Internationale Fototage Mannheim / Ludwigshafen

Von Michaela Gericke |
Seit 1991 gab es in Herten die Biennale der „Internationalen Fototage“ – bis zum Jahr 2001. Dann war das renommierte Projekt auf der Suche nach einem neuen Veranstaltungsort und Sponsor. Vor ein paar Monaten entschied sich die Firma BASF, das Festival zu unterstützen: Die neue Heimat für die „Internationalen Fototage“ heißt nun Mannheim / Ludwigshafen. „Contemporary American Photography“ und „Die Kunst Deutsche(r) zu sein“, unter diesen Titeln gibt es ein Angebot an etwa 150 Orten.
„Es ist das größte Festival in Deutschland, es ist ein sehr, sehr großes und wichtiges in Europa und es ist dabei ein sehr wichtiges für die USA zu werden, besonders wegen seines Blickes auf die amerikanische zeitgenössische Fotografie. "

Richard Gray, Fotograf und Professor für Fotografie in Chicago, ist einer der rund neunzig Fotografen, die Tina Schelhorn, Kuratorin des Festivals, ausgesucht hat. Während Richard Gray die technische Entwicklung zur digitalen Fotografie keineswegs als einen besorgniserregenden Fortschritt empfindet, wirkt das Festival insgesamt eher überraschend klassisch: die Schwarz-Weiß-Fotografie erlebt geradezu ihr Comeback: Tina Schelhorn will vor allem weniger bekannte Meister der 50er und 60er Jahre vorstellen: Ben Fernandez beispielsweise zeigt seine Schwarz-Weiß-Dokumente über die amerikanische Friedens- und Bürgerrechtsbewegung. Fernandez: Einer, der in vorderster Front stand, um faire Bilder zu machen. „Keine Propaganda“ war sein Motto, obwohl sein Herz für die Sozialisten schlug.

Und er hatte strenge ethische Grundsätze: Auf einem Foto vom 6. April 1968 steht die kleine Tochter Martin Luther Kings am offenen Sarg ihres Vaters. Sie kann es nicht fassen, ihren Vater darin liegen zu sehen. Ben Fernandez gab das Bild 20 Jahre nicht frei zur Veröffentlichung.

„Ich habe ihnen verboten es zu veröffentlichen, bevor sie nicht die Familie um Erlaubnis fragten. Sie haben nicht gefragt, also haben sie das Bild von mir nicht bekommen. – Ich habe bald darauf die journalistische Fotografie aufgegeben und bin Lehrer geworden. -“

Ben Fernandez, Professor für Fotografie, war zuvor auch Kriegsfotograf in Vietnam. Aber nur drei Monate, erzählt er vor den Fotos von Henri Huet, der während der Fototage im selben Gebäude mit einer Sonderausstellung geehrt wird. Henri Huet, ein Fotograf, der in ähnlicher Weise wie Robert Capa das Kriegsgeschehen aus vorderster Front dokumentierte: Festivalleiter Hansjoachim Nierentz will ihn mit der Präsentation aus der Vergessenheit holen:

„Einer der großen Vietnam-Fotografen, allerdings keiner der im Bekanntheitsgrad in der ersten Linie gestanden hat – das, was seine Bilder aussagen, die Kraft der Menschlichkeit die Grausamkeit des Krieges, das wird eigentlich erst jetzt entdeckt. "

Das Foto vom Sanitäter, der – selbst verletzt und mit verbundenen Augen – einen verwundeten Soldaten pflegt – wurde Life-Titelblatt:
„Dafür hat er den Capa-Preis in Gold bekommen – und dies Bild ist um die Welt gegangen. "

Seine Fotos sind im Mannheimer Augustacarree zu sehen, einem der ungewöhnlichen Orte, an denen über hundert amerikanische und deutsche Fotografen vorgestellt werden. Der leer stehende Altbaukomplex, noch Baustelle, ist ein Ort zwischen gestern und morgen – und passt zum Fotofestival, das die klassische journalistische Fotografie mit der zeitgenössischen künstlerischen verbindet. Tina Schelhorn:

„Das Festival hat immer einen Schwerpunkt auf dokumentarischer und journalistischer Fotografie, wobei wir das als Begriff überhaupt nicht mehr so eng sehen, für mich sind die Grenzen übergehend, ich würde mir wünschen, da kämen auch noch Video und mehr dazu. "

Ungewohnte Orte wie das leer stehende Hallenbad in Ludwigshafen lassen Besucher buchstäblich eintauchen in ein Meer von Fotografien. Man verirrt sich in den Gängen ehemaliger Umkleidekabinen und steht im Wasserbecken beispielsweise vor großformatigen Farbfotos von Hans Pieler. Seine Blicke in ostdeutsche Wohnzimmer sind keine voyeuristischen – wenngleich sie von Einsamkeit und Scheinidylle – von Skurrilität und Ödnis erzählen. „Die Kunst Deutsche (r) zu sein“ – ist das zweite große Thema der Fototage. Auch das „Faktorhaus“ in Ludwigshafen, ebenfalls ein noch leer stehendes Büro-Gebäude, lockt mit hunderten Bildern. Amerikanische zeitgenössische Fotografie trifft auf deutsche. Peter Granser porträtiert einfühlsam und mit großem Respekt Alzheimer-kranke Männer und Frauen. Mariette Pathy Allen dokumentiert schmerzvolle Operationen von Transsexuellen. Bernd Lasdin aus Neubrandenburg ist bis in die USA bekannt für seine unspektakulären Schwarz-Weiß-Porträts von Deutschen aus allen Gesellschaftsschichten. Er spricht sie auf der Straße an, um sie dann in ihrer eigenen Umgebung zu fotografieren. Damit nicht genug, lässt er sie später eigene Gedanken unter ihre Porträts schreiben. Für seine ethnografischen Studien mit der Camera wurde er am Anfang der Fototage zur Fotopersönlichkeit des Jahres ernannt. Einer, der wie viele andere konsequent in Schwarz-Weiß arbeitet.

Auch Regina Schmeken, Fotografin bei der Süddeutschen Zeitung und Fotokünstlerin sieht die Schwarz-Weiß-Fotografie als ihr Stilmittel. Ihre Aufnahmen sind zwar digital gescannt und auf Leinwand gedruckt, aber Regina Schmeken bleibt bei ihren besonderen Kompositionen aus Schwarz und Weiß. John Mayor und Helmut Kohl – beide konnte sie nur von der Seite – nebeneinander stehend – als Silhouette aufnehmen. Major verschmilzt sozusagen mit der Körpermasse des Alt-Kanzlers – die unbeabsichtigte Komik in diesem Bild setzte neue Maßstäbe in der Süddeutschen Zeitung:

„Das war nicht normal, diese Art von politischer Fotografie, dass das gedruckt wurde, es wurde zum ersten Mal im Feuilleton gedruckt. Ich denke, dass es meine besondere Handschrift ist – ich empfinde es muss möglich sein, ich glaube nicht, dass ich es machen werde, auf Farbe umzusteigen. "

Schon jetzt ist abzusehen, dass das große Ziel der „siebenten Internationalen Fototage“ erreicht werden kann: nämlich Brücken zu schlagen – zwischen den Städten Mannheim und Ludwigshafen, zwischen den USA und Deutschland, zwischen alter und neuer Technik. Schon jetzt pendeln Bilderhungrige von Mannheim nach Ludwighafen und umgekehrt. Zwar sind nicht alle Präsentationen wirklich gelungen, es fehlen Beschriftungen, Biografien oder Erklärungen zur Art der Fotografie. Aber der Anfang in der neuen Heimat der Internationalen Fototage in Mannheim / Ludwighafen ist gemacht.


Service: Die Internationalen Fototage und der Monat der Fotografie: bis zum 10. Juli im Rhein – Neckar Dreieck zwischen Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Näheres unter www.internationalefototage.de