, Linken genauso wie Konservativen. Die Erfinderin des rosa Traums mit den überlangen Beinen verstand die Aufregung nie so recht. Heute vor 100 Jahren wurde Ruth Handler geboren.
In Deutschland, heißt es, liegt der Bekanntheitsgrad der Barbie-Puppe bei 100 Prozent. Die Strahlkraft ihres Namens stellt sie auf eine Stufe mit anderen US-Ikonen wie Micky Maus oder Coca Cola. Nicht so geläufig ist der Name ihrer Schöpferin: Ruth Handler. Und die hat in ihrem langen Leben wesentlich mehr auf die Beine gestellt als eine Kleiderpuppe.
Ruth Handler, geboren am 4. November 1916 als Ruth Mosko, war das jüngste von zehn Kindern; ein Einwandererkind. Ihre Eltern gehörten zu den mehr als zwei Millionen polnischer Juden, die ihre Heimat auf der Flucht vor immer wiederkehrenden Pogromen verlassen hatten. In Denver kam Vater Mosko bei der Eisenbahn in Arbeit. Eine seiner Töchter betrieb mit ihrem Mann einen Drugstore, in dem Ruth früh mitarbeitete. Wie unter den ärmlichen Bedingungen des Ghettos trugen erst recht in der Emigration alle, Mann oder Frau, zum Unterhalt bei - Ruth sollte diesen klassischen Familien- und Geschäftssinn später als einen Grund für ihren unternehmerischen Erfolg anführen.

Es begann in einer Garage

Die Neue Welt hielt, was sie versprochen hatte. Ruth Mosko konnte studieren, ergatterte schon in der Ausbildungszeit einen gut bezahlten Job, heiratete einen jungen Designstudenten namens Izzy Eliot Handler und gründete mit ihm, was man heute ein Start-up nennt - tatsächlich in einer Garage. Sie verkaufte, was er entwarf: Leuchten, Flugzeugmodelle, Plastikbilderrahmen.

"Im Alter von 22 Jahren waren die Handlers im Geschäft", schreibt bewundernd Ruth Handlers Biografin Julie Altman. Es war Ruth, die erste große Aufträge an Land zog. Es war ihre Idee, Bilderrahmen aus billigem Holz zu machen, als Plastik im Zweiten Weltkrieg knapp wurde. Die Holzrahmen schlugen enorm ein. Den Erfolg feierten das Ehepaar Ruth und Elliot Handler und ihr Kompagnon Harold Mattson, genannt Matt, mit der Gründung einer Firma.

Julie Altman: "Ein Name wurde gewählt: Aus 'Matt' plus 'El' - von Elliot - wurde Mattel."

Doch diesmal ist die Biografin fassungslos: "Obwohl die Bilderrahmen Ruth Handlers Idee gewesen waren; obwohl ihr Verkauf ausschlaggebend für die Umsätze war, kam es ihnen nicht in den Sinn, dass auch ihr Name Teil des Firmennamens sein sollte."

Auf dem Weg zur Weltfirma folgte Mattel konsequent den grassierenden Moden, produzierte Mini-Ukulelen und Spielzeuggewehre und stieg ins Fernsehgeschäft ein. Ruth Handler war längst eine gemachte Frau, die sich Ferien in der Schweiz leisten konnte, als sie ebendort eine wichtige Entdeckung machte: sechs langbeinige und langhaarige Mädchenpuppen in einem Schaufenster, in schicken Skianzügen und 28 Zentimeter hoch.
Den Barbie-Urknall zündete Handlers kleine Tochter Barbara. Dass sie Papierpuppen bastelte, um sie zu Collegegirls, Cheerleadern oder Geschäftsfrauen zu stylen, brachte ihre Mutter auf die Idee, der Welt eine Barbie zu schenken.

Ruth Handler: "50 Prozent unserer Einkäufer waren dagegen, ich glaube, viele hatten Angst, dass Mütter keine Puppe mit einem Frauenkörper kaufen würden ... natürlich hatten sie Unrecht. "

Lasziv und selbstbewusst

Eine Puppe mit Busen und außerirdischen Körpermaßen war durchaus eine Provokation. Dabei wusste Amerika nicht einmal, wer wirklich Barbies Vorbild war: Die Schweizer Schaufensterpüppchen verkörperten Lilli, eine laszive und selbstbewusste Cartoon-Schönheit in der deutschen "Bild"-Zeitung. Barbie schaute naiver aus der Wäsche, aber sie unterlief mit ihrer ausgestellten Sexualität den bis dato gültigen Kindheitsbegriff, sie war ja nicht das Baby ihrer Puppenmütter, sondern der bisher vage Zukunftstraum ihrer selbst.
Heftige Kritik an der rosaroten Barbiewelt, an der Kommerzialisierung des Kinderzimmers durch immer neue Accessoires begleiteten ihren Aufstieg zur beliebtesten Puppe der Welt. Ruth Handler blieb ungerührt, übte doch ihre Barbie über die Jahre im Interesse der dazugehörigen teuren Outfits Dutzende Berufe aus - bis hin zur US-Präsidentin.
In den 70er-Jahren bekam Ruth Handler Brustkrebs. Mit den gängigen Brust-Prothesen kam sie nicht zurecht, also gründete sie eine Firma, die bessere herstellte. Mit Erfolg. "Zwei Vermögen mit Plastikbrüsten" witzelte die New Yorker ZeitschriftVillage Voice.
Ruth Handler konnte darüber sicher lächeln. Sie starb 2002, im Alter von 85 Jahren.
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