Hochschulen

Warum Studenten so angepasst sind

Eine Studentin sucht am 07.11.2012 ein Buch in der Bibliothek der Universität Hildesheim.
Allein und einsam in der Bibliothek: Viele Studenten leihen nicht mehr eigenständig Bücher aus, hat Christiane Florin beobachtet © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Moderation: Nicole Dittmer und Julius Stucke · 13.10.2014
Für viele Studenten geht die vorlesungsfreie Zeit zu Ende, an Hochschulen in Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen hat heute das Wintersemester begonnen. Früher waren die Studenten einmal Motor des gesellschaftlichen Fortschritts – inzwischen sind sie vor allem angepasst, sagt die Bonner Lehrbeauftragte und Publizistin Christiane Florin.
Christiane Florin, die seit mehr als zehn Jahren am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn lehrt, sieht sich im Hörsaal einer "kritischen Masse der Unkritischen" gegenüber. Und diese Gruppe unter den Studenten werde immer größer, sagte sie im Deutschlandradio Kultur. So gebe es kaum noch einen Studenten, der aus eigenem Antrieb mal eine Bibliothek aufsuche. Das Lehrpersonal müsse sich auf solche Phänomene einstellen und beispielsweise Literatur in einer Pdf-Datei "portionieren". Dann werde der Text auch gelesen.
"Es ist schlimm", sagte Florin. Aber schlimm seien nicht die Studenten allein, sondern auch die Universitäten, die sich von dem Ziel, kritische Menschen auszubilden, verabschiedet hätten.
Schuld ist auch die neoliberale Hochschulpolitik
Florin, die auch bei der "Zeit" arbeitet und ein Buch über ihre Wahrnehmung der Studentenschaft geschrieben hat ("Warum unsere Studenten so angepasst sind"), führt das von ihr skizzierte Problem auch auf die Hochschulpolitik zurück. So habe es am Bologna-Prozess, mit dem neoliberale Ideen an den Universitäten Einzug gehalten hätten, viel Kritik von Journalisten gegeben – die Hochschulen hätten sich aber zu wenig gewehrt. Im Ergebnis werde heute statt über Reifeprozesse und Neugier nur noch über Abschlüsse, Mobilität, Flexibilität und die Verbindung zwischen Universität zum Arbeitsmarkt geredet.
Mit dieser Vorstellung von Bildung kämen dann die 18- und 19-Jährigen vom Gymnasium an die Hochschulen. Die Studenten hätten ein gutes Gefühl dafür, was von ihnen gesellschaftlich erwartet werde – "und diesen Erwartungen passen sie sich an". Für die meisten sei es gar keine Option mehr, dass sich das System auch ändern ließe. Auf ihr Buch habe sie allerdings auch positive Reaktionen von Studenten bekommen. Sie hoffe jetzt "auf ein paar Studenten als Verbündete", sagte Florin.
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