Intersexualität im Buddhismus

Drittes Geschlecht toleriert

Mehrere weiße Buddha-Statuen stehen hintereinander.
Mehrere weiße Buddha-Statuen stehen hintereinander. © unsplash.com/ Céline Haeberly
Von Mechthild Klein · 04.03.2018
Die amtliche Einführung eines dritten Geschlechts widerspreche der Schöpfungsordnung, heißt es aus religiös-konservativen Kreisen. Doch nicht jede Religion legt Menschen auf Mann- oder Frausein fest – im Buddhismus kann man mit einem dritten Geschlecht gut umgehen.
Bis Ende des Jahres 2018 hat die Bundesregierung Zeit, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Neben "weiblich" und "männlich" soll dann ein drittes Geschlecht in Geburtsregistern stehen. Das könnte dann "inter" oder "divers" heißen.
Shai Hernandez: "Es ist super, dass jetzt intersexuelle Menschen sich jetzt als intersexuell einteilen dürfen. Identität ist etwas anderes: Ich weiß nicht, ob diese Gesetz eine Veränderung für transsexuelle Menschen oder transident bringen wird, aber ist schon ein guter Schritt in die richtige Richtung."
Shai Hernandez stammt aus Spanien, ist Trans-Mann und Buddhist. Er wurde in einem Frauenkörper geboren, seine Identität sei aber die eines Mannes.
"Also ich hab mich immer als Junge, als Mann gefühlt, aber von draußen wurde sagt: Nein, du bist ein Mädchen, eine Frau. Das ist ein Konflikt, was rauskommt ist viel Zorn, viel Frustration und Dinge, die im Buddhismus als unheilsam gesehen werden."
Jinavaro Raimund Hopf: "Der Buddhismus steht dafür, dass ein Mensch aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung sagt, welches Geschlecht er hat."
Sagt der ehemalige Theravada-Mönch Jinavaro Raimund Hopf aus Hamburg.
Im Buddhismus gibt es zwei Orden, einen für Männer und einen für Frauen: Allerdings bestimme jede Person selbst, zu welchem Geschlecht sie gehört, erklärt Hopf. So werde bei der Ordination im Kloster gefragt, ob man Frau oder Mann sei oder gar ein mythisches Wesen.
"Aus buddhistischer Sicht muss man die Dinge so sehen, wie sie sind. Das ist das Ideal. Das ist das Ideal für uns im Wesen, dass der Buddhismus lehrt, dass Verbesserung oder Glück im Leben nur erreicht werden kann, wenn die Dinge so akzeptiert werden, wie sie wirklich sind. Das heißt, wenn sich jemand so empfindet oder erlebt oder zum Beispiel ein uneindeutiges Geschlecht hat, dann ist das eine erlebte Realität, die muss akzeptiert werden und in die Gesellschaft integriert werden. Und das gelingt tatsächlich in asiatischen Ländern, die buddhistisch geprägt sind, etwas besser als hier."

Buddhistische Überlieferung kennt sogar vier Geschlechter

Es kann allerdings durchaus passieren, dass die Mitglieder des Ordens Bedenken anmelden, dass eine weniger eindeutige Geschlechtlichkeit die zölibatär lebende Gemeinschaft verwirren könnte. Und einen dritten Orden für uneindeutige Geschlechter gibt es nicht.
Dabei hatten Angehörige eines dritten Geschlechts in der Geschichte einiger Länder eine fest zugewiesene Rolle. In Indien kam Männer in Frauenkleidern eine Zeit am Hof der Moghulen die Aufgabe der als Haremswächter zu. Das ist lange vorbei. Aber in Indien sind diese sogenannten Hijras seit 2014 als drittes Geschlecht amtlich anerkannt. Sie haben soziale Gemeinschaften gebildet, ebenso wie die Kathoeys oder "Ladyboys" in Thailand, berichtet Hopf, der in Indien studiert hat und in Thailand Mönch war.
"Da gibts unterschiedliche, welche, die sich eher als Transgender-Er oder -Sie empfinden. Und solche, die tatsächlich mit zwei oder ohne Geschlechtsteilen geboren wurden, aber die sich schon als Kinder anders empfinden als von der Gesellschaft gekennzeichnet. Und damit ist die asiatische Gesellschaft schon einen Schritt weiter als wir, weil wir unterdrücken das und sagen, der Arzt sagt, du bist das oder das und damit muss man leben, ob man das kann oder nicht."
Eine weitere Kategorie in der Geschlechterzuordnung hat die tibetisch-buddhistische Nonne Carola Roloff im Studium der Ordensregeln, dem sogenannten Vinaya, ausgemacht. Nach Aussagen der Wissenschaftlerin von der Universität Hamburg kennt die buddhistische Überlieferung sogar vier Geschlechter. Männlich, weiblich, intersexuell – also Menschen, die Merkmale beider Geschlechter aufweisen - und asexuell: Dort fehlen Geschlechtsmerkmale völlig oder sind nicht zu identifizieren. In den Theravada-Klöstern in Thailand werden zum Beispiel die sogenannten "Ladyboys" als Mönche bislang toleriert.
Carola Roloff: "Das sind Mönche, die sich haben umoperieren lassen. Das waren Frauen, die sich sich umoperieren lassen zu Männern und dann Mönche geworden sind."

Geschlechter haben keine Aufgabe in einem göttlichen Plan

Die größere Toleranz gegenüber anderen Geschlechterkonzepten lässt sich vielleicht auch damit erklären, dass buddhistische Schulen den Geschlechtern keine Aufgabe in einem göttlichen Plan zugewiesen haben. Der Buddha habe schließlich nicht gesagt: Gehet hin und mehret euch – wie es im christlichen Schöpfungsmythos heißt. Roloff betont stattdessen lösungsorientierte Ansätze aus der buddhistischen Überlieferung:
"Dann ist man zu Buddha gegangen und hat gesagt: Huch, jetzt ist plötzlich jemand vom anderen Geschlecht bei uns im Orden. Der hat sein Geschlecht gewandelt und ist jetzt plötzlich zu einer Frau geworden, was machen wir denn jetzt mit dieser Person? Und dann sagt der Buddha: Der muss dann rüber in den Nonnenorden, dass ist dann kein Mönch mehr. Und dann fragen sie. Ja muss er dann noch mal neu ordiniert werden als Nonne? Und dann sagt der Buddha: Nö, nö. Die Ordination ist gültig. Das ist ja nur das Geschlecht, das sich geändert hat."
Die Diskussion über geschlechtliche Identität gewinnt auch in Asien erst langsam an Fahrt. Toleriert wurden andere Geschlechter hingegen schon länger. Während man in Europa noch am Anfang steht, was den Umgang mit augenscheinlich anderen Geschlechtern angeht. Wenn in Deutschland bis Ende 2018 Menschen mit beiden Geschlechtsmerkmalen, Intersexuelle, sogenannte Hermaphroditen, das auch in das amtliche Personenregister, in die Geburtsurkunde oder den Pass eintragen lassen können, ist das ein Fortschritt.
Transsexuellen Menschen, die ein anderes Geschlecht empfinden als ihnen ihr biologischer Körper vorgibt, ist damit nicht geholfen. Sie müssen sich weiterhin als männlich oder weiblich einstufen lassen. Deutschland wäre aber das erste europäische Land, das ein drittes Geschlecht amtlich beglaubigt. In Neuseeland, Australien, Nepal und sogar Pakistian ist das dritte Geschlecht schon länger gesetzlich verbrieft.
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