Invasion in Afghanistan

Von Roman Goncharenko · 27.12.2009
Es sollte ein kurzer Einsatz mit wenigen Truppen werden. Doch die sowjetische Invasion in Afghanistan wurde zum längsten Krieg in der Geschichte der UdSSR. Fast zehn Jahre versuchte Moskau, ein sowjetfreundliches Regime am Hindukusch zu stabilisieren. Ohne Erfolg. Die Zahl der zivilen Opfer wird auf Hunderttausende geschätzt. Am 27. Dezember 1979 begann der Einmarsch sowjetischer Truppen in die afghanische Hauptstadt Kabul.
Es beginnt wie ein Agentenkrimi. Zunächst versuchen sowjetische Geheimdienste, den afghanischen Präsidenten Hafisullah Amin zu vergiften. Das Attentat missglückt. Dann, am Abend des 27. Dezember 1979 stürmen Moskaus Spezialeinheiten den Präsidentenpalast in Kabul. Ihr Auftrag: Mord.

Nach einem kurzen Gefecht ist Amin tot. Am nächsten Tag wird der Bevölkerung ein neuer Staatschef von Moskaus Gnaden präsentiert: Babrak Karmal. In einer Radioansprache verkündet er den Sturz seines Vorgängers.

Die Bevölkerung reagiert mit gemischten Gefühlen, erinnert sich die afghanische Publizistin Nadia Fasel, die damals in Kabul lebte. Präsident Amin herrschte mit eiserner Hand und ließ Zehntausende einsperren oder töten:

"Die einfache Bevölkerung hat oft Angst gehabt, die haben zwischen Angst und Unwissenheit gelebt, eigentlich. Auf jeden Fall war es so, dass die Menschen gesagt haben: Gott sei Dank, Hafisullah Amin ist weg."

Die Invasion beginnt jedoch schon früher, sagt Walerij Ablasow, ehemaliger sowjetischer Militärberater in Afghanistan. Während der Westen Weihnachten feiert, landen in Kabul schwere Militärtransporter im Dreiminutentakt.

"Die sowjetische Militärpräsenz wurde ständig ausgeweitet. Die ersten Einzelverbände, Sondereinheiten des Militärgeheimdienstes und des russischen Geheimdienstes KGB kamen schon vor dem 25. Dezember."

Die Entscheidung, Truppen zu schicken, wird in Moskau erst einige Wochen vor dem gewaltsamen Sturz des afghanischen Präsidenten getroffen. Professor Gerhard Simon, Osteuropa-Experte an der Universität zu Köln:

"Diejenigen, die 78 - die Kommunisten - die Macht in Kabul übernommen hatten, sahen sich je länger je mehr einem Widerstand im Lande selbst, das heißt einem Bürgerkrieg gegenüber, den sie alleine nicht gewinnen konnten. Und deswegen haben sie die Sowjets zu Hilfe gerufen."

Zunächst ignoriert Moskau diese Hilferufe. Doch im Herbst 1979 eskaliert der Machtkampf innerhalb der Kreml-treuen Demokratischen Volkspartei Afghanistans. Der Staatschef Nur Mohammed Taraki wird im Auftrag seines Stellvertreters Amin ermordet. Moskau fühlt sich brüskiert, denn Taraki gilt als Vertrauter des sowjetischen Staatschefs Leonid Breschnew. Die Beziehungen zu Moskau werden noch frostiger, als in Kabul ein US-Flugzeug auftaucht. Nach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran im November 1979 bauen die USA ihre Militärpräsenz in der Region auf. In Zeiten des Kalten Krieges reagiert der Kreml misstrauisch und entscheidet sich zum Einmarsch.

"Afghanistan spielt eine Schlüsselrolle in der Region. Wenn hier ein Gegner der UdSSR an die Macht gekommen wäre, hätte er große Vorteile gehabt. Er hätte dann den asiatischen Teil der UdSSR kontrollieren können. Die Staatssicherheit zu gewährleisten, war das Hauptmotiv für den Einmarsch."

Gerhard Simon: "Die Sowjetunion ist nach Afghanistan einmarschiert in dem Glauben, damit ihre Herrschafts- und Hegemonialposition in Asien auf längere Sicht sichern zu können und in Asien zu expandieren."

Zunächst plant Moskau einen kurzen Einsatz mit wenigen Truppen - ca. 75.000 Mann. Sowjetische Medien sprechen von einem "begrenzten Kontingent". Walerij Ablasow.

"Die Aufgabe war: ein Regime zu installieren, es zu stärken und die Truppen abzuziehen."

Doch schon bald wird klar, dass diese Aufgabe kaum zu lösen ist. Die Sowjetarmee muss bleiben. Moskau versucht es mit Zuckerbrot. Soldaten bauen Schulen und Krankenhäuser und sichern kilometerlange Konvois mit Lebensmitteln. Doch eben diese Truppen sind ein Problem.

"Afghanen wollen niemanden akzeptieren. Wir waren beste Freunde, sie haben uns vertraut. Doch als die Soldaten kamen, änderte sich die Einstellung komplett."

Kleine Gruppen der "Mudschaheddin", der "Krieger Gottes", die von den USA und Pakistan unterstützt werden, fügen der sowjetischen Militärmaschinerie starke Verluste zu. Der Krieg kostet mehr als 14.000 Sowjetsoldaten das Leben. Die Zahl der zivilen Opfer wird auf Hunderttausende geschätzt. Aus einem kurzen Einsatz wird der längste Krieg in der Geschichte der UdSSR. Erst am 15. Februar 1989 zieht Moskau seine Truppen ab.

"Die Vorstellung, die damals auch im Westen im Dezember 1979 gehegt wurde, es handele sich um eine Okkupation der Sowjetunion in Afghanistan, das ist schon in der Wortwahl falsch. Denn es stellte sich heraus, Afghanistan lässt sich nicht okkupieren. Zwar sind die sowjetischen Truppen nach Kabul marschiert und haben einige Städte eingenommen. Das Land haben sie weder damals, noch später eingenommen."