Internet

"Datenschutz ist Selbstbestimmung"

Der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, beobachtet bei Jugendlichen ein zu geringes Risikobewusstsein im Umgang mit dem Internet. Eine neue Website soll die Gefahren erklären.
Ute Welty: Datenschutz ist auch ein Thema für Menschen unter 18 oder gerade für die. Denn vor allem junge und jüngere Menschen nutzen ja soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter. Den Kurznachrichtendienst WhatsApp zum Beispiel nutzen 67 Prozent aller iPhone-Besitzer. Und der greift jedes Mal auf das eigene Telefonbuch zurück. Das muss keine Katastrophe bedeuten, aber man sollte sich darüber im Klaren sein, meint Edgar Wagner, Datenschutzbeauftragter in Rheinland-Pfalz. Guten Morgen!
Edgar Wagner: Ja, guten Morgen, Frau Welty.
Welty: Was sind die häufigsten Fehler, die junge Leute im Internet machen? Wir alle erinnern uns ja an die Partyeinladung, die quasi an die halbe Welt statt an den Freundeskreis hinausging und doch erhebliche Kollateralschäden verursachte.
Wagner: Ja, genau. Sie haben ja Recht: Zunächst ist es so, dass die jungen Leute eigentlich schon zu 100 Prozent im Netz sind, und 95 Prozent benutzen die Google-Suchmaschine, 80 Prozent sind Mitglied bei Facebook und so weiter. Das heißt, wir haben ein ganz intensives Nutzungsverhalten und gleichzeitig doch ein reduziertes Risikobewusstsein und auch ein reduziertes Wissen darüber, wie eigentlich das Internet funktioniert. Und uns geht es mit dieser Webseite gerade auch darum, aufzuklären und diese Wissensdefizite etwas auszugleichen.
Welty: Was genau klären Sie denn da auf?
Wagner: Wir nehmen uns sozusagen die einzelnen Bereiche vor, von Facebook über Google und, wie Sie sagten, WhatsApp und auch die Spielekonsolen, Smartphones, und geben jede Menge Tipps darüber, wie man sich vielleicht geschickterweise oder klugerweise verhalten soll. Bei Facebook etwa geht es dann auch um die Frage: Soll ich mich wirklich mit meinem Klarnamen anmelden?
Welty: Was raten Sie denn da?
Wagner: Wir sind da sehr zurückhaltend. Wir sagen, Facebook will zwar, dass die Leute mit ihrem richtigen Namen Mitglied werden. Wir sagen, es ist vielleicht geschickter, wenn man sich mit einem Spitznamen anmeldet und vielleicht auch das Profilbild so wählt, dass man nicht gleich für jeden erkennbar ist.
Welty: Aber das widerspricht ja dem eigentlichen Sinn und Zweck dieser Angelegenheit, nämlich dass man auch dann Leute kennenlernt und erzählt, was man macht.
Wagner: Genau. Das ist immer so eine Gratwanderung. Wir hatten hier in der Behörde auch immer wieder junge Leute, die bei uns ein Praktikum machen. Und die fragen wir dann natürlich auch: Wie seid ihr im Netz unterwegs, und habt ihr euren Klarnamen? Und die sagen, haben wir nicht mehr, und die sagen, wer uns finden will, der findet im Netz uns trotzdem. Das heißt, nicht zu viel preisgeben, etwas zurückhaltend sein und im Zweifel trotzdem überlegen, ob ich mit dem richtigen Namen bei Facebook unterwegs bin.
"Nicht so mit dem Zeigefinger daherkommen"
Welty: Wie muss so ein Internetauftritt, der zur Vorsicht gemahnt, überhaupt gestrickt sein, damit junge Leute nicht direkt sagen: Boah, wie langweilig?
Wagner: Ja, genau. Wir haben ja Gott sei Dank auch einen Medienpädagogen hier in der Dienststelle, und die sagen uns …
Welty: Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?
Wagner: Also, wir versuchen, nicht so mit dem Zeigefinger daherzukommen, sondern die Datenschützer, die sagen eigentlich, Datenschutz ist letztlich Selbstbestimmung. Ihr müsst selbst wissen und selbst entscheiden, was ihr auch im Netz macht. Wir wollen nur informieren. Die sollen sich selbst entscheiden, ob sie sich so oder anders verhalten, aber sie müssen wissen, wie das Netz funktioniert. Also das Selbstverantwortliche, das wollen wir unterstützen. Und das machen wir, indem wir jede Menge Wissen sozusagen vermitteln und ein paar Ratschläge geben und sagen: So, jetzt lauft los und verhaltet euch richtig.
Welty: Könnten Sie sich auch vorstellen, täglich beispielsweise die Warnung des Tages zu twittern, oder übersteigt das die Möglichkeiten eines Datenschutzbeauftragten in einer Landesregierung? Und das meine ich gar nicht ironisch.
Wagner: Wir haben mit unserer Landesregierung hier feste Absprachen, in welchem Umfang sie Facebook-Fanseiten zum Beispiel nutzt, und auch Absprachen darüber, ob und in welchem Umfang getwittert werden sollte. Und wir gehen als Datenschützer davon aus, dass Twitter insgesamt datenschutzfreundlicher ist als Facebook.
Welty: Das alles, was Sie bislang beschrieben haben, ist ja mehr oder weniger freiwillig. Das heißt, man kann auf Ihr Angebot zurückgreifen, muss es aber nicht. Reicht das, oder müsste Computer nicht ebenso verbindlich gelernt, gelehrt werden wie Lesen, Schreiben, Rechnen?
Wagner: In der Tat. Wir stellen eben dieses geringe Risikobewusstsein fest und auch ein eingeschränktes Wissen. Das können wir mit so einer Webseite alleine nicht kompensieren. Die Schule macht schon viel, aber sie muss noch mehr machen. Und man muss auch überlegen, ob man wirklich diese Medienkompetenzfragen in allen möglichen Fächern unterrichtet, vom Sozialkundeunterricht über Geschichte und Deutschunterricht, am Ende auch Musikunterricht. Ich weiß nicht, ob das so gut ist oder ob man nicht doch ein Kernfach braucht, Medienkompetenz oder Internetkompetenz oder noch mehr eigentlich das Fach Informatik heranzieht. Das wäre viel wichtiger.
"Wir erreichen jede Menge Leute"
Welty: Finden Sie überhaupt genügend und entsprechend ausgebildete Mitstreiter, die sich der Sache ähnlich engagiert annehmen wie Sie?
Wagner: Wir persönlich hier beim rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten, wir haben seit zwei, drei Jahren so eine Runde von 25 und mehr freien Mitarbeitern, jungen Technikern, viele, die wir speziell ausbilden, die spezielle Unterrichtsmaterialien bekommen und die wir in die Schulen schicken mit vierstündigen Workshops, und da haben wir pro Jahr ungefähr 600 Workshops. Wir erreichen jede Menge Leute, und die werden auch von den Schülern akzeptiert, weil sie jung sind, weil sie bei Facebook und Google selbst unterwegs sind. Da finden wir sehr viele, da würden wir uns von den Schulen noch ein bisschen mehr erhoffen.
Welty: Jetzt geht Rheinland-Pfalz mit diesem Beispiel voran, tatsächlich aber gilt Ihr Angebot bundes-, europa- beziehungsweise weltweit. Sind Landesdatenschutzbeauftragte in diesem Zusammenhang überhaupt noch zeitgemäß?
Wagner: Aber ja, natürlich! Erstens …
Welty: Sagt der Landesschutzbeauftragte!
Wagner: Es macht uns ja auch Spaß, und wir versuchen dann mit der Freude an der Arbeit, auch andere noch ein Stück weit anzustecken.
Welty: Meine Frage ging dahin, ob man es nicht bundesweit, mindestens, organisieren müsste.
Wagner: Ja, ich weiß. Das wird auch der nächste Schritt sein. Also wir haben jetzt sozusagen von Rheinland-Pfalz aus den Anstoß gemacht. Wir werden uns auch in den nächsten Wochen mit den Kollegen und auch mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten zusammensetzen. Und ich denke, das wird sich in Richtung auf eine zentrale Datenschutzwebseite hin weiterentwickeln. Weil es geht ja auch darum, die weiter zu pflegen und aktuell zu halten und immer wieder zu ergänzen und an die neuen Risiken anzupassen. Und je mehr Bundesgenossen wir da haben, desto besser.
Welty: Passt auf eure Daten auf, warnt der Datenschutzbeauftragte von Rheinland-Pfalz. Edgar Wagner zeichnet auch verantwortlich für die neue Website youngdata.de – für beides herzlichen Dank.
Wagner: Vielen Dank, Frau Welty.
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