Interviews mit Holocaust-Zeitzeugen online abrufbar

Von Jens Brüning · 04.12.2006
52.000 Interviews sind mit Zeitzeugen und Überlebenden des Holocaust vom "Visual History Archive" des Shoah Foundation Institute an der University of Southern California aufgenommen, gespeichert und für eine wissenschaftliche Auswertung bearbeitet worden. Die Freie Universität Berlin ist die erste europäische Universität, an der man auf das gesamte Material zugreifen kann. Jens Brüning hat sich mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin am Projekt, der Politologin Verena Lucia Nägel, vor einen Computer der FU gesetzt und herausgefunden, was zu sehen ist und wie man an das Material herankommt.
"Es gibt eine Projekt-Website: www.vha.fu-berlin.de. Auf dieser Internetseite findet man zahlreiche Hintergrundinformationen über das Archiv und über das Projekt an der FU, unter anderem gibt's da auch einen Zugang zu dem Archiv, man loggt sich da ein, ich logg mich jetzt einfach mal ein mit meinem Nutzernamen, und dann kommt man zu einem Bildschirm, der die vier Suchmöglichkeiten in dem Archiv aufzeigt."

Nämlich "Quick Search", also Schnellsuche, oder es gibt einen biografischen Zugang, Gruppen wie "homosexuelle Überlebende", "Sinti und Roma", "Verfolgte", "Augenzeugen", "Helfer" und dergleichen. Man muss Englisch können, um mit dem Archiv arbeiten zu können. Das ist vor allem für den Zugang über Schlagworte wichtig. Die 52.000 Interviews nämlich sind in jeweils einminütige Segmente unterteilt, die verschlagwortet wurden. Eine große Hilfe für diejenigen, die ein bestimmtes Thema bearbeiten. Wenn man das gewünschte Schlagwort eingibt, reagiert das System derart,

"...dass man dann alle Videos bekommt, wo über Zwangsarbeit gesprochen wird oder über militärische Erfahrungen, man kommt genau zu den Abschnitten, wo die Leute über diese Sachen gesprochen haben."

Die Videos werden auf dem Bildschirm angezeigt, in dem Fall, den Verena Lucia Nägel für die Vorführung auswählte, waren das sechzig Quellenangaben, ein erster Überblick über das verfügbare Material zum Thema.

"Dann kann man das auswählen, indem man auf den Namen oder auf das Foto von der Person klickt, dann ist man direkt an der Stelle in dem Video, wo dieses Schlagwort vorkommt. Und so kann man eigentlich relativ leicht die Rechercheergebnisse bekommen, die man will, also finde ich zumindest für diese Menge an Interviews."

Die Interviews wurden weltweit in der jeweiligen Muttersprache der Befragten geführt.

"Die Interviews sind alle auf dem Server der University of Southern California gespeichert. Wir haben einen Cache-Server hier an der FU, das heißt, auf diesem Server sind alle deutschsprachigen Interviews, sowie eine Auswahl von weiteren Interviews. Hier steht bei den Suchergebnissen 'video availability': Ich muss das Video bestellen. Das heißt, ich muss auf 'request video' klicken, dann geben die mir 'ne Antwort und sagen, dass sie mir eine E-Mail schreiben, sobald es da ist."

Das kann fünf Stunden oder länger dauern. Auf dem Bildschirm-Bestellformular ist eine Frist von 48 Stunden angegeben. Wir schauten uns das Video an, auf dem Werner Bab spricht. Er war heute Vormittag bei der Präsentation des Projekts dabei.

"Man muss immer wieder über Auschwitz reden, damit nicht ein zweites Mal, und Geschichte wiederholt sich, dass vielleicht nicht ein zweites Mal so etwas passiert. Und ich finde, es wird zu wenig über Auschwitz geredet."
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