Invasion der toten Krieger
Im Britischen Museum ist die größte Gruppe der frühchinesischen Terrakottaarmee zu sehen, die jemals im Ausland gezeigt wurde. Es sind zwar "nur" zwölf Krieger aus Tonerde, dennoch wird der Ausstellung auch großes politisches Gewicht beigemessen.
Wanderausstellungen mit nachgebauten Kriegern der über 2000 Jahre alten Terrakottaarmee gab und gibt es immer mal wieder. Die Ausstellung im British Museum aber präsentiert nur Originale. Insofern, so Museumsdirektor Neil MacGregor, schlage diese Schau ein ganz neues Kapitel auf, auch in den chinesisch-britischen Beziehungen:
"Wir zeigen die größte Gruppe von Einzelstücken aus dem Grab des Ersten Kaisers von China, die jemals im Ausland zu sehen war. Dass man uns nur Originalleihgaben überließ, unterstreicht den Stellenwert, den man in China dieser Ausstellung beimisst. Die Chinesen wollen, dass wir uns mit der langen Geschichte ihres Landes vertraut machen. Und hier in London ist ihnen ein großes, internationales Publikum immer sicher."
Zu sehen sind zwölf lebensgroße Figuren, dazu rund 120 weitere Gegenstände aus dem Grab des Qin Shihuángdi. Die Exponate stellen nur einen winzigen Bruchteil der Fundstücke aus dem 56 Quadratkilometer großen, 1974 entdeckten Mausoleum des Kaisers. Rund 1000 Ton-Soldaten kamen seither ans Tageslicht, etwa 7000 harren noch der Ausgrabung. Qin starb 210 vor Christus. Er blieb zwar nur zwölf Jahre an der Macht, aber er hatte einen großen Traum.
"Der Erste Kaiser träumte in Dimensionen, wie sie keine zweite historische Gestalt je wieder erreicht hat. Mit seinem Mausoleum setzte er sich sein eigenes Denkmal. Zugleich schuf er damit eine gigantische Unter- und Parallelwelt des Todes, von der aus er, beschützt von seinem Terrakottaheer, China weiter zu beherrschten strebte, auf alle Ewigkeit."
In Reih und Glied nehmen sie Aufstellung, die Vertreter des kaiserlichen Hofes und die kleine Vorhut seiner riesigen Streitmacht: hier ein General, dort das Fußvolk, daneben ein paar Palastbeamte, ein Akrobat mit emporgestrecktem Arm und der Torso eines Kraftmenschen. Das Muskelpaket war vielleicht Gewichtheber, vielleicht auch ein Sklaventreiber Seiner Majestät. Und ganz vorn in der Formation das wertvollste Stück: ein knieender Bogenschütze, für die Londoner Schau versichert mit 1,6 Milliarden Pfund!
Schätzungsweise 700.000 Arbeiter schufteten Tag und Nacht für den Kaiser - wie am Fließband. Jane Portal ist die Kuratorin der Ausstellung:
"Die Soldaten wie die sonstigen Grabbeigaben, alles wurde seriengefertigt. Die Arbeit in den Gießereien und Ziegeleien rund um den Kaiserpalast lief auf Hochtouren. Die Statuen wurden in derselben Fabrik hergestellt wie die Dachziegel oder die Kanalröhren zur Be- und Entwässerung des Palasts. Es ging nicht um Kunst, wichtig war nur die Stückzahl."
Die frühen Chinesen also als die Erfinder der modernen industriellen Massenproduktion. Auf diesem Hintergrund sicherte sich Qin Shihuángdi nicht nur die Herrschaft aus dem Jenseits. Auch sein politisches Lebensziel wäre ohne den von ihm selbst forcierten wirtschaftlichen Aufschwung kaum denkbar gewesen: die zumindest vorübergehende Befriedung der verfeindeten Provinzen und die Einigung des Riesenreiches.
Die Schau ist das Ergebnis langjähriger bilateraler kulturdiplomatischer Kontakte zwischen London und Beijing. Museumsdirektor Mac Gregor:
"Keine Frage, China durchläuft einen tiefgreifenden Prozess der Reformen und des Umbruchs. Das Land öffnet sich mehr und mehr zur Außenwelt. Zugleich richten die Chinesen ihren Blick nach innen. Die Nation ist auf der Suche nach einer neuen Identität. Je mehr wir auf kultureller Ebene zu diesem Wandlungs- und Selbstfindungsprozess beisteuern können, desto besser."
Diese Ausstellung öffne tatsächlich ein Schaufenster auf das alte Reich der Mitte und das neue China, meint der Journalist und China-Experte Robert Gifford. Zumindest biete sie einen kleinen Vorgeschmack auf das Kulturprogramm im Umfeld der Olympischen Spiele in Beijing. Das rege Publikumsinteresse an der Schau spreche für sich. Allerdings:
"Die Chinesen betreiben ein geschicktes Re-Branding. Die Menschenrechtssituation, die eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit, die miserable Umweltpolitik, Raubkopien oder die mit Blei verseuchten Spielzeuge: all das ist nicht gerade ideal fürs eigene Image. Also sagt man sich: Werfen wir den Blick zurück, hinter die Mao-Ära auf den ersten Chinesen-Staat. Momentan gibt es keinen besseren Werbeträger als den Einiger Qin, Chinas ersten Kaiser."
The First Emperor
China's Terracotta Army
British Museum
13.09.2007 bis 06.04.2008
"Wir zeigen die größte Gruppe von Einzelstücken aus dem Grab des Ersten Kaisers von China, die jemals im Ausland zu sehen war. Dass man uns nur Originalleihgaben überließ, unterstreicht den Stellenwert, den man in China dieser Ausstellung beimisst. Die Chinesen wollen, dass wir uns mit der langen Geschichte ihres Landes vertraut machen. Und hier in London ist ihnen ein großes, internationales Publikum immer sicher."
Zu sehen sind zwölf lebensgroße Figuren, dazu rund 120 weitere Gegenstände aus dem Grab des Qin Shihuángdi. Die Exponate stellen nur einen winzigen Bruchteil der Fundstücke aus dem 56 Quadratkilometer großen, 1974 entdeckten Mausoleum des Kaisers. Rund 1000 Ton-Soldaten kamen seither ans Tageslicht, etwa 7000 harren noch der Ausgrabung. Qin starb 210 vor Christus. Er blieb zwar nur zwölf Jahre an der Macht, aber er hatte einen großen Traum.
"Der Erste Kaiser träumte in Dimensionen, wie sie keine zweite historische Gestalt je wieder erreicht hat. Mit seinem Mausoleum setzte er sich sein eigenes Denkmal. Zugleich schuf er damit eine gigantische Unter- und Parallelwelt des Todes, von der aus er, beschützt von seinem Terrakottaheer, China weiter zu beherrschten strebte, auf alle Ewigkeit."
In Reih und Glied nehmen sie Aufstellung, die Vertreter des kaiserlichen Hofes und die kleine Vorhut seiner riesigen Streitmacht: hier ein General, dort das Fußvolk, daneben ein paar Palastbeamte, ein Akrobat mit emporgestrecktem Arm und der Torso eines Kraftmenschen. Das Muskelpaket war vielleicht Gewichtheber, vielleicht auch ein Sklaventreiber Seiner Majestät. Und ganz vorn in der Formation das wertvollste Stück: ein knieender Bogenschütze, für die Londoner Schau versichert mit 1,6 Milliarden Pfund!
Schätzungsweise 700.000 Arbeiter schufteten Tag und Nacht für den Kaiser - wie am Fließband. Jane Portal ist die Kuratorin der Ausstellung:
"Die Soldaten wie die sonstigen Grabbeigaben, alles wurde seriengefertigt. Die Arbeit in den Gießereien und Ziegeleien rund um den Kaiserpalast lief auf Hochtouren. Die Statuen wurden in derselben Fabrik hergestellt wie die Dachziegel oder die Kanalröhren zur Be- und Entwässerung des Palasts. Es ging nicht um Kunst, wichtig war nur die Stückzahl."
Die frühen Chinesen also als die Erfinder der modernen industriellen Massenproduktion. Auf diesem Hintergrund sicherte sich Qin Shihuángdi nicht nur die Herrschaft aus dem Jenseits. Auch sein politisches Lebensziel wäre ohne den von ihm selbst forcierten wirtschaftlichen Aufschwung kaum denkbar gewesen: die zumindest vorübergehende Befriedung der verfeindeten Provinzen und die Einigung des Riesenreiches.
Die Schau ist das Ergebnis langjähriger bilateraler kulturdiplomatischer Kontakte zwischen London und Beijing. Museumsdirektor Mac Gregor:
"Keine Frage, China durchläuft einen tiefgreifenden Prozess der Reformen und des Umbruchs. Das Land öffnet sich mehr und mehr zur Außenwelt. Zugleich richten die Chinesen ihren Blick nach innen. Die Nation ist auf der Suche nach einer neuen Identität. Je mehr wir auf kultureller Ebene zu diesem Wandlungs- und Selbstfindungsprozess beisteuern können, desto besser."
Diese Ausstellung öffne tatsächlich ein Schaufenster auf das alte Reich der Mitte und das neue China, meint der Journalist und China-Experte Robert Gifford. Zumindest biete sie einen kleinen Vorgeschmack auf das Kulturprogramm im Umfeld der Olympischen Spiele in Beijing. Das rege Publikumsinteresse an der Schau spreche für sich. Allerdings:
"Die Chinesen betreiben ein geschicktes Re-Branding. Die Menschenrechtssituation, die eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit, die miserable Umweltpolitik, Raubkopien oder die mit Blei verseuchten Spielzeuge: all das ist nicht gerade ideal fürs eigene Image. Also sagt man sich: Werfen wir den Blick zurück, hinter die Mao-Ära auf den ersten Chinesen-Staat. Momentan gibt es keinen besseren Werbeträger als den Einiger Qin, Chinas ersten Kaiser."
The First Emperor
China's Terracotta Army
British Museum
13.09.2007 bis 06.04.2008