Intelligentes Granteln
23.11.2008
Kaum jemand brach so konsequent subjektiv mit den Filmkonventionen wie der Regisseur Herbert Achternbusch. Und keiner konzentrierte sich so auf die Region, wie er es mit seiner bayerischen Heimat tat. Zum 70. Geburtstag des anarchischen Filmrebells hat das Label "Pierrot le Fou" eine DVD-Box mit 5 Filmen aus den Jahren 1974 bis 1990 herausgebracht.
"Morgen geht es dahin mit mir. - Was sagst? - Morgen geht es dahin mit mir. - Wohin denn, wenn ich fragen darf? - Ich sterbe! - Dein Problem möchte ich auch haben, ha, ha, ha."
Lebensmüdigkeit auf Bayerisch: Das heißt, nicht verzweifeln, sondern hier - im Angesicht der erhabenen Berge - melancholisch im Biergarten vor sich hindämmern. Noch aber ist es für Lehrer Herbert nicht zu Ende. Er hat nur Angst vor seiner morgigen Lehrprobe, die Beamten vom Schulamt werden sich seinen Unterricht anschauen. Für die Prüfung hat sich Herbert ein ungewöhnliches Thema vorgenommen.
"So! Jetzt wenden wir uns dem Haar des Menschen zu. Das Haar, also das Achselhaar wird mit zu…, mit zunehmendem Alter geringer. Ihr werdet es erst später merken. Zieht doch die Vorhänge zu. - Die Vorhänge bleiben offen. - Das ist ja nicht zum Aushalten in dieser Affenhitze. - Wir möchten kontrollieren, ob Sie auch unter Extrembedingungen unterrichten können."
Die Lehrprobe verläuft nicht optimal. Aber wundersamer Weise übersteht Herbert die Prüfung, genauso absurd wie die Unterrichtsstunde sieht auch das Ergebnis aus: bestanden.
Es ist eine ziemlich durchgedrehte Welt, die Herbert Achternbusch 1974 in seinem ersten Film "Das Andechser Gefühl" beschreibt. Das idyllische Bayern als absurdes Bauerntheater, in dem der Irrsinn wohlgeordnete Normalität wird.
Der damals 36-jährige Autorenfilmer - gleichzeitig Regisseur, Autor und in fast jedem seiner Filme auch Hauptdarsteller - zeigt eine Welt, die er kennt. Aufgewachsen im Bayerischen Wald, lässt Achternbusch in seinen Filmen das Volk sprechen, wie er im Bonusmaterial der DVD erzählt.
"Also, das ist für mich genau, sagen wir mal, nicht folkloristisch, aber was die Leute denken oder, was die Leute dachten, das war für mich ganz wichtig. Zur Umsetzung. Dass man da hineindenkt und selber was macht. Und die machen gar nichts. Genießen nur ihre Dummheit, sonst gar nichts."
So wie Achternbusch hier auf einer Podiumsdiskussion grantelt, so erbarmungslos mosert er auch in seinen Filmen. Er ist der eigenbrödlerische Exot unter den deutschen Autorenfilmern. Wie kein anderer widmet er sich seiner Heimat.
Seine Filme sind provinziell, aber intelligent. Bevor er zum Film kam, hatte Achternbusch als Maler und dann als Schriftsteller gearbeitet. Seine Filme dreht er, wie er schreibt: Als Sammelsurium von Gedanken, Monologen und Sprachspielen in der Tradition von Karl Valentin, mit denen seine traurigen Filmhelden ihren Weltschmerz zelebrieren.
Eigenwillige Idealisten wie Achternbusch, der radikal subjektiv erzählt und viel Autobiografisches verarbeitet. Mit "Die Olympiasiegerin" dreht er eine absurde Geschichte, in der er als Kind während der Nazizeit die eigenen Eltern verkuppelt, damit sie ihn zeugen können. Die Zeitebenen wechseln munter zwischen heute und damals, den Deutschen wird sarkastisch die Gegenwärtigkeit der Nazi-Vergangenheit vor die Nase gehalten.
"Der Jockey muss grad mal eben einen scheißen, damit er gewinnt. - Wie heißt denn Dein Pferd? - Hitler! - Hitler? Auf den habe ich schon einmal gesetzt und verloren. - Das war Sabotage. Aber dieses Mal haben wir Dusel gehabt. Dieses Mal wird Hitler gewinnen, er hat sich am Freitag für die Olympischen Spiele qualifiziert. - Olympische Spiele, olympisch? Ist Hitler ein Weibchen?"
In den 70er und 80er Jahren provoziert Achternbusch immer wieder, am liebsten die katholische Kirche. Das Bayerische Fernsehen weigert sich mehrmals, seine Filme auszustrahlen. Größter Skandal wird 1983 "Das Gespenst", in dem ein wiedererwachter Jesus vom Kruzifix eines Klosters steigt. Mit der Äbtistin zieht er durchs Land und streitet mit ihr über das Christentum.
"Weißt Du, was die Menschen von Dir wissen wollten? Nichts! Wir haben sie geschlagen, damit sie kapiert haben, dass Du sie liebst. Und wenn sie Deine Liebe gar nicht annehmen wollten, dann haben wir sie auch getötet. Das hat uns nicht immer gefallen, aber es musste sein. Gott sei Dank haben wir heute die Möglichkeit, die Welt zigmal in die Luft zu jagen, wenn Du es uns befiehlst. - Ich habe euch nie etwas befohlen. - Das ist es ja, so mussten wir uns selber ausdenken, was Du meinst. - Das ist ja die Scheiße."
Der Film "Das Gespenst" sorgt für Ärger. Achternbusch wird Blasphemie vorgeworfen, bereits zugesagte Fördergelder werden nicht ausgezahlt. Für den Regisseur bedeutet das nicht nur finanziell ein Desaster, fortan werden seine Filme nicht mehr gefördert und im Fernsehen gemieden.
Wie radikal eigenwillig und originell Achternbusch auch heute noch unter den deutschen Regisseuren dasteht, lässt sich an diesen fünf Filmen wieder spannend nachvollziehen. Seinen Stil hat er immer gegen jeden Widerstand durchgezogen.
Bis heute ist er ein sturer Querkopf geblieben, wie er in seinen Interviews im Bonusmaterial dieser absolut sehenswerten DVD-Box sehr unterhaltsam beweist. Darin folgt Achternbusch seinen traurigen Filmfiguren, die sich wie in "Die Atlantikschwimmer" von 1975 mit Alltagsphilosophie über Wasser halten - und deren Lebensweisheiten in den 70er Jahren zu geflügelten Worten werden.
"Ich schäme mich so, dass ich keinen Anzug anhabe. Da, kaufe Dir einen Anzug und folge mir nach. Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie."
Rezensiert von Christian Berndt
Herbert Achternbusch: 5 Filme
Label Pierrot le Fou,
DVD Fünfer-Box mit Bonusmaterial
Lebensmüdigkeit auf Bayerisch: Das heißt, nicht verzweifeln, sondern hier - im Angesicht der erhabenen Berge - melancholisch im Biergarten vor sich hindämmern. Noch aber ist es für Lehrer Herbert nicht zu Ende. Er hat nur Angst vor seiner morgigen Lehrprobe, die Beamten vom Schulamt werden sich seinen Unterricht anschauen. Für die Prüfung hat sich Herbert ein ungewöhnliches Thema vorgenommen.
"So! Jetzt wenden wir uns dem Haar des Menschen zu. Das Haar, also das Achselhaar wird mit zu…, mit zunehmendem Alter geringer. Ihr werdet es erst später merken. Zieht doch die Vorhänge zu. - Die Vorhänge bleiben offen. - Das ist ja nicht zum Aushalten in dieser Affenhitze. - Wir möchten kontrollieren, ob Sie auch unter Extrembedingungen unterrichten können."
Die Lehrprobe verläuft nicht optimal. Aber wundersamer Weise übersteht Herbert die Prüfung, genauso absurd wie die Unterrichtsstunde sieht auch das Ergebnis aus: bestanden.
Es ist eine ziemlich durchgedrehte Welt, die Herbert Achternbusch 1974 in seinem ersten Film "Das Andechser Gefühl" beschreibt. Das idyllische Bayern als absurdes Bauerntheater, in dem der Irrsinn wohlgeordnete Normalität wird.
Der damals 36-jährige Autorenfilmer - gleichzeitig Regisseur, Autor und in fast jedem seiner Filme auch Hauptdarsteller - zeigt eine Welt, die er kennt. Aufgewachsen im Bayerischen Wald, lässt Achternbusch in seinen Filmen das Volk sprechen, wie er im Bonusmaterial der DVD erzählt.
"Also, das ist für mich genau, sagen wir mal, nicht folkloristisch, aber was die Leute denken oder, was die Leute dachten, das war für mich ganz wichtig. Zur Umsetzung. Dass man da hineindenkt und selber was macht. Und die machen gar nichts. Genießen nur ihre Dummheit, sonst gar nichts."
So wie Achternbusch hier auf einer Podiumsdiskussion grantelt, so erbarmungslos mosert er auch in seinen Filmen. Er ist der eigenbrödlerische Exot unter den deutschen Autorenfilmern. Wie kein anderer widmet er sich seiner Heimat.
Seine Filme sind provinziell, aber intelligent. Bevor er zum Film kam, hatte Achternbusch als Maler und dann als Schriftsteller gearbeitet. Seine Filme dreht er, wie er schreibt: Als Sammelsurium von Gedanken, Monologen und Sprachspielen in der Tradition von Karl Valentin, mit denen seine traurigen Filmhelden ihren Weltschmerz zelebrieren.
Eigenwillige Idealisten wie Achternbusch, der radikal subjektiv erzählt und viel Autobiografisches verarbeitet. Mit "Die Olympiasiegerin" dreht er eine absurde Geschichte, in der er als Kind während der Nazizeit die eigenen Eltern verkuppelt, damit sie ihn zeugen können. Die Zeitebenen wechseln munter zwischen heute und damals, den Deutschen wird sarkastisch die Gegenwärtigkeit der Nazi-Vergangenheit vor die Nase gehalten.
"Der Jockey muss grad mal eben einen scheißen, damit er gewinnt. - Wie heißt denn Dein Pferd? - Hitler! - Hitler? Auf den habe ich schon einmal gesetzt und verloren. - Das war Sabotage. Aber dieses Mal haben wir Dusel gehabt. Dieses Mal wird Hitler gewinnen, er hat sich am Freitag für die Olympischen Spiele qualifiziert. - Olympische Spiele, olympisch? Ist Hitler ein Weibchen?"
In den 70er und 80er Jahren provoziert Achternbusch immer wieder, am liebsten die katholische Kirche. Das Bayerische Fernsehen weigert sich mehrmals, seine Filme auszustrahlen. Größter Skandal wird 1983 "Das Gespenst", in dem ein wiedererwachter Jesus vom Kruzifix eines Klosters steigt. Mit der Äbtistin zieht er durchs Land und streitet mit ihr über das Christentum.
"Weißt Du, was die Menschen von Dir wissen wollten? Nichts! Wir haben sie geschlagen, damit sie kapiert haben, dass Du sie liebst. Und wenn sie Deine Liebe gar nicht annehmen wollten, dann haben wir sie auch getötet. Das hat uns nicht immer gefallen, aber es musste sein. Gott sei Dank haben wir heute die Möglichkeit, die Welt zigmal in die Luft zu jagen, wenn Du es uns befiehlst. - Ich habe euch nie etwas befohlen. - Das ist es ja, so mussten wir uns selber ausdenken, was Du meinst. - Das ist ja die Scheiße."
Der Film "Das Gespenst" sorgt für Ärger. Achternbusch wird Blasphemie vorgeworfen, bereits zugesagte Fördergelder werden nicht ausgezahlt. Für den Regisseur bedeutet das nicht nur finanziell ein Desaster, fortan werden seine Filme nicht mehr gefördert und im Fernsehen gemieden.
Wie radikal eigenwillig und originell Achternbusch auch heute noch unter den deutschen Regisseuren dasteht, lässt sich an diesen fünf Filmen wieder spannend nachvollziehen. Seinen Stil hat er immer gegen jeden Widerstand durchgezogen.
Bis heute ist er ein sturer Querkopf geblieben, wie er in seinen Interviews im Bonusmaterial dieser absolut sehenswerten DVD-Box sehr unterhaltsam beweist. Darin folgt Achternbusch seinen traurigen Filmfiguren, die sich wie in "Die Atlantikschwimmer" von 1975 mit Alltagsphilosophie über Wasser halten - und deren Lebensweisheiten in den 70er Jahren zu geflügelten Worten werden.
"Ich schäme mich so, dass ich keinen Anzug anhabe. Da, kaufe Dir einen Anzug und folge mir nach. Du hast zwar keine Chance, aber nutze sie."
Rezensiert von Christian Berndt
Herbert Achternbusch: 5 Filme
Label Pierrot le Fou,
DVD Fünfer-Box mit Bonusmaterial