Internet-TV im Aufwind

Von Philip Banse |
Gerade hat der Bundestag eine „Lex Telekom“ beschlossen. Die Deutsche Telekom darf demnach sein superschnelles VDSL-Netz alleine nutzen, muss Konkurrenten keinen Zugang gewähren zur schnellen Datenleitung, die ohne die Technik aus Monopolzeiten nicht zu verlegen gewesen wäre.
Die Telekom nutzt VDSL, um Fernsehen über das Internet anzubieten. Von Live-Bildern der Fußballbundesliga und einem mäßig bestückten TV-Archiv abgesehen – der Rosa Riese liefert für teures Geld über das Datenkabel im Prinzip dieselben Fernsehbilder wie sie auch über Kabel oder Satellit zu empfangen sind. Doch Internetfernsehen heißt: mehr Kanäle, mehr Anbieter und neue Inhalte.

Free-Magazin-TV ist Internet-Fernsehen für Surfer – rund um die Uhr. Das Wellenreiter-Fernsehen ist nur eines von knapp 250 Fernsehprogrammen, das die Münchner Firma Grid-TV im Internet anbietet. Angeboten werden vor allem Spartenkanäle wie Hubschrauber-TV, Game-TV oder HSV-TV, mit dem sich jeder die Bundesliga-Spiele des Hamburger Sportvereins in voller Länge ansehen kann – sofort nach Abpfiff für 3,99 pro Monat.

Doch 96 Prozent der Programme seien frei im Internet empfangbar, sagt Ingo Wolf, Geschäftsführer von Grid-TV. Bezahlt werden viele Beiträge von den Herstellern der gezeigten Produkte, Dauerwerbesendungen also. Ingo Wolf, Geschäftsführer von Grid-TV erläutert die Vorteile des Internetfernsehens am Beispiel Medizin-TV und seinen geplanten 130 Spartensendern zum Thema Medizin.

„Zum Beispiel sie haben Schmerzen, dann würden sie auf Schmerz-TV schalten und auf Schmerz-TV sowohl Behandlungsmethoden finden als Indikationen für Krankheiten. Und sie finden das eben dann, wenn sie es suchen. Sie haben die Möglichkeit im On-Demand-Bereich nach ihrer Indikation suchen und sie haben die Möglichkeit, dass sie im laufenden Programm Interviews mit den Koryphäen hören.“

In sechs von sieben Beiträgen auf Schmerz-TV kommt vor allem Arzt zu Wort: Prof. Frank Bahr, hier im Beitrag „Mit Nadeln gegen Spannungskopfschmerz Teil 1“:

„Sie sind heute zu mir gekommen, weil sie Schmerzen haben. Diese Schmerzen sind wo?” „Sie sind hier im Rücken und ziehen dann hoch über den Kopf bis zu den Augen.“

Momentan schauen sich noch 86 Prozent der Grid-TV Zuschauer das Internet-Fernsehen auf ihrem Rechner an. Doch langsam kommen Fernsehgeräte auf den Markt, in die man einfach ein Internet-Kabel steckt. Zu den 40 vorhandenen Programmen kommen dann 300-400 aus dem Internet hinzu.

Dank günstiger Technik, kann schon heute jeder Fernsehen machen. „The Scene” ist eine erfolgreiche TV-Serie, verbreitet nur über das Internet. Die erste Staffel von „The Scene” erzählt die fiktive Geschichte von Hackern, die Filme illegal über das Internet vertreiben. Helden der zweiten Staffel sind Waffenhändler, die ihre Geschäfte online abwickeln. Doch nicht nur die Inhalte sind ungewohnt, auch die Machart: Der Zuschauer sieht nur einen Schauspieler vor seinem Rechner. Alle Dialoge finden als Chat statt, der Zuschauer muss also vor allem lesen.

The Scene wird von zwei Jung-Unternehmern aus Connecticut gemacht, nebenbei, in ihrer Freizeit. Jede Woche eine Folge. Mitchel Reichgut, Drehbuchautor und Regisseur von „The Scene”, erzählte dem „Elektrischer Reporter“ von handelsblatt.com, wie er die Zukunft des Fernsehens sieht.

„Im Internet ist gerade jede Menge Aktivität zu beobachten. Große Medienkonzerne und Graswurzel-Aktivisten wie wir – alle experimentieren mit verschiedenen Vertriebswegen. Das Großartige ist, dass kleine Wettbewerber wie wir sehr viele Zuschauer erreichen können. Es ist eine Spielwiese, der Wilde Westen. Ich kann nicht in die Zukunft schauen und sagen, was wird. Aber meine Hoffnung ist, dass unabhängige low-budget Produktionen ganz groß rauskommen haben.“

Fernsehbilder sind in hoher Qualität, rund um den Globus und zu minimalen Kosten. Das Angebot explodiert. Alleine Grid-TV will in Deutschland 3000 Fernsehprogramme anbieten. Internet-TV ist bereits heute von keiner Fernsehzeitschrift der Welt zu erfassen. Suchmaschinen der nächsten Generation werden nicht mehr Unmengen von Dokumenten liefern, die das gesuchte Schlagwort enthalten. Sie können komplizierter Anfragen verstehen und liefern informative Webseiten aus, auch wenn das Schlagwort darin gar nicht vorkommt. Das „denkende Netz“ werde in wenigen Jahren auch helfen, das richtige Fernseh-Programm zu finden, glaubt Ingo Wolf.

„Sie können das Netz fragen: „Ich habe einen Pickel auf dem Beim. Was ist mir denn passiert? Was kann ich dagegen tun?“ Dann würden sich heute 3500000 Webseiten öffnen. Später wird es dann so sein, dass sie in einen Fernsehsender hineinkommen, in dem ihnen direkte Antworten gegeben werden. Sie stellen dem Netz eine Frage und als Antwort bekommen sie Fernsehen.“