Internetprojekt in den Niederlanden

Wissenschaft für jedermann

Auf einem Bildschirm ist die Youtube-Seite zu sehen.
Nicht nur Katzenvideos: Bei Youtube sind auch wissenschaftliche Vorträge erfolgreich. © dpa / picture alliance / Britta Pedersen
Von Michael Arntz  · 29.03.2016
Warum sprechen wir mit Tieren? Warum macht Geld doch glücklich? Warum geht unser Trinkwasser zur Neige? Die Universität der Niederlande präsentiert im Internet kleine wissenschaftliche Vorträge – mit Erfolg.
Amsterdam. Montag Nachmittag. Der Nachtclub AIR liegt in der Amstelstraat, drei Gehminuten vom Muziektheater entfernt. Eine angesagte Location für Dance, House und Techno. Heute geht's hier allerdings um Bildung.
Draußen strahlende Sonne und blauer Himmel. Drinnen dunkle Gänge und schwarze Wände. Es riecht nach schalem Bier, der Boden klebt unter den Füßen.
Elphi Nelissen steht vor dem Podium. Die Aufbauten laufen auf Hochtouren. Nelissen ist eine in den Niederlanden renommierte Professorin für Nachhaltiges Bauen. In zwei Stunden wird sie fünf Vorträge über ihr Fachgebiet halten. Anschließend werden diese "colleges" - wie es hier heißt - ins Netz gestellt.
Das Online-Projekt Universiteit van Nederland - das sind Vorträge für ein breites Publikum, die jedermann im Netz abrufen kann. Für Elphi Nelissen eine echte Herausforderung. Alles muss sie in einer Viertelstunde sagen, nichts darf sie voraussetzen. Nelissen lächelt. - Jetzt sei sie doch ein wenig aufgeregt. Sie, die Dekanin der Fakultät Bauwesen an der Technischen Universität Eindhoven.
Seit drei Jahren gibt es die Online-"Universiteit van Nederland". Fünf Mal in der Woche wird ein Vortrag ins Netz gestellt; bis heute sind es 450 Videos. Immer stehen Dozenten von niederländischen Universitäten auf dem Podium. Ein Honorar gibt es nicht.

Wissenschaft für die breite Masse

Nelissen findet es wichtig, ein großes Publikum für die Wissenschaft zu interessieren. Das, sagt die Wissenschaftlerin, sei auch ein Stück gesellschaftliche Verantwortung. Wissenschaft müsse unter die Menschen gebracht werden, sagt sie, dann wird sie wachsen und lebendig werden.
Elphi Nelissen verabschiedet sich.
Der Direktor der Online-Universität, Roel Bellinga, steht abseits und verfolgt die Aufbauarbeiten. Er ist schlank, Anfang 20, hat krause dunkle Haare. Bellinga wirkt zufrieden.
Bis jetzt gab es fast 14 Millionen Video-Abrufe, sagt Roel Bellinga. Für die Niederlande sei das extrem viel. Man darf nicht vergessen, dass es um Wissenschaft geht, betont er und lächelt.
Bei Youtube stehen die Wissenschafts-Clips direkt neben den Katzen-Videos, sagt Roel Bellinga. Er kennt auch das Rezept für den großen Erfolg.
Immer sind es spannende, manchmal auch provokante Fragen, die gestellt werden. Warum sind alle Wissenschaftler Betrüger? Warum macht Geld doch glücklich? Warum geht unser Trinkwasser zur Neige? Eigentlich möchte doch jeder die Antworten kennen, und nach 15 Minuten sind die Fragen beantwortet - ohne Fachjargon und Studium. Die Niederländer jedenfalls scheinen begeistert.
Die Videos werden nicht nur im Internet gezeigt. Darauf ist Roel Bellinga besonders stolz. Auch Fernsehsender zeigen die beliebten Clips. Die niederländische Zeitung De Volkskrant präsentiert die Videos in ihrer Online-Ausgabe. Und jetzt zeigt sogar die Fluggesellschaft KLM die Clips auf ihren Flügen.
Es ist Abend. Der Nachclub hat sich gefüllt. Elphi Nelissen beginnt mit ihren Vorträgen.

Vorträge, die die Neugierde wecken

Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? Wie kann ich die Energiekosten für mein Haus auf Null reduzieren? Warum ist es logisch, dass Kinder in der Schule einschlafen?
Es geht um CO2-Werte in geschlossenen Räumen. Mehr als 800 ppm sollte man nicht messen, sagt Nelissen. Sie überprüft den Saal ... 600. Alles okay. In Schulen werden aber schon mal 4000 ppm gemessen. Staunen im Publikum. Und dann geht es um Belüftung, um Erkältungskrankheiten und offene Fenster und Heizkosten und, und, und ...
Zwei Stunden später ist Zeit für ein Bier. Popmusik dröhnt aus den Boxen. Elphi Nelissen sieht man an, dass sie erschöpft ist - und auch ein wenig glücklich ...
Auch das Publikum ist zufrieden.
Ein 33 Jahre alter Mann sagt, ihm hätten die Vorträge gefallen. Für ihn hätten die Themen sogar noch weiter vertieft werden können. Und, ja, sagt er, er sehe sich auch die Videos im Netz an, weil ihn das auf allen möglichen Gebieten anregen würde.
Auch das gehört zum Online-Projekt der "Universität van Nederland": Dass man neugierig wird, dass man mehr wissen möchte - und das auch jenseits von Internet und Videoclips.