Interreligiöses Treffen in Assisi

Wie Frieden schaffen?

Die Basilika des Heiligen Franz von Assisi in Umbrien bei Sonnenuntergang.
Seit Sonntag haben sich in Assisi rund 500 Delegierte aus neun Religionsgemeinschaften zum Friedenstreffen der Religionen versammelt. Das Foto zeigt die Basilika des Heiligen Franz von Assisi. © Imago / Westend61
Markus Dröge im Gespräch mit Dieter Kassel  · 20.09.2016
Der Frieden auf der Welt scheint stärker bedroht denn je - auch durch Gewalt im Namen der Religion. Was das interreligiöse Friedenstreffen in Assisi dagegen ausrichten kann, erläutert Manfred Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz.
Vor 30 Jahren fand das erste interreligiöse Friedenstreffen von Assisi statt, zurückgehend auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II. Aktuell aber scheint der Frieden stärker gefährdet denn je - unter anderem, weil immer wieder Gewalt im Namen von Religionen ausgeübt wird. Wie sich dem entgegen treten lässt, darüber sprechen die 500 Teilnehmer in Assisi - unter denen auch der evangelische Bischof von Berlin-Brandenburg und der Schlesischen Oberlausitz Markus Dröge ist. Im Deutschlandradio Kultur haben wir mit ihm gesprochen.

Das Gespräch im Wortlaut:
Dieter Kassel: Seit 30 Jahren findet jedes Jahr das Interreligiöse Friedenstreffen von Assisi statt, wobei nicht unbedingt immer in Assisi, die Orte haben zwischendurch gewechselt. Aber in diesem Jahr ist man wieder an diesen Ursprungsort zurückgekehrt, auch aufgrund des Jubiläums. Es ist durchaus auch Konkretes erreicht worden in den vergangenen 30 Jahren durch eben diese Treffen, aber aktuell scheint uns doch der Frieden auf dieser Welt eben auch und zum Teil vor allem durch Gewalt im Namen von Religionen stärker gefährdet denn je. Ob die Teilnehmer dieses Treffens, die unter anderem neun verschiedene Religionen vertreten, dagegen wirklich etwas ausrichten können, das fragen wir jetzt einen dieser Teilnehmer, den evangelischen Bischof von Berlin-Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz Markus Dröge. Schönen guten Morgen, Herr Dröge!
Markus Dröge: Ja, guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Der Frieden aller Menschen auf dieser Welt, das ist zumindest der Eindruck vieler, der wird doch im Moment mehr denn je bedroht von dem Unfrieden, der zumindest im Namen von Religionen gestiftet wird. Ergreift einen da selbst bei diesen Treffen, an diesem Ort, in Assisi manchmal das Gefühl von Hilflosigkeit?
Dröge: Ja, die allgemeine Situation, die Sie ja geschildert haben, dass Religionen vielfach zurzeit missbraucht werden, nicht um Frieden zu stiften, sondern missbraucht werden, um eben Kriege anzufachen und Gewalt anzufachen, diese Situation ist natürlich als Horizont hier absolut präsent. Und wir wollen von hier aus eben die Botschaft ausstrahlen, die damals schon 1986 ausgestrahlt worden ist: Authentische Religion ist eine Friedenskraft. Und das müssen wir hier gemeinsam zeigen und das halte ich für hoch aktuell.
Kassel: Dieses Treffen ist natürlich auch aufgeteilt in verschiedene Einzelveranstaltungen. Sie haben gestern Nachmittag auf einem Panel einen Vortrag gehalten und da haben Sie – ich habe den Text vorliegen – eigentlich vor allen Dingen das beschrieben, was Sie vor Ihrer eigenen Haustür erleben, die Situation in Berlin. Vom Text her … Es gilt ja immer das gesprochene Wort, aber vom Text her schien mir das alles sehr rosig. Haben Sie wirklich den Eindruck, in der Stadt Berlin funktioniert das Zusammenleben verschiedener Religionen reibungslos?
Dröge: Es war ein Panel, wo verschiedene Teilnehmer geschildert haben die Situation also in Italien, in Frankreich, ich habe aus Berlin berichtet. Ich habe auf der einen Seite aufgezeigt, dass wir eine sehr gute Atmosphäre haben, Menschen, die hilfsbereit sind gegenüber Flüchtlingen, einen guten interreligiösen Dialog, dass wir auf der anderen Seite aber auch Probleme haben, dass Menschen keine Hoffnung haben, dass es Sinn macht, Dialog zu führen, um die Religionen zusammenzubringen, dass sie keine Hoffnung haben, dass es gelingt, die Flüchtlinge bei uns zu integrieren mit all den kulturellen Schwierigkeiten. Und da habe ich noch einmal ganz klar appelliert, ich bin sogar gefragt worden, ob wir das denn schaffen in Deutschland, ich habe gesagt: Ja, wir schaffen es, wenn wir es schaffen wollen und wenn wir uns engagieren. Und da ist die Substanz bei uns eigentlich in Berlin da, wir müssen sie nur aufgreifen und weiterführen.
Kassel: Andererseits berichten Menschen jüdischen Glaubens, die in Berlin leben, immer wieder auch davon, dass sie sich bedroht fühlen, zumindest von einzelnen Muslimen. Es ist auch zu Zwischenfällen gekommen. Zeigt das nicht auch, dieses Zusammenleben ist auch bei uns definitiv nicht unproblematisch?

Positive Kräfte stärken

Dröge: Ja, es ist immer die eine und die andere Seite. Es gibt immer diejenigen, die sich einsetzen für den Frieden, die aus ihrer Überzeugung her sagen, wir müssen den Dialog suchen, und es gibt die anderen, die sagen, ich habe kein Vertrauen, ich möchte das Fremde möglichst verdrängen, ich entwickele auch Aggressionen gegenüber den Fremden, weil meine eigene Situation mir vor Augen steht, die ich selbst nicht rosig sehe.
In dieser Auseinandersetzung sind wir ja in Berlin und auch weltweit, und da ist es eben der ganz starke Impuls eines solchen Treffens, wo sich Menschen aus aller Welt, also 400 Delegierte treffen, alle mit dem Impuls, wir müssen diese anderen Kräfte, diese positiven Kräfte stark machen und eine Vision vor Augen haben einer Weltgemeinschaft, die die kulturellen Unterschiede achtet, aber den Frieden miteinander sucht.
Kassel: Aber ist das nicht auch ein Problem dieses Treffens und jedes anderen Treffens ähnlicher Art auch, dass ja nur die Leute kommen, die schon eine Grundbereitschaft, die in diese Richtung geht, haben? Ich meine, jemand, der sagt, ich glaube an meinen Gott auf meine Art und Weise, und jeder, der es anders macht, ist minderwertig, so jemand kommt doch gar nicht hin zu Ihren Treffen?
Dröge: Ja, das ist ja gerade das Spannende. Ich bin besonders beeindruckt gewesen von einem buddhistischen Mönch, der vor 30 Jahren als junger Mann hier dabei war und der jetzt in Japan ein Friedenszentrum aufgebaut hat, wo er immer neue Seminare macht, um Menschen im buddhistischen Raum auch die Brücke in den Westen zu schlagen, hat selber in München sieben Jahre westliche Philosophie studiert. Also, Menschen nehmen von hier aus etwas mit und in ihrem eigenen Kontext arbeiten sie dann für Dialog und Frieden. Und das ist das Faszinierende.
Kassel: Nun gibt es viele Menschen auf der Welt, die sich bedroht fühlen von Gewalt im Namen des Islam. Dazu muss man ganz klar sagen: Unter den Menschen, die sich da bedroht fühlen, sind auch viele Muslime, die ja oft genug Opfer dieser Gewalt werden. Mit in Assisi ist auch der Großimam von al-Azhar, al-Tayyeb, ein Mann, der als relativ liberal gilt, der sich auch ganz klar zum Beispiel von der Organisation Islamischer Staat und vom Terrorismus distanziert, aber an der al-Azhar-Universität in Kairo in Ägypten, da wird andererseits auch ganz klar gesagt: Atheismus geht nicht, auch nicht in Ägypten, und auch der strenge Kurs der ägyptischen Regierung gegen die Muslimbruderschaft wird unterstützt. Was macht man mit Leuten, die sich tolerant geben, es in die eine Richtung auch sind und in drei, vier andere nicht?
Dröge: Ja, der al-Tayyeb hat ja vor einiger Zeit auch eine Reise nach Europa unternommen, da hatte ich auch die Möglichkeit, mit ihm zu sprechen in Berlin. Das war etwas ganz Besonderes, dass sich eine so herausragende Persönlichkeit der al-Azhar-Universität auf den Weg macht, um den Dialog zu suchen. Dass er zu Hause, bei sich, in seiner eigenen Institution da nicht alle hinter sich haben wird, das ist ganz klar. Der Papst 1986 hatte auch nicht die ganze katholische Kirche hinter sich, als er dieses Friedensgebet hier in Assisi ins Leben gerufen hat. Aber es kommt ja darauf an, dass man immer diejenigen, die bereit sind, eine Brücke zu schlagen, dass man die auch empfängt und dass man ihnen hilft bei diesem Brückenbauen. Natürlich haben sie zu Hause dann auch Auseinandersetzungen.

Christentum sollte deutlicher gelebt werden

Kassel: Es gibt ja eine Diskussion, Bischof Dröge, in Deutschland, man kann sie ja nicht überall auf der Welt führen, darüber, wie nun dieses Zusammenleben Angehöriger verschiedener Religionen besser gelingen könne: Indem man es sehr stark auch thematisiert, wenn nötig: problematisiert, wenn also – was manche sich ja nicht wünschen in westlichen Gesellschaften – Religion wieder wichtiger und öffentlicher wird, und andere sagen, das kann nur funktionieren, wenn Religion reine Privatsache ist. Wird darüber auch diskutiert in Assisi?
Dröge: Ja, ich habe ja … In meinem Vortrag bin ich auch darauf eingegangen, dass wir in Deutschland jetzt durch die Art und Weise, wie Muslime sehr viel offener ihre Religion auch nach außen tragen, sehr deutlich machen, dass sie auf muslimische Weise an Gott glauben, dass wir Christen wiederum herausgefordert sind, auch zu überlegen, wie tragen wir denn jetzt noch offener unseren Glauben auch zu Markte, und dass insgesamt unsere Gesellschaft vor der Frage steht: Wollen wir das zulassen, dass auch unterschiedliche Religionen jetzt präsent sind, oder verdrängen wir sie in den Privatbereich?
Und da plädiere ich ja ganz stark dafür, eine Religion, die in den Privatbereich verdrängt wird, die kann nichts Gutes für die Gesellschaft leisten, da weiß man auch nicht, welche Blüten da getrieben werden. Und unser Religionssystem, was wir … Unser Religionsrecht, was wir in Deutschland haben, das es ermöglicht, dass Religionen in Partnerschaft, in kritischer Partnerschaft mit dem Staat die Gesellschaft mit prägen, das müssen wir jetzt auch öffnen für die muslimische Religion. Das ist insgesamt ein Erfolgsmodell, unsere Art, mit Religion umzugehen, und da sehe ich auch große Hoffnungen. Nur bloß nicht die Religionen ins Private verdrängen, das kann nicht gutgehen.
Kassel: Sagt Markus Dröge, der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, schlesische Oberlausitz, einer der Teilnehmer des Interreligiösen Friedenstreffens von Assisi, das heute in Anwesenheit des Papstes mit einem großen gemeinsamen Gebet zu Ende geht. Bischof Dröge, ich wünsche Ihnen dabei … Ja, ich glaube, Spaß kann man nicht sagen, aber ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Tag in Assisi und danke Ihnen sehr für dieses Gespräch!
Dröge: Ja, herzlichen Dank, Herr Kassel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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