Intellektuelle Unterhaltungsliteratur

Nach dem 11. September 2001 wird Mole von der Polizei verdächtigt, eine El-Kaida-Terrorzelle gegründet zu haben. Erst sieben Jahre später teilt ihm ein Polizist mit, dass er unschuldig ist.
"Es war die Hölle. Die Marlboro-Lights gingen mir aus, ... "

Ihren letzten, 2008 auf Deutsch erschienen Roman "Queen Camilla" nannte die Zeitschrift "Brigitte" schlichtweg "saukomisch". Sie gilt als die britische Satire-Queen: Susan Lillian Townsend.

Sue Townsend, Jahrgang 1946, schmiss mit 15 die Schule und jobbte als Verkäuferin und Fabrikarbeiterin, bis sie mit Mitte 30 zu schreiben begann, Resultat: elf Theaterstücke, zwei Sachbücher und 14 Romane, ausgezeichnet mit Literaturpreisen, Sue Townsend selbst geehrt mit der Ehrendoktorwürde gleich zweier englischer Universitäten.

Dem Satire-Publikum ist Sue Townsend allerdings auch in Deutschland ein Begriff, neun Romane von ihr wurden bisher auf Deutsch übersetzt, ihr neuer trägt den Titel "Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole". Adrian Mole ist der Serienheld, dem Sue Townsend neun ihrer 14 Romane gewidmet hat; im ersten Roman, der 1982 erschien, war Adrian Mole 13 Jahre alt, im letzten, der schon in England, aber noch nicht auf Deutsch erschienen ist, ist Mole dann 40.

In "Die verschollenen Tagebücher" nun ist Mole 33, 34 Jahre alt, und wir befinden uns in den Jahren 1999 bis 2001. Zu diesem Zeitpunkt ist Adrian Mole Sozialhilfeempfänger, allein erziehender Vater zweier Söhne von zwei verschiedenen Müttern, die eine weiß, die andere schwarz, und er hält sich für ein literarisches Genie, das heißt, er arbeitet ständig an irgendwelchen Romanmanuskripten, die aber niemand haben will, genauso wenig wie das Kochbuch, das von ihm erschienen ist, mit dem Titel: "Alle schreien nach Innereien".

Warum nun "verschollene" Tagebücher? In der Paranoia, die nach dem 11. September 2001 herrscht, wird Mole von der Polizei verdächtigt, zusammen mit seinem alten Klassenkameraden Mohammed, der die örtliche Tankstelle betreibt, eine El-Kaida-Terrorzelle gegründet zu haben. Am 24. November 2001 wird Moles Wohnung durchsucht und seine Tagebücher werden konfisziert.

Sieben Jahre später, 2008, klingelt es an Moles Tür, ein Polizist überreicht Mole die für Mole lange verschollenen Tagebücher und entschuldigt sich, dass man vergessen habe, Mole mitzuteilen, dass er unschuldig ist. So beginnt der Roman und lässt den Leser dann in die Tagebücher Adrian Moles aus den Jahren 1999 bis 2001 blicken.

Sue Townsend ist eine politische Satirikerin, verpackt aber Kritik und Kalauer elegant und auch immer mit Mitgefühl und Wärme für ihre Figuren, was stets eine sehr philanthropisch-heimelige Atmosphäre schafft.

"Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole" ist ein ultimativer Tipp für graue Wintertage, die beste Medizin gegen schlechte Laune; ein Lächeln wird sich bleibend in Ihren Mundwinkeln verankern. Und das dann noch zum Taschenbuch-Schmunzel-Preis von 8,95 Euro.

Das ist intellektuelle Unterhaltungsliteratur, sprich Spaß pur: vom kokainsüchtigen Zirkus-Seehund Billy bis zum Ikea-Sarg zur Selbstmontage. Adrian Mole macht süchtig, diese so liebenswerte Figur des klassisch-tragischen Helden, ein würdevoll-talentloser, allein erziehender Schriftsteller, der vom Nobelpreis träumt und an einer Frittenbude arbeitet.

Besprochen von Lutz Bunk

Sue Townsend: Die verschollenen Tagebücher des Adrian Mole
Aus dem Englischen übersetzt von Astrid Finke
Heyne Verlag München 2009, 271 Seiten, 8,95 Euro