Intensives Reisebuch

12.10.2009
Der Tierfilmer Andreas Kieling beschreibt in "Meine Expeditionen zu den letzten ihrer Art" seine Reisen zu den bedrohten Tieren rund um die Welt.
Wenn Fernsehautoren ihre erfolgreichen Sendungen als Buch vermarkten, bleibt meist ein schaler Geschmack zurück: Viele bunte Bilder, wenig Inhalt, das aus den Sendungen Bekannte wird nur noch einmal wiedergekäut. Der Tierfilmer Andreas Kieling gehört nicht in diese Kategorie. Natürlich führt er uns auch in seinem Buch wieder an dieselben Orte wie die Filme seiner Expeditionen zu den letzten ihrer Art im ZDF, zeigt uns dieselben Tiere, die er, wie er unumwunden eingesteht, nach ihrer Fernsehtauglichkeit ausgesucht hat.

So besuchen wir mit ihm die Eisbären im hohen Norden Kanadas und Europas letzte große Braunbärenpopulation in Rumänien, tauchen mit riesigen Salzwasserkrokodilen in Australiens Kakadu-Nationalpark oder klettern in die eisigen Höhen des Tianshan-Gebirges in Kirgisien, um Schneeleoparden und Marco Polo Argalis aufzuspüren, schauen in Ruanda Berggorillas in die Augen. Und doch ist alles ganz anders als im Film.

So erzählt Andreas Kieling viel über sich selbst und seine Motive, redet über seine Jagdleidenschaft, die ihn jetzt dazu bringt, mit der Kamera seltene Tiere zu erlegen. Er erinnert sich an zahlreiche Erlebnisse von früheren Expeditionen. An dramatischen Situationen fehlte es in seinem Leben offenkundig nicht und ein paar Mal hat er mehr Glück als Verstand gehabt, dass er mit dem Leben davon gekommen ist. Das hat allerdings seinen Wagemut nicht bändigen können. Man verfolgt verblüfft mit, auf welche Risiken er sich eingelassen hat, um zum Beispiel einem großen Krokodil in einem schlammigen See mit der Kamera auf den Leib zu rücken. Er verschweigt nicht, dass auch er dabei mächtig Angst gehabt hat.

Ganz nebenbei flicht Andreas Kieling eine Menge Sachinformationen über die beobachteten Tiere aber auch viele andere mit ein. Sein kleiner Trick: statt sich direkt an den Leser zu wenden, erklärt er seinen Begleitern, der Kamerafrau oder dem Kameramann, welche Besonderheiten Tier und Natur zu bieten haben. Der Tierfilmer ist ein exzellenter Erzähler, kennt aufregende und spannende Geschichten. Man folgt ihm wirklich gebannt.

Sympathisch ist außerdem, dass sich Andreas Kieling nicht nur für die Tiere interessiert, sondern auch für die Menschen, die in ihrer Umgebung leben und mit ihnen klar kommen müssen. Dabei räumt er mit manchem Vorurteil auf. Viele halten Bären, Wölfe, Löwen für Raubtiere, die den Menschen angreifen und die man darum meiden und vertreiben sollte. Das Gegenteil ist der Fall. Wo immer sie können, gehen diese Räuber dem Menschen aus dem Weg. Nach Kielings Ansicht sehen sie in uns ebenfalls ein gefährliches Raubtier, dem man besser ausweicht. Nur wenn sie brünstig sind, Nachwuchs dabei haben, sich angegriffen fühlen oder glauben, der Mensch wolle ihnen ihre Jagdbeute streitig machen, gehen sie zum Angriff über. Wenn man darauf achtet, so der Tierfilmer, wird man kaum attackiert werden.

Staunend und ein wenig neidisch auf seine Erlebnisse folgt man ihm. Ein Reisebuch von ganz ungewöhnlicher Intensität.

Besprochen von Johannes Kaiser

Andreas Kieling: Meine Expeditionen zu den letzten ihrer Art – Bei Berggorillas, Schneeleoparden und anderen bedrohten Tieren,
Malik Verlag München 2009, 349 Seiten, 53 Fotos, 22,95 Euro