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Ameisen sollen Suchmaschinen optimieren

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Blattscheiderameisen transportieren kleine Stücke von Brombeerblättern in ihren Bau. © picture alliance / dpa
Jürgen Kurths im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 27.05.2014
Sie sind klein, sie sind viele und sie sind überraschend geordnet: Ameisen. Jürgen Kurths, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, glaubt, dass Ameisen die Suche im Internet verbessern können - denn wir können viel von ihnen lernen.
Korbinian Frenzel: Wer kennt nicht die Faszination, die von einer Ameisenstraße ausgeht, diese kleinen fleißigen Wesen, die offenbar ganz genau wissen, wo sie hin müssen, und wenn man nicht gerade unbewusst drin sitzt, ist das ein herrliches Schauspiel. Es gibt Menschen, mit einem reden wir jetzt, die beobachten das Verhalten von Ameisen ganz professionell, weil es da was zu lernen gibt: zum Beispiel, wie wir die Suche im Internet optimieren können. Jürgen Kurths, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, muss und wird uns das erklären. Guten Morgen!
Jürgen Kurths: Guten Morgen!
Frenzel: Fangen wir mal der Reihe nach an. Sie haben bei Ihrem Forschungsprojekt festgestellt, dass Ameisen erst ziemlich unkoordiniert herumlaufen und dann irgendwann Stringenz und Ordnung hereinkriegen. Wie machen sie das?
Kurths: Was man gefunden hat, schon vor einigen Jahren, durch sehr diffizile Versuche, dass die Ameisen am Anfang fast zufällig – wir sagen dazu chaotisch – losmarschieren von ihrem Nest, um neue Nahrungsquellen zu identifizieren. Und die Frage war dann: Man beobachtet ja häufig diese Ameisenstraßen, die Sie genannt haben. Offensichtlich passiert dann ein Übergang zu einem geordneteren Prozess, zu einer geordneteren Suche nach Nahrung, und genau das hat uns bewegt und das haben wir studiert.
Frenzel: Und was haben Sie dabei herausgefunden? Wie machen die Ameisen das, von diesem Chaos in die Ordnung zu kommen? Ampeln gibt es ja wahrscheinlich nicht.
Ameisen sind wie Pfandfinder
Kurths: Man kann sich das so vorstellen, dass diese Suchameisen so was wie Pfadfinder sind. Das sind Ameisen, die ziemliche Erfahrung haben, und Erfahrung bedeutet, die kennen sehr gut die Umgebung ihres Nestes, ihres Ameisenhaufens. Demzufolge können sie relativ lange losmarschieren und brauchen wenig Zeit zur Rückkehr. Wenn die dann was gefunden haben, setzen die Duftstoffe aus, Pheromone, die allerdings relativ schnell sich verflüchtigen.
Wenn die was gefunden haben, kommen mit Futter nachhause, dann regen sie weitere Ameisen an, mit zu suchen, und der Weg wird dann durch dieses kollektive Verhalten deutlich verfeinert, weil nämlich immer mehr solche Pheromone ausgestreut werden, und je kürzer der Weg ist, desto größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass man das wiederfindet, weil die nicht so schnell sich dann verflüchtigen. Dahinter verbirgt sich die Art von Optimierung, dass auf kollektive Weise dann ein optimaler, also der kürzeste Weg gefunden wird, und genau das ist dann so was wie eine periodische, eine reguläre Bewegung, die wir beobachten. Die Einzelameise können Sie ja kaum so wahrnehmen, die zunächst mal wie ein Pfadfinder losmarschiert.
Frenzel: Sie haben gesagt, diese Ameisen, die losmarschieren, das sind in der Regel erfahrene Ameisen. Wie muss ich mir das vorstellen? Sind das ältere Ameisen, sind die einfach ein paar Tage älter als ihre jüngeren, dann folgenden Kollegen?
Kurths: Ja genau. Das ist, was wir erstmals in unseren Modellen mit einbezogen haben, dass Erfahrung eine ganz wichtige Rolle spielt, die ich natürlich durch Alter gewinne. Die Jungen sind da noch sehr unbefangen und laufen einfach los, aber die Älteren kennen einfach die Umgebung ihres Nestes besser. Auf jeden Fall lernen die und lernen die Umgebung und dadurch finden sie sich viel besser auf dem Rückweg zurecht. Das ist das Entscheidende dabei. Und die Jungen lernen natürlich, wenn sie mit den Älteren mitgehen bei dieser kollektiven Bewegung, ebenfalls ihre Umgebung besser kennen und finden dann in Zukunft auch schneller zurück und werden dann vielleicht auch zu solchen Pfadfinderameisen.
Frenzel: Jetzt wissen wir also, wie die Ameisen das machen. Sie haben eine Duftspur, sie hinterlassen die, dann können die anderen folgen. Die große Frage ist jetzt natürlich und Sie hatten es so angekündigt auch als Ihr Forschungsergebnis: Wie kann man das dann nun übertragen für solche Dinge wie Suchmaschinen im Internet?
Suchstrategie könnte optimiert werden
Kurths: Wir denken, dass dieses Optimierungsprinzip, was dort wirksam ist bei den Ameisen – es hat sich ja im Laufe der Evolution entwickelt -, dass das ein höchst effizientes ist, um mit möglichst wenig Energieaufwand Nahrungsquellen zu finden, und genau das ist ja, was wir machen wollen im Netz, dass wir irgendwelche Informationsquellen suchen. Dafür gibt es natürlich Google und solche Suchmaschinen. Die verraten uns ja nicht genau, was die machen, das ist alles ziemlich geheim. Aber wir denken, dass da noch deutlich die Suchstrategie optimiert werden könnte.
Man kann sich das so vorstellen: Wenn ich jetzt einen Begriff eingebe, dauert es eine bestimmte Zeit, wenn das irgendwie ein sehr abartiger Begriff ist. Gebe ich aber noch ein paar benachbarte Begriffe dazu, die zum Umfeld gehören, dann beschleunigt sich die Suche. Das ist aber jetzt, was der Einzelne leisten muss, und dabei wird sicherlich auch die Suchmaschine lernen. Wenn man diese Art von Lernprozess so umsetzt, wie es die Ameisen machen, denke ich, könnte man noch deutlich effizienter werden.
Frenzel: Aber machen das Internet-Suchmaschinen nicht schon heute, dass sie ihre Suche optimieren aufgrund vorheriger Erfahrungen?
Kurths: Ja natürlich. Darauf basiert ja auch der Erfolg der Suchmaschinen und das ist ja deutlich schneller geworden, als es noch vor wenigen Jahren war. Aber das vollständige Optimum – es gibt ja noch bloß ein Optimum – ist sicherlich noch nicht erreicht, noch längst nicht erreicht. Ich denke, da ist noch sehr viel Potenzial, und wir können genau von dem lernen, was die Natur uns vormacht, hier in dem Fall eben Ameisen oder andere, auch Hummeln, Lebewesen, die so was wie ein Nest haben oder ein Zuhause haben, ähnlich wie wir Menschen ja auch unseren Computer in dem Fall.
Frenzel: Kluge Tiere, die uns helfen können – Jürgen Kurths war das, Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Kurths: Bitte schön!
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